Freitag, 21. November 2008

Jemen - Krise ohne Ausweg?

Der Jemen sieht sich in den kommenden Jahren einer Reihe von Herausforderungen entgegen, die das Land an den Rand des Zusammenbruchs führen und die Stabilität und Sicherheit auf der Arabischen Halbinsel gefährden könnten. Zu diesem Ergebnis kommt eine in dieser Woche veröffentlichte Studie des Londoner Think Tanks "Chatham House".

Schon heute ist der Jemen das ärmste Land in der Arabischen Welt. 46% der Kinder sind unterernährt, die Arbeitslosenrate liegt bei 40, die Inflationsrate bei 27%. Bis zum Jahr 2035 wird sich die Bevölkerungszahl verdoppeln. Nach Schätzungen sind im Jemen mehr als 6 Millionen Schusswaffen im Umlauf.

Gleichzeitig neigt sich die wichtigste Einnahmequelle des Landes, das Erdöl, langsam aber sicher dem Ende entgegen. Etwas mehr als 350000 Barrel Rohöl exportiert der Jemen derzeit pro Tag. Dank des damals noch sehr hohen Weltmarktpreises nahm das Land in der ersten Jahreshälfte damit etwa 2,6 Milliarden US-Dollar ein. Gleichzeitig gibt die Regierung allein in diesem Jahr jedoch 3,5 Milliarden US-Dollar zur Subventionierung von Diesel für ihre Bürger aus.

Das Land ist dringend auf die Erschließung neuer Öl-Vorkommen vor der jemenitischen Küste angewiesen. Angesichts der fortdauernden Bedrohung durch Piraten im Golf von Aden erscheint diese Möglichkeit jedoch immer unrealistischer. Die Zeit die Wirtschaft so umzubauen, dass sie auch nach einem Ende des Öl- und Gasexports überlebens- und konkurrenzfähig ist, schwindet.

Daneben wird das Land von politischer Stagnation und der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Separatistenbewegungen gelähmt. Präsident Ali Abdullah Saleh regiert das Land seit nunmehr 30 Jahren, zunächst den Nordjemen, nach der Wiedervereinigung 1990 das ganze Land. Die wichtigen Posten in der Regierung und der Armee hat er mit Mitgliedern seiner Familie und seines Sanhan-Stammes besetzt.

Seit vier Jahren kämpft die Regierung in Sanaa gegen eine Revolte in der Nordprovinz Saadah. Angeführt von der Familie Houthi kämpfen die Rebellen gegen ihre Vernachlässigung durch den Staat und den Versuch das demographische Verhältnis in der Region zu verändern. Die Houthis gehören zur Glaubensgemeinschaft der Zaiditen, einer Strömung innerhalb des schiitischen Islam. Saleh gehört wie etwa 75% der Jemeniten dem sunnitischen Islam an. Die Rebellen beschuldigen die Regierung gezielt Gruppen zu fördern, die der wahhabitischen Ideologie des großen Nachbarn Saudi-Arabien folgen und Zaiditen als Abtrünnige vom Islam betrachten.

Auch im Südjemen sieht sich Ali Abdullah Saleh immer wieder Protesten ausgesetzt. Die Ursachen hierfür gehen zurück bis in die Jahrzehnte vor der Wiedervereinigung. Die Ölvorkommen des Landes liegen auf dem Gebiet des Südjemen. Viele Bewohner fühlen sich ihrer rechtmäßigen Beteiligung an den Profiten beraubt und fühlen sich von den Patronagenetzwerken, die Saleh und seine Verbündeten aus dem Nordjemen geknüpft haben, ausgeschlossen.

Zwar ist Jemen pro forma die älteste Demokratie in der Arabischen Welt, de facto hält Präsident Saleh die Zügel jedoch fest in der Hand. Die letzten Präsidentschaftswahlen 2006 waren nach Einschätzung von "Chatham House" bloße Kosmetik. Oppositionskandidat Faisal Bin Shamlan sei mit Bedacht ausgewählt worden um den Wählern pro forma eine Alternative zu bieten, mögliche Siegchancen seien jedoch vom Staatsapparat im Vorhinein vereitelt worden. Das wahrscheinlichste Szenario für einen Machtwechsel ist derzeit eine Amtsübergabe an den Präsidentensohn Ahmed Saleh.

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