Dienstag, 9. Mai 2006
Jemen: Korruption gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung
Korruption ist im Jemen nicht mehr nur Gegenstand öffentlichen Unmutes seitens der Bevölkerung, sonder inzwischen so verbreitet, dass auch die wirtschaftliche Entwicklung eines der ärmsten Länder der Welt weitreichenden Schaden nimmt. Bestechung ist auf allen gesellschaftlichen Ebenen alltäglich, sie reicht vom einfachen Bakhshish bis zum Schmiergeld bei Vertragsabschlüssen und „Aufgeldern“, die von jedem Importeur zu bezahlen sind.
Gemäß dem Corruption Perceptions Index der Nichtregierungsorganisation Transparency International, der im Jahr 2005 veröffentlicht wurde, erreichte der Jemen mit 2,7 Punkten von 159 Ländern nur Rang 103. Dabei ist anzumerken, dass das zugrunde liegende Datenmaterial auf den Einschätzungen befragter in- und ausländischer Geschäftsleute und Länderanalysten beruht. Die Messskala reicht von 10 (korruptionsfrei) bis 0 (äußerst korrupt).
Saudi-Arabien erreichte auf dieser Skala 3,4 Punkte, Kuwait 4,7, Bahrain 5,8, Qatar 5,9, die Vereinigten Arabischen Emirate 6,2 und der Oman sogar 6,3 Punkte. Der Jemen zeigt sich unter den Ländern der arabischen Halbinsel nach dieser Wertung als das von Korruption am meisten betroffene Land.
Als einer der kleinsten Erdölexporteure der Region, ist der Jemen auf eine Diversifikation seiner Wirtschaft angewiesen. Korruption wird bei vielen potentiellen Investoren als Hauptursache für ihr fehlendes Engagement im Land angeführt.
Importierte Waren werden in offiziellen Dokumenten systematisch unterbewertet. So fällt der Bemessungswert der offiziellen Besteuerung geringer aus, als er tatsächlich sein müsste. Die "Besteuerung" des Differenzwerts aus tatsächlichem Warenwert und dem in offiziellen Dokumenten ausgewiesenem Wert der Lieferung erfolgt in Form eines nicht ausgewiesenen "Aufgeldes", das vom Importeur zu entrichten ist.
Welche weitreichenden Folgen Korruption für den Alltag der Bevölkerung besitzt, zeigt sich am Beispiel des Imports von Treibstoffen. Deren Preis beeinflusst auch die Preise anderer Waren im Jemen maßgeblich, da Diesel und Benzin zur Betreibung elektrischer Wasserpumpen benötigt wird. Wasser ist schon heute im Jemen ein knappes Gut. Die sehr begrenzten Wasservorkommen liegen häufig unterirdisch verborgen und müssen aufwendig durch Pumpen an die Oberfläche gefördert werden.
Der Grossteil des jemenitischen Dieselbedarfs wird durch Importlieferungen über den Hafen von Aden gedeckt. Bis Juli 2005 wurde Diesel seitens der Regierung mit ca. 800 Millionen US-Dollar subventioniert, was ca. einem Fünftel des Staatshaushalts entspricht. Ein großer Teil des importierten und subventionierten Treibstoffs hat die Bevölkerung jedoch nicht erreicht. Wie aus diplomatischen und jemenitischen Quellen verlautete, wurden Lieferungen zum beträchtlichen Teil von korrupten Händlern wieder aus dem Land ausgeführt und an das Horn von Afrika, vornehmlich Somalia, weiterverkauft. Auf Druck des Internationalen Währungsfonds wurden daher im Sommer letzten Jahres die staatlichen Subventionen eingestellt, woraufhin sich die Treibstoffpreise innerhalb weniger Tage mehr als verdoppelten.
Die sich anschließenden Proteste forderten 22 Menschenleben und veranlassten die Regierung die Bezuschussung zumindest teilweise wieder aufzunehmen, um die Treibstoffpreise zu senken. Aber noch immer entrinnt das Diesel der Aufsicht der Behörden.
Das gravierende Korruptionsproblem veranlasste die Weltbank Ende vergangenen Jahres dazu, seine Finanzhilfen für den Jemen um ein Drittel zu kürzen. Gleichzeitig schlossen die USA den Jemen von einem ihrer Hilfsprogramme zugunsten verarmter Länder aus. Andere Staaten, die den Jemen finanziell unterstützen, forderten zeitnah konkrete Maßnahmen, um die Korruption im Land zu bekämpfen.
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