Dienstag, 23. September 2008

Zur Diskriminierung der Ismailiten in Saudi-Arabien

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat in einem Bericht die Diskriminierung der ismailitischen Minderheit in Saudi-Arabien kritisiert. Die Ismailiten werden demnach als Bürger zweiter Klasse behandelt und vom Bildungs- und Justizsystem, sowie hinsichtlich der Religionsfreiheit systematisch benachteiligt.

Etwa eine Million der 28 Millionen saudischen Staatsbürger gehören der ismailitischen Glaubensgemeinschaft an. Die Mehrzahl von ihnen lebt in der Provinz Najran im Südwesten des Königreichs nahe der Grenze zum Jemen. Die fruchtbare Talregion wurde 1934 von den Saudis erobert und annektiert.

Bis in die 1990er Jahre lebten die Ismailiten in Najran weitgehend unbehelligt vom intoleranten Wahhabismus der saudischen Elite. Dies änderte sich mit der Ernennung von Prinz Mishal bin Saud zum Gouverneur der Provinz im Jahre 1996. In der Folge verstärkten sich die Spannungen zwischen den Behörden und den ismailitischen Einwohnern, die vier Jahre später in blutigen Zusammenstößen gipfelten.

Zunächst schloss die saudische Religionspolizei viele der ismailitischen Moscheen in Najran, anschließend inhaftierte sie einen ismailitischen Geistlichen. Am 23. April 2000 demonstrierten Hunderte vor dem Holiday Inn von Najran, dem Sitz des Gouverneurs. Bei einem anschließenden Schusswechsel wurden zwei Ismailiten und ein Polizist getötet.

Daraufhin brachte die saudische Armee die Stadt unter ihre Kontrolle. Mehrere hundert Ismailiten wurden festgenommen und nach eigenen Angaben vom Geheimdienst gefoltert. Mehr als 90 von ihnen wurden in Geheimprozessen in Riyadh verurteilt. 17 Ismailiten befanden sich Mitte 2008 noch immer in Haft. Außerdem wurden einige hundert ismailitische Regierungsangestellte in andere Provinzen versetzt oder entlassen.

Daneben listet Human Rights Watch mehrere rhetorische Angriffe von sunnitischen Geistlichen gegen die ismailitische Gemeinde in Saudi-Arabien auf. Mehrfach seien ihre Mitglieder als Ungläubige und ihre Moscheen als Tempel bezeichnet worden. Diese Verunglimpfungen sind nur ein Teil der anti-schiitischen Rhetorik sunnitischer Geistlicher im saudischen Königreich. Die Ismailiten bilden eine Strömung innerhalb des schiitischen Islam.

Fälle religiöser Diskriminierung der Ismailiten waren etwa die Zwangsscheidung einer sunnitischen Frau von ihrem ismailitischen Mann oder das Verbot des Baus oder der Renovierung ismailitischer Moscheen.

Zudem versucht der saudische Staat das demographische Übergewicht der Ismailiten in der Provinz Najran aufzuheben, indem sunnitische Flüchtlinge in der Region angesiedelt und mit saudischen Pässen ausgestattet werden.

Human Rights Watch fordert von den saudischen Behörden eine Untersuchung der Ereignisse vor dem Holiday Inn im April 2000. Außerdem solle die Diskriminierung der Ismailiten gestoppt werden.

Für den Bericht führte HRW 150 Interviews mit 60 Ismailiten. Ein Brief an den Gouverneur Mishal bin Saud, indem dieser um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten wurde, blieb unbeantwortet.

Keine Kommentare: