Donnerstag, 12. November 2009

Liebesgrüße aus Moskau – das Verhältnis zwischen Syrien und der UdSSR

Hier ein Gastbeitrag von Nils Metzger über das sowjetische Engagement in Nahost, mit speziellem Fokus auf Syrien. Nils Metzger arbeitet zurzeit für die Deutsch-Arabische Gesellschaft (DAG)

Der Zusammenbruch des sowjetischen Blocks 1991 veränderte nicht nur das Machtgefüge in Europa, sondern hatte auch direkte Auswirkungen auf die Staaten des Nahen Ostens. Diese konnten zu jenem Zeitpunkt auf eine lange Geschichte sowjetischer Unterstützung zurückblicken.


In Syrien herrschte seit dem Putsch 1963 die Baath-Partei, deren Losung sich mit „Einheit, Freiheit, Sozialismus“ klar von den islamisch geprägten Ideologien vieler anderer arabischer Staaten absetzte und eine enge Bindung an den sowjetischen Block nahe legte. Der Baathismus, abgeleitet vom arabischen Wort für Erneuerung, Auferstehung, hat sich nach der Unabhängigkeit der arabischen Staaten aus den säkularen und nationalistischen Vorstellungen junger arabischer Intellektueller entwickelt, die sich sowohl gegen die europäische Kolonialherrschaft, als auch für den Panarabismus einsetzten. Für den Baathismus charakteristisch sind dabei ein starker Nationalismus und große Rivalitäten mit den anderen arabischen Regierungen. Prägendes Ereignis war hierbei das Scheitern der Bemühungen 1963, eine „Vereinigte Arabische Union“ unter der Beteiligung Syriens, Iraks und Ägyptens zu errichten.

Das Engagement der UdSSR funktionierte im Nahen Osten, wie auch in der restlichen Welt gleich. Mit Hilfe vornehmlich von Waffenlieferungen versuchte man eine Seite in einem Konflikt zu stützen und ein Abhängigkeitsverhältnis herzustellen. Im Falle Syriens „erfolgte eine massive Aufrüstung erst nach dem Krieg von 1967“, so Martin Stäheli in „Die Syrische Außenpolitik unter Präsident Hafez Assad“. Die milliardenschweren Rüstungsausgaben „übernahmen zu einem guten Teil die Erdöl fördernden Länder wie Saudi-Arabien“, so Stäheli weiter. Auch der damalige Chefberater des ägyptischen Präsidenten Nassers, Mohammed Heikal, gab in einem Spiegel-Interview 1979 an, Finanzierungshilfen von Seiten des offiziell USA-hörigen Saudi-Arabiens anzunehmen.

Jedoch stellte sich das Engagement der Sowjets nicht als unproblematisch heraus, da die arabische Seite mehrfach mangelnde Unterstützung beklagte und sich Staaten wie Ägypten auch auf Verhandlungen mit den USA einließen, so zum Beispiel auf das Camp David Abkommen 1978. Ebenso spielte die Rolle des Militärs in vielen arabischen Staaten eine zentrale Rolle: Da die Militärverwaltung einen starken Gegenpol zu den Organisationsstrukturen der Baath-Partei bildete, bestand stets die Furcht syrischer Staatschefs, von einem Putsch entmachtet zu werden. Darüber hinaus wurde der Einfluss sowjetischer Militärberater – von denen Ägypten um 1970 etwa 15.000 besaß – ebenso kritisch gesehen. Der Spiegel berichtete 1972 über das Phänomen der sowjetischen Militärberater in Syrien: „Vorsichtig holte sich Assad nach ägyptischem Vorbild die erprobten Ausrüster der Araber ins Land: die Sowjets. „Ideologisch werde ich die Russen hier niemals Fuß fassen lassen. Ihre Hilfe nehme ich, solange sie uns nützt.“, so Syriens Präsident Assad. Immer wenn die Sowjets in seinem Land zu stark zu werden drohten, wies er russische Berater aus.“

Syrien sah in der sowjetischen Militärhilfe stets nur den direkten Nutzen für die eigene Sache. So wurde die syrische Militärmacht sowohl für die versuchte Rückeroberung der Golan-Höhen im Jom-Kippur-Krieg 1973 gegen Israel, als auch für die 1976 erfolgte Besetzung Libanons, um den dortigen Bürgerkrieg zu beenden, genutzt. Die Position der Sowjets im libanesischen Bürgerkrieg war besonders prekär, da Syrien nach Auflösung des sowjetisch-ägyptischen Freundschaftsvertrages 1971 der einzig verbliebene starke Partner war. Eine Unterstützung der der UdSSR ebenfalls freundlich gesinnten PLO kam auf Grund des innerarabischen Konfliktes nicht in Frage, was den beschränkten Handlungsspielraum der Sowjets im Nahen Osten verdeutlichte.

Der 1980 geschlossene syrisch-sowjetische Freundschaftsvertrag war die formale Konsequenz aus dem schwindenden Einfluss der Sowjetunion im Nahen Osten. Die Streitigkeiten der arabischen Staaten untereinander, die Überlegenheit Israels und das verstärkte Auftreten der USA unter Präsident Carter zwangen die UdSSR sich an Syrien zu binden. Der Spiegel kommentierte diese Situation in seiner Ausgabe 21/1983 süffisant: „Dankbar, irgendwo im Nahost-Spiel noch mitmischen zu dürfen, rüstete Moskau die im Libanonkrieg arg geschundenen syrischen Truppen wieder auf.“

In diesem letzten Jahrzehnt ihres Bestehens rückte die UdSSR auch politisch wesentlich näher an Syrien heran, welches im Gegenzug den Afghanistan-Krieg propagandistisch im Nahen Osten unterstützte – zum Beispiel durch den Boykott der ICO-Konferenz aller islamischer Staaten 1980. Doch das jähe Ende der Sowjetunion bedeutete für Syrien den Verlust des wichtigsten internationalen Partners, über den 95% aller Waffenlieferungen organisiert wurden.

Fortsetzung folgt...

Keine Kommentare: