Montag, 17. November 2008

Wer steckt hinter Fatah al-Islam?

Vor etwa anderthalb Jahren tauchte im Libanon die sunnitische Untergrundorganisation Fatah al-Islam auf. Sie verübte mehrere Bombenanschläge und lieferte sich im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared schwere Gefechte mit der libanesischen Armee. In der Folge wurden mehr als 300 Menschen getötet und das Lager weitgehend zerstört.

Die genauen Ursprünge von Fatah al-Islam, nähere Informationen über ihre Mitglieder und Hintermänner liegen bislang weitgehend im Dunkeln. Ihr Anführer, Shaker al-Absi, wurde nach der Erstürmung Nahr al-Bareds zunächst für tot erklärt, vermutlich konnte er jedoch lebend entkommen.

Die anti-syrische Parlamentsmehrheit im Libanon beschuldigt Syrien hinter Fatah al-Islam zu stehen um mit ihrer Hilfe den Libanon weiter zu destabilisieren und seinen Einfluss auf den kleinen Nachbarn auszubauen. Nach syrischer Darstellung ist die Fatah al-Islam jedoch ein Gewächs, das Saudi-Arabien und seine Verbündeten erst stark gemacht hätten und sich schließlich gegen seine Finanziers gewandt habe.

Am 6. November dann strahlte das syrische Fernsehen zur besten Sendezeit mehrere Interviews mit angeblichen Fatah al-Islam-Mitgliedern aus. Darin gestanden sie für den Bombenanschlag in Damaskus am 27. September verantwortlich zu sein. Den Sprengstoff hätten sie aus dem Nordlibanon erhalten, finanziert worden seien sie von Saudi-Arabien und der Mustaqbal-Bewegung, der größten sunnitischen Partei im Libanon.

Der Wahrheitsgehalt dieser öffentlichen Geständnisse ist höchst zweifelhaft. Das syrische Fernsehen machte keine Angaben dazu, wann und wo die gezeigten Personen festgenommen wurden und unter welchen Umständen die Geständnisse gemacht wurden. Sollte es sich bei den Interviewten tatsächlich um mutmaßliche Fatah al-Islam-Kämpfer handeln, so dürften die Geständnisse kaum ohne Zwang oder Gewaltanwendung aus den Inhaftierten gepresst worden sein.

Die libanesische Mustaqbal-Bewegung von Saad Hariri wies die Anschuldigungen umgehend als "Festival der Lügen" zurück und präsentierte an diesem Wochenende in ihrer Zeitung "al-Mustaqbal" ihre eigene Version.

Demnach sei Fatah al-Islam vom syrischen Geheimdienst geschaffen, bewaffnet und ausgebildet worden. Das Blatt zitiert aus angeblichen Verhörprotokollen der libanesischen Polizei. Darin habe ein Verdächtiger ausführlich über die engen Kontakte zwischen Fatah al-Islam und dem Chef des syrischen Militärgeheimdienstes Assef Shawqat ausgepackt. Mit syrischer Hilfe sei es zudem vielen Kämpfern der Fatah al-Islam gelungen aus dem Libanon zu fliehen. Das syrische Regime habe zudem einen Plan erarbeitet "den Libanon explodieren zu lassen" und hochrangige libanesische Politiker und religiöse Würdenträger zu töten.

Beide Versionen zum Hintergrund der Fatah al-Islam sind mit äußerster Vorsicht zu genießen. Eine Vorgängergruppe der Fatah al-Islam, die Fatah al-Intifada, stand weitgehend unter der Kontrolle der syrischen Armee. Inwieweit diese Vorherrschaft auch über die Fatah al-Islam, die sich später abspaltete, aufrecht erhalten wurde, konnte bislang nicht zufriedenstellend geklärt werden.

Fakt ist auch, dass Saudi-Arabien und die verbündeten Mustaqbal-Bewegung im Nordlibanon viele sunnitische Gruppen, Moscheen und Prediger unterstützen und finanzieren, die der Ideologie der Fatah al-Islam durchaus nahestehen. Daher ist es durchaus möglich, dass saudisches Geld über dunkle Kanäle in ihre Hände geriet.

Der amerikanische Seymour Hersh behauptete schon 2007, dass die Fatah al-Islam von der damaligen libanesischen Regierung und auch den USA gefördert worden seien, um so ein sunnitisches Gegengewicht zur schiitischen Hizbollah im Libanon zu schaffen. In Kürze will Hersh offenbar einen weiteren Bericht veröffentlichen, in dem er Zusammenhänge zwischen dem Anschlag von Damaskus und Hariris Mustaqbal-Bewegung darlegt. Hariri nahestehende Medien säen breite erste Zweifel an Hershs Glaubwürdigkeit.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Seymours Hershs Glaubwuerdigkeit wird nicht erst seit gestern in Zweifel gezogen und auch nicht exklusiv von anti-syrischen Kraeften im Libanon.

Ueber die ideologische Fixiertheit von Hersh koennen keine Zweifel bestehen, seine Texte lesen sich manchmal wie Chomsky.

http://pajamasmedia.com/michaelledeen/2008/06/30/the-hersh-file/

Anonym hat gesagt…

liebe ruth, hand aufs herz, wie viele texte von hersh hast du gelsen?

ich würde mir eher gedanken über hershs glaubwürdigkeit machen, wenn ihn leute wie michael ledeen gut finden würden.

ich finde seine argumente gegen hersh alles andere als zwingend.

halten wir fest: er hat das massaker von my lai aufgedeckt, er hat den folterskandal von abu ghuraib aufgedeckt. er hat zudem die these zum umsturz gebracht, nachder der israelische krieg gegen den libanon 2006 spontan und ohne monate lange planung begonnen wurde.

mein gefühl sagt mir, dass hersh auch bezüglich der amerikanisch-saudischen unterstützung für fatah al islam recht haben wird.