Der Zeitpunkt der Entlassung legt jedoch einen anderen Schluss nahe. Seit Mishal 1996 den Posten als Provinzgouverneur angetreten hatte, wurde ihm seitens der mehrheitlich ismailitischen Bevölkerung Najrans vorgeworfen, die schiitische Strömung systematisch zu diskriminieren. Erst im April diesen Jahres hatten 77 religiöse und politische Führungspersönlichkeiten der ismaliilitischen Gemeinschaft in Form einer Petition an König Abdallah den Rücktritt Mishals gefordert. Im September 2008 geriet das Mitglied der Königsfamilie schließlich in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit, als sich Human Rights Watch ausführlich mit der Situation in Najran beschäftigte und Diskrimierungsstrategien unter anderem auf dem Arbeitsmarkt und bezüglich der Ausübung religiöser Praktiken offenlegte. Nicht zuletzt wies der Bericht darauf hin, dass Mishal die Ansiedlung sunnitischer Jemeniten begünstigt habe, um die demographischen Verhältniss in Najran umzukehren.
König Abdallah hat mit der Entlassung seiner vielfach bemühten Rhetorik gegen Extremismus und für Moderation sowie inner-religiöser Versöhnung Taten folgen lassen. Der Schritt beweist insofern Mut, dass einflussreiche Mitglieder der Königsfamilie und Religionsgelehrte der Annäherung zwischen Sunniten und Schiiten ablehnender gegenüber stehen. Folgerichtig wird die Entlassung als "selbstgewählt" dargestellt, um größere Dissonanzen zu vermeiden. Bezeichnend ist außerdem, dass die überfällige Entscheidung erst getroffen wurde, als durch den HRW-Bericht der Druck von Außen wuchs. Bereits 1993 im Zuge des 2. Golfkriegs und 2002/03 als Reaktion auf die Ereignisse des 11. September folgte die saudische Politik gegenüber der schiitischen Minderheit einem ähnlichen Paradigama, als außenpolitische Ereignisse die Stabilität der saudischen Herrschaft gefährdeten und die al-Sa'ud veranlassten, gegenüber der schiitischen Minderheit Zugeständnisse zu machen.
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