Mehrere hunderttausend Libanesen haben sich zur Stunde im Zentrum Beiruts versammelt um gegen die Regierung von Ministerpräsident Fuad Siniora zu protestieren. Sie folgen damit einem Aufruf von Hizbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah, der seine Anhänger gestern in einer TV-Ansprache zur Teilnahme an der Demonstration unter dem Motto „Wir wollen eine saubere Regierung“ aufgefordert hatte.
Nach Angaben des Beiruter „Daily Star“ gelang es den Demonstranten offenbar das öffentliche Leben in Beirut Downtown weitgehend lahmzulegen. Die Universitäten schlossen am heutigen Freitag, der von der Hizbollah kurzerhand zum „Tag der nationalen Einheit“ erklärt wurde, bereits um 10 Uhr, viele Läden und Banken in der Innenstadt blieben ganztägig geschlossen.
Hassan Nasrallah hatte angekündigt, die Proteste könnten möglicherweise Wochen andauern, so lange jedenfalls bis die Forderungen der Allianz aus Hizbollah, Amal-Bewegung und der „Freien Patriotischen Bewegung“ des christlichen Ex-Generals Michel Aoun erfüllt seien. Die pro-syrischen Kräfte fordern im Kern eine stärkere Rolle in der libanesischen Politik. Erklärtes Mindestziel ist es, künftig so viele Minister in einer Regierung der nationalen Einheit zu stellen, dass es unmöglich ist, politische Entscheidungen gegen den Willen der Hizbollah und ihrer Verbündeter zu treffen.
Ministerpräsident Siniora zeigt sich bislang unbeeindruckt von den Protesten. Er wirft der Opposition vor, von Syrien und Iran gesteuert zu werden und einen Putsch gegen die Regierung zu planen. Bislang haben jedoch lediglich einige hunderttausend Libanesen, die Mehrzahl von ihnen Schiiten, von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht. Gleichzeitig werfen die Demonstranten der Regierung in Sprechchören vor, den USA und Frankreich hörig zu sein. Unter dem Jubel der Menge forderte Michel Aoun Ministerpräsident Siniora zum Rücktritt auf.
Siniora selbst war im vergangenen Jahr auf ähnliche Weise an die Regierungsspitze gelangt. Nach dem Mord an Rafik Hariri führten Massenproteste im Zuge der so genannten „Zedernrevolution“ zum Rücktritt der pro-syrischen Regierung von Regierungschef Omar Karame. Nach den Parlamentswahlen einigte sich dann die anti-syrische Parlamentsmehrheit auf Fuad Siniora als neuen Premier. In der Regierung waren bis vor wenigen Wochen auch fünf schiitische Minister vertreten, die der Allianz aus Hizbollah und Amal angehörten.
Es bleibt abzuwarten wie die Regierung auf die Proteste reagieren wird. Saad Hariri, Mehrheitsführer in der Nationalversammlung, fordert seine Anhänger zur Zurückhaltung auf. Gleichwohl wurden die Sicherheitsvorkehrungen in Beirut massiv verstärkt.Viele Geschäftsleute in Beiruts Zentrum fürchten die Konsequenzen, sollten sich die Proteste wirklich zum angekündigten wochenlangen Sit-In auswachsen. Ein Geschäftsmann erklärte: „Wenn die Proteste länger als 10 Tage dauern, werden 30% der Restaurants in Beirut Downtown für immer schließen.“
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