Donnerstag, 5. März 2009

Der Haftbefehl gegen Omar al-Bashir und seine Folgen

Der Internationale Strafgerichtshof hat gestern Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten Omar al-Bashir erlassen. Ihm werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Das Gericht fordert nun die Auslieferung des Staatschefs nach Den Haag.

Mit dem Haftbefehl sendet der Strafgerichtshof das Signal an alle Staatschefs, dass sie künftig bei Verbrechen gegen ihr eigenes Volk damit rechnen müssen, sich für ihre Taten zu verantworten. Im konkreten Fall al-Bashir droht der Haftbefehl, der vermutlich nie vollstreckt wird, jedoch die Position des Diktators zu stärken und die Lage der notleidenden Bevölkerung in Darfur weiter zu verschlechtern.

Omar al-Bashir erklärte nach der Entscheidung des Gerichts, er werde nicht vor den Kolonialisten niederknien und den Haftbefehl ignorieren. Auf staatlich organisierten Kundgebungen in Khartoum sprachen Tausende Sudanesen ihrem Präsidenten ihre Solidarität aus. Der Gerichtsbeschluss dürfte die anti-westliche Stimmung im Sudan weiter anheizen und somit die Popularität Bashirs steigern, der sich nun als Verteidiger der nationalen Souveränität feiern lässt.

Auch aus dem Ausland erhält der in die Enge getriebene Staatschef Unterstützung. Die Afrikanische Union nannte den Haftbefehl "bedauerlich", da er den gegenwärtigen Friedensprozess gefährde. Auch Chinas Regierung äußerte sich "besorgt". Diese Kritik basiert jedoch auf höchst eigennützigen Motiven, schließlich ist China zum wichtigsten Handelspartner des Sudan aufgestiegen.

Auch die Arabische Liga lehnt den Haftbefehl ab. Sudans Botschafter bei den Vereinten Nationen, Abdelmahmud Mohamed, erklärte, Omar al-Bashir werde persönlich zum nächsten Gipfeltreffen der arabischen Staaten nach Qatar reisen. Eine Verhaftung des Gesuchten droht dort kaum, da Jordanien das einzige arabische Land ist, das das Rom-Statut, das dem Internationalen Strafgerichtshof zu Grunde liegt, ratifiziert hat und somit zur Auslieferung al-Bashirs verpflichtet ist.

Arabische Juristen bezeichneten den Haftbefehl gegen al-Bashir als Teil einer "rechtlichen Invasion". Wie einst der Irak, werde nun der Sudan das Ziel westlicher Angriffe, diesmal auf juristischem Wege. Ziel des Verfahrens sei es, den Sudan zu spalten.

Die ernsthaftesten Konsequenzen aus dem Haftbefehl drohen jedoch den von Krieg und Vertreibung geplagten Flüchtlingen in Darfur. Als erste Reaktion auf die Entscheidung aus Den Haag hat Sudans Regierung zahlreichen westlichen Hilfsorganisationen die Arbeitserlaubnis entzogen. Mehr als ein Dutzend dieser Hilfsprogramme kündigten daraufhin das sofortige Ende ihrer Tätigkeiten im Sudan an, darunter Ärzte ohne Grenzen, Oxfam und Save the Children. Dieser Schritt gefährdet das Leben tausender Menschen.

Ein Präsidentenberater drohte gestern Abend im Staatsfernsehen unverhohlen den im Land lebenden Ausländern. Sollten sie sich nicht den Anweisungen der Regierung in Khartoum unterwerfen, werden sie aus dem Land geworfen.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Im konkreten Fall al-Bashir droht der Haftbefehl, der vermutlich nie vollstreckt wird, jedoch die Position des Diktators zu stärken und die Lage der notleidenden Bevölkerung in Darfur weiter zu verschlechtern."

Ach je, die ewig gleiche Litanei. Bloß keine Mißstände benennen, abwiegeln, Pseudo-Verantwortungsgefühl offenbaren usw. Immer das Gleiche ... Das einzige Konfilktfeld bei denen das "arabische Polit-Narativ" (ich nennne dies der Einfachheit halber so, selbst wenn dies gerne auch von Nichtarabern praktiziert wird) den Prinzipienreiter spielt, ist der Israel-Palästinakonflikt. Wenn etwas der notleidenden Bevölkerung (überings meist Moslems) geschadet hat, war dies das Schweigen in der moslemischen Welt, der mit debilen Starrsinn vermengte arabische Stolz und die europäische Feigheit und Hilflosigkeit.

C.Sydow hat gesagt…

Dass hier im Blog keine Misstände benennt werden, wäre mir neu.

Ich würde Omar al-Bashir lieber heute als morgen auf der Anklagebank in Den Haag sitzen sehen. Faktisch ist doch aber der Haftbefehl nicht das Papier wert, auf dem er gedruckt wird. Meiner Meinung nach, hätte man mit dem Haftbefehl warten sollen, bis es eine realistische Möglichkeit gibt, Bashir tatsächlich vor Gericht zu bringen.

Und das wichtigste ist doch, dass den Menschen in Darfur geholfen wird und Frieden einkehrt. Wenn man Frieden UND Gerechtigkeit nicht erreichen kann, sollte man keine Schritte ergreifen, die das Leben der vom Krieg betroffenen gefährden.

Anonym hat gesagt…

Was sollte man denn eurer Ansicht nach tun?
Es erinnert ein bisschen an Pius XII. und den Holocaust. Pius XII. sagte auch: "Ich schwieg um Schlimmeres zu verhindern". Angeblich hat der Vatikan ja heimlich Taufscheine ausstellen lassen. Heute kritisiert man ihn und sagt es wäre seine Pflicht gewesen zu protestieren.
Ist es nicht richtig das Augenmerk der Welt auf Darfur zu lenken?
Ich denke der Sudan ist ein armes Land und letztlich kann es auch nicht im Sinne der Regierung sein wenn ein solcher Haftbefehl ausgestellt wird.
Ausserdem muss man dem ersten Kommentar (war nicht von mir) zustimmen: die Reaktionen der Araber sind ja wohl erbärmlich, grade im Vergleich mit dem Palästina Konflikt. Dabei sind im Sudan zahllose Menschen mehr umgekommen als in Gaza oder im Libanon.

Anonym hat gesagt…

"Meiner Meinung nach, hätte man mit dem Haftbefehl warten sollen ..."

Du meinst man sollte ihn erst mit einem Atommeilergeschenk nach Paris locken, damit er dort seine Zelte aufschlägt, und ihn sodann hopps nehmen? :D

Im Ernst, die Sache ist in Ordnung und mehr als überfällig. Bis man diese Leute vor den Kadi bekommt, dauert es meist eine Weile –siehe Balkan-, aber der Kreis wird immer enger. Vielleicht lässt ja auch einmal einer seiner Kumpels die Gastfreundschaft etwas schleifen, wenn es ihn nach bestimmten Wirtschaftskontakten dürstet. Außerdem kann in Zukunft kein Saddam oder Milo mehr so locker und frei sagen, „mich armem Schlucker holt ihr, aber die schlimmsten Schlächter lässt ihr laufen“.
Keine falsche Gnade für die Täter! Schlimmer kann es eh nicht werden -das sind nur die typischen Leisetretereien. Lediglich die NGO-ler hätte man vielleicht frühzeit in Kenntnis setzen können.

MfG
1.Anonymer

Anonym hat gesagt…

Ich halte den Haftbefehl gegen Baschir zum jetzigen Zeitpunkt für absolut kontraproduktiv.

Die UNAMID-Friedenstruppe ist immer noch hoffungslos unterbesetzt, die NGOs sind jetzt auch weg. Damit sind die letzten Zeugen weg, genauso wie die Nahrungsmittel, das Wasser und die Medizin, mit denen sie die Flüchtlinge versorgten. Damit hat man die Regime in Darfur nur in die Hände gespielt.

Im Flüchtlingslager Kalma, z.B., wo derzeit über 90000 Menschen leben die zum Teil mehrfach vertreiben wurden, gibt es keine Mitarbeiter von Hilfsorganisationen mehr. Wer wird diese Menschen jetzt schützen? Das Gericht in Den Haag? Sicher nicht.