„Das Schwert ist die beste Antwort“, sagte Mustafa Tlass, als er 1981 von der israelischen Annexion der Golan-Höhen, erfuhr. Doch den martialischen Worten des damaligen syrischen Verteidigungsministers folgten kaum Taten. Seit 28 Jahren ist das karge Hochland nordöstlich des Sees Genezareths nun schon fest in israelischer Hand. Der verschneite Hermon-Berg wurde seitdem touristisch ausgebaut und ist zu einem beliebten Ausflugsziel Wintersportbegeisterter Israelis geworden. In den zahlreichen Moshavim und Kibbuzim können gestresste Städter dem Alltag Haifas und Tel Avivs entfliehen und sich der Nostalgie der Gründerzeit hingeben. In dieser Idylle vergisst man gerne, dass in dem 1250 Quadratkilometer großen Gebiet einst fast hunderttausend Menschen lebten. Einzig die verminten und verlassenen Ortschaften auf dem kahlen Landstrich sind mit ihren zerstörten Häusern stumme Zeugen der Kriege und dem damit verbundenen individuellen Tragödien. Bis heute ist es nicht gelungen, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden. Die zu Beginn des vergangenen Jahres, wieder aufgenommenen indirekten Gespräche zwischen Jerusalem und Damaskus sind seit September 2008 ins Stocken geraten. Ein neuerlicher Versuch des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad verdeutlicht, wie undurchsichtig und schwierig die Verhandlungen sind.
„Widerstand als alternative Lösung“
Ende Oktober erklärte Assad bei einem Besuch in Kroatien, Syrien sei bereit, die Friedensverhandlungen mit Israel wieder aufzunehmen und alle relevanten Punkte zu klären. Er betonte, dass das syrische Volk die Idee einer Fortsetzung der Friedensverhandlungen mit Israel unterstütze und es nicht an seinem Land liege, dass es zu keinem positiven Ergebnis kommen würde und die Verhandlungen immer noch nicht wieder neu aufgenommen wurden. Ehud Barak, Verteidigungsminister Israels, sagte daraufhin zur israelischen Zeitung Hatzofeh: „Israel hat in der Vergangenheit nach Wegen gesucht, den Frieden mit Syrien zu fördern, und wird das auch in Zukunft weiterhin tun“. Weiter erklärte er, dass ein Frieden mit Syrien ein wesentlicher Baustein in jedem stabilen regionalen Abkommen sei. Diesem kurzen Frühling der Friedensdiplomatie folgten jedoch wenige Tage später, am vergangenen Montag, scharfe Kritik und Drohungen Assads. Auf einer Konferenz der OIC in Istanbul, warnte er – nach Angaben der Haaretz –, dass das Scheitern der Nahost-Friedensverhandlungen, der arabischen Welt keine andere Alternative lasse, als sich dem „Widerstand als alternative Lösung“ zuzuwenden. Er sprach vom „Widerstand gegen die Besatzung“ als einer „nationale Pflicht“. Diese vollkommenen unterschiedlichen Aussagen Assads innerhalb der letzten vier Wochen sind beispielhaft, für den nun schon seit 1981 andauernden rhetorischen Kampf auf dem diplomatischen Schlachtfeld der Golan-Höhen.
Der Anfang vom Ende
„Die Golan-Höhen werden nicht mehr an Syrien zurückgegeben“, sagte Moshe Dayan 1969. Und so wie der einäugige Kriegsgott Israels es prophezeite, kam es dann auch. Menachem Begin entschloss sich, im Dezember 1981, die Golan-Höhen zu annektieren. Diese Entscheidung kommentierte der SPIEGEL als „Begins Husarenstreich“ und seine Parteifreunde als „Wahnsinnstat“. Es gab aber auch kritische Stimmen. Einer der meist verehrten und zugleich auch meist verachteten Politiker Israels, Yitzhak Rabin, sagte: „Das ist der Anfang vom Ende des Camp-David-Prozesses“. Er sollte, wie so oft, Recht behalten. Seit dem Tag, als Israel völkerrechtswidrig die Golan-Höhen annektierte, ist der dünn besiedelte, hügelige Landstrich endgültig zum dauerhaften Zankapfel zwischen Jerusalem und Damaskus geworden – ohne Ergebnis. Zweimal waren Israel und Syrien, bei Verhandlungen 1992-1996 und 1999-2000, am Rande eines Friedensvertrages und dennoch konnten sie den letzten Schritt nicht gehen.
Ein Mord und seine Folgen
Vor der ersten Verhandlungsrunde sagte der damalige Premier Rabin zu Haaretz: „Wir wollen einen richtigen Frieden. Wenn jemand aufsteht und schnell mal nach Syrien reisen will oder wenn jemand geschäftliche oder kulturelle Verbindungen aufnehmen will, dann soll das möglich sein.“ Die Yedijoth Achronoth titelte: „Assad will Frieden“ – alles schien auf ein ernsthaftes und dauerhaftes Abkommen hinaus zu laufen, aber alle Hoffnung auf echten Frieden wurde schlagartig am 4. November 1995 begraben – mit diesen Hoffnungen auch Yitzhak Rabin. Er wurde auf einer Veranstaltung, die unter dem Motto „Ja zum Frieden, Nein zur Gewalt“ stand, von Jigal Amir, einem jüdischen Fundamentalisten, getötet.
Nach der Ermordung Rabins übernahm Shimon Peres die Regierungsgeschäfte. Um seine Wahlchancen nicht durch Verhandlungen über einen Abzug vom Golan zu gefährden, wurden die Gespräche abgebrochen. Doch Peres hatte Pech: Er verlor die Wahl und somit auch die Möglichkeit seinem Namen als Friedensnobelpreisträger mit einem weiteren Abkommen, diesmal zwischen Israel und Syrien, alle Ehre zu machen. Stattdessen kam Benjamin „Bibi“ Netanyahus 1996 an die Macht. Mit ihm erlahmte der Friedensprozess vollständig. Die Zugeständnisse Rabins wurden von dem Führer des konservativen Likud-Blocks als nicht mehr relevant für neue Verhandlungen betrachtet. Es folgten drei Jahre der vollkommenen Funkstille, die erst 1999 durch Ehud Barak durchbrochen werden konnte.
Assad grüßt Barak
Nach seinem Wahlsieg schickte Hafis al-Assad via al-Hayat erstaunliche Grußworte an den neuen Premier Israels: „Ich habe seine Karriere und seine Äußerungen verfolgt. Er scheint ein starker und ehrlicher Mann zu sein. Es ist deutlich, dass er Frieden mit Syrien erreichen will. Er bewegt sich mit angemessenen Schritten vorwärts.“ Auch in Israel wagte man wieder vom Frieden zu träumen. Lea Rabin, die Witwe des ermordeten Yitzhak Rabin, sagte gegenüber Haaretz: „Ehud Barak heilt die Wunden, die der Mord an meinem Mann verursacht hat.“ Wie sich jedoch bald herausstellen sollte, waren die Schuhe seines politischen Ziehvaters einige Nummern zu groß für den höchstdekorierten Soldat der israelischen Geschichte und ehemaligen Generalstabschef. Innerhalb eines Jahres wollte er einen Friedensvertrag mit Syrien aushandeln, daraus wurde jedoch nichts: Trotz seines Maximalangebots – dem vollständigen Rückzug israelischer Streitkräfte auf den Golan-Höhen – stand er, aufgrund der starren Haltung Assads und dem innenpolitischen Widerstand des Likud-Blocks, nach gut einem Jahr an der Regierung mit leeren Händen da.
Die Offensive am Zuckerhut
Daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Seit dem Scheitern der Friedensbemühungen Ehud Baraks sind viele Jahre vergangen, politische Mehrheiten haben sich in Jerusalem – wie zu besten Weimarer Zeiten – inflationär abgewechselt und die Golan-Frage steckt immer noch in der Sackgasse. Hin und wieder kam es zu rhetorischen Scharmützeln an der diplomatischen Golanfront, wie beispielsweise im Jahr 2007 als die Yedijoth Achronoth Präsident Assad mit folgenden Worten zitierte: „Syrien ist entschlossen, sich jedes Staubkorn des Bodens am Golan zurückzuholen“. Aber all diese Drohungen blieben, ebenso wie geheime Verhandlungen, ohne Ergebnis.
Einer der alle Verhandlungen, Gespräche und Abkommen miterlebt hat, ist das israelische Politik-Urgestein Shimon Peres. Der Sohn eines Holzhändlers aus Polen kennt die politischen Schachzüge der Nahost-Politik so gut, wie kaum ein anderer. Als Bashar al-Assad sich nun neuerdings vom Bosporus aus zu Wort meldete, war der rüstige und wortgewandte 86-Jährige gerade in Brasilien. Er ließ es sich nicht nehmen, im Schatten des Zuckerhuts den mitgereisten israelischen Journalisten zu erklären, dass für Israel die Eroberung des Friedens wichtiger als die Eroberung von Territorien sei. Peres ging in die Offensive: „Ich rufe Präsident Assad auf: Lassen sie uns direkte und sofortige Verhandlungen ohne Bedingungen eintreten, jetzt und sofort.“ Diese wohlklingenden Worte passten zu dem strahlenden Sonnenschein an der Copacabana, entsprechen jedoch nicht der grauen Realität des Nahen Ostens.
The show must go on
Eine Lösung für die Golan-Höhen wird auch weiterhin ausbleiben. Seit mehr als 20 Jahren sprechen die politischen Entscheidungsträger in Damaskus und Jerusalem von ernsthaften Friedensbemühungen, um im selben Atemzug die rhetorische Keule zu schwingen und mit dem Säbel zu rasseln. Dutzende Nahost-Friedensgipfel sind sprichwörtlich im Sand verlaufen und die biblische Losung des Propheten Micha, vom Völkerfrieden durch Umwandlung von Schwertern zu Pflugscharen, bleibt Phantasie. Es wird noch lange dauern, bis auf den Golan-Höhen statt israelischen Mercava-Panzern und syrischem Stacheldraht, Bauern auf ihren Feldern stehen und das Land bestellen. Bis dahin gilt auf beiden Seiten: The show must go on.
Dominik Peters studiert Nahoststudien und Politikwissenschaften an der MLU Halle-Wittenberg.
Dominik Peters studiert Nahoststudien und Politikwissenschaften an der MLU Halle-Wittenberg.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen