Von Lea Müller-Funk
Seit ihrer Gründung 2006 hat die Tageszeitung al-Akhbar die Medienlandschaft im Libanon durcheinander gewirbelt. Einerseits packt das Blatt Tabuthemen wie Homosexualität und die Rolle der Frau in der Arabischen Welt an. Andererseits liefert die Zeitung der Hizbullah publizistische Unterstützung. Einer ihrer wichtigsten Finanziers war der neue libanesische Ministerpräsident Najib Miqati.
Was heißt eigentlich links sein in einem anderen Kontext? Und: Wo zieht man die Linie zwischen rechts und links? Und: Sind politische Kategorien so leicht auf andere Regionen übertragbar? Diese Überlegungen begleiteten mich bei meinem ersten Beirut-Aufenthalt im Sommer 2009, als ich in einer Wohngemeinschaft in Hamra wohnte - einem Stadtviertel, das an die Amerikanische Uni von Beirut grenzt und in den 60ern und 70ern eines der Zentren des intellektuellen Lebens von Beirut war.
In Westbeirut gelegen, war Hamra im Gegensatz zu anderen Wohnvierteln von verschiedenen religiösen Gruppen bewohnt, und wird von vielen muslimischen Linken als das weltoffene und künstlerische Herz von Beirut empfunden. In besagter WG tummelte sich im Eingangsbereich in fröhlicher Eintracht eine wahre Galerie, angefangen von PFLP-Gründer George Habash, über Che Guevara bishin zu Aytollah Khomeini, Superman, Andreas Baader, Leila Khalid von der PFLP, Amal-Gründer Musa as-Sadr, Abbildungen von Selbstmordattentäterinnen, Hassan Nasrallah und grün-gelben Hizbullah-Fahnen. Diskussionen mit meinen drei sich selbst als links deklarierenden Mitbewohnern, einem in der Elfenbeinküste aufgewachsenen schiitischen Libanesen und Umwelt-NGO-Aktivisten, einem Pärchen - sie Halbfranzösin-Halbsyrerin und Jazzflötistin, er Palästinenser und Beatboxer - über die Wahrnehmung von links und rechts und die Hizbullah als möglichen Verbündeten der libanesischen Linken schienen auf den ersten Blick so ganz und gar im Widerspruch mit den im Westen geläufigen Parolen über islamistische Gruppierungen und Bewegungen zu stehen. Natürlich so abwegig auch wieder nicht, denkt man an die iranische Revolution von 1979.
Dieses für mich schräge Nebeneinander von säkularen, demokratischen Zielen und einer Faszination der Hizbullah gegenüber, brachte mich schließlich dazu, über die libanesische Tageszeitung al-Akhbar, die eben diese politische Linie widerspiegelt, zu arbeiten.
2006, kurz nach dem 33-Tage-Krieg von Joseph Samaha und Ibrahim al-Amin gegründet, bezeichnet sich al-Akhbar als "liberal aus kultureller Perspektive, demokratisch und gegen die amerikanische Agenda im Nahen Osten" und sieht sich in kommunistischer Tradition, vor allem wohl in Hinblick darauf, dass ihr Gründer Joseph Samaha in den 60ern und frühen 70ern im links-kommunistischen libanesischen Milieu bei der Organisation de l'Action Communiste Libanaise politisch aktiv war und viele der MitarbeiterInnen der Zeitung aus diesem politischen Umfeld stammen. Innenpolitisch vertritt al-Akhbar wiederholt Meinungen zugunsten der Hizbullah und unterstützt die 8.März-Allianz, der unter anderem die Hizbullah, die Amal und die christliche Freie Patriotische Bewegung von Michel Aoun angehören.
Schlussendlich muss natürlich auch der historische Kontext mitgedacht werden, der diese Konvergenz überhaupt erst ermöglicht hat: Die Schwächung der libanesischen Linken seit den 1970ern – gekennzeichnet durch innere Fragmentierung und dem Scheitern ihrer säkularen Widerstandsbewegung – gepaart mit dem gleichzeitigen Aufstieg der Hizbullah und einer Radikalisierung der politischen Positionen seit 2000 mit der palästinensischen Intifada im September 2000, der amerikanischen Offensive im Irak 2003 und dem 33-Tage-Krieg 2006. Diese Konflikte haben vor allem die Frage nach nationaler Befreiung aufgeworfen, der Frage der “amerikanischen Hegemonie” in der Region und der Demokratie im Nahen Osten. Autoritäre Regierungen, die von den USA unterstützt werden, wie Saudi-Arabien oder die Golfmonarchien, sind vermehrt Zielscheibe der Kritik geworden. Die Opposition gegenüber diesen Regierungen und der Boykott Israels haben islamistischen und linken Bewegungen anscheinend gemeinsame Feinde verschafft.
Wie diese Koalition zwischen der Linken und der Hizbullah im Libanon weitergehen wird, in dem Moment, wo der gemeinsame innere Feind aus den politischen Ämtern gehoben wird - wie das mit dem Rücktritt Hariris der Fall war - bleibt offen.
Seit ihrer Gründung 2006 hat die Tageszeitung al-Akhbar die Medienlandschaft im Libanon durcheinander gewirbelt. Einerseits packt das Blatt Tabuthemen wie Homosexualität und die Rolle der Frau in der Arabischen Welt an. Andererseits liefert die Zeitung der Hizbullah publizistische Unterstützung. Einer ihrer wichtigsten Finanziers war der neue libanesische Ministerpräsident Najib Miqati.
Was heißt eigentlich links sein in einem anderen Kontext? Und: Wo zieht man die Linie zwischen rechts und links? Und: Sind politische Kategorien so leicht auf andere Regionen übertragbar? Diese Überlegungen begleiteten mich bei meinem ersten Beirut-Aufenthalt im Sommer 2009, als ich in einer Wohngemeinschaft in Hamra wohnte - einem Stadtviertel, das an die Amerikanische Uni von Beirut grenzt und in den 60ern und 70ern eines der Zentren des intellektuellen Lebens von Beirut war.
In Westbeirut gelegen, war Hamra im Gegensatz zu anderen Wohnvierteln von verschiedenen religiösen Gruppen bewohnt, und wird von vielen muslimischen Linken als das weltoffene und künstlerische Herz von Beirut empfunden. In besagter WG tummelte sich im Eingangsbereich in fröhlicher Eintracht eine wahre Galerie, angefangen von PFLP-Gründer George Habash, über Che Guevara bishin zu Aytollah Khomeini, Superman, Andreas Baader, Leila Khalid von der PFLP, Amal-Gründer Musa as-Sadr, Abbildungen von Selbstmordattentäterinnen, Hassan Nasrallah und grün-gelben Hizbullah-Fahnen. Diskussionen mit meinen drei sich selbst als links deklarierenden Mitbewohnern, einem in der Elfenbeinküste aufgewachsenen schiitischen Libanesen und Umwelt-NGO-Aktivisten, einem Pärchen - sie Halbfranzösin-Halbsyrerin und Jazzflötistin, er Palästinenser und Beatboxer - über die Wahrnehmung von links und rechts und die Hizbullah als möglichen Verbündeten der libanesischen Linken schienen auf den ersten Blick so ganz und gar im Widerspruch mit den im Westen geläufigen Parolen über islamistische Gruppierungen und Bewegungen zu stehen. Natürlich so abwegig auch wieder nicht, denkt man an die iranische Revolution von 1979.
Dieses für mich schräge Nebeneinander von säkularen, demokratischen Zielen und einer Faszination der Hizbullah gegenüber, brachte mich schließlich dazu, über die libanesische Tageszeitung al-Akhbar, die eben diese politische Linie widerspiegelt, zu arbeiten.
2006, kurz nach dem 33-Tage-Krieg von Joseph Samaha und Ibrahim al-Amin gegründet, bezeichnet sich al-Akhbar als "liberal aus kultureller Perspektive, demokratisch und gegen die amerikanische Agenda im Nahen Osten" und sieht sich in kommunistischer Tradition, vor allem wohl in Hinblick darauf, dass ihr Gründer Joseph Samaha in den 60ern und frühen 70ern im links-kommunistischen libanesischen Milieu bei der Organisation de l'Action Communiste Libanaise politisch aktiv war und viele der MitarbeiterInnen der Zeitung aus diesem politischen Umfeld stammen. Innenpolitisch vertritt al-Akhbar wiederholt Meinungen zugunsten der Hizbullah und unterstützt die 8.März-Allianz, der unter anderem die Hizbullah, die Amal und die christliche Freie Patriotische Bewegung von Michel Aoun angehören.
Andererseits thematisiert al-Akhbar aber Fragen wie die der Homosexualität in der arabischen Welt, die Lage von GastarbeiterInnen im Libanon und anderen arabischen Ländern, die Situation der Frau, Pressefreiheit und andere Themen, die sich nicht so leicht in anderen arabischen Zeitungen finden lassen. Zudem kritisiert al-Akhbar offen arabische Regierungshäupter, nicht zuletzt die libanesischen und hat eine der engagiertesten Kulturseiten der arabischsprachigen Welt.
Aber Al-Akhbar hat nicht nur durch ihre für westliche Augen widersprüchliche politische Linie, und ihren extrem großen Erfolg am Medienmarkt an Aufmerksamkeit gewonnen, sondern kürzlich durch zwei politisch sehr brisante Dinge: Zum einen dadurch, dass Najiib Mikati, einer der ersten großen Finanziers von al-Akhbar, nach dem Rücktritt der Minister der Opposition im Jänner 2010 neuer Premierminister des Libanons wurde. Zum anderen war al-Akhbar Anfang Dezember die einzige arabische Zeitung, die einen substanziellen Teil von WikiLeaks Depeschen veröffentlicht hat, und darin fröhlich-schadenfroh über arabische Politiker, Könige und Prinzen herzog. Al-Akhbar's Internetseite wurde im Gefolge Zielscheibe einer Cyber-Attacke, sodass al-Akhbar auf eine andere Internetseite ausweichen musste, um weiter online zu bleiben. In einem kürzlich veröffentlichten Interview stellt WikiLeaks-Gründer Julian Assange einen direkten Zusammenhang zwischen der Veröffentlichung dieser Depeschen durch al-Akhbar und der Revolution in Tunesien her .
Die Auflagezahlen der Zeitung haben sich sehr rasch denen der größten libanesischen Tageszeitungen wie an-Nahar und as-Safir, angenähert, sodass sich al-Akhbar heute in Konkurrenz mit as-Safir um die wichtigste linke Zeitung des Landes befindet. Vor allem al-Akhbar's Internetversion hat innerhalb kürzester Zeit immense Popularität gewonnen, besonders unter jungen Lesern. Glaubt man alexa.com, hat al-Akhbar längst die anderen großen libanesischen Tageszeitungen im Internet überholt, und konkurriert auch international im Internet mit den großen panarabischen Zeitungen al-Hayat, al-Quds al-Arabi und ash-Sharq al-Awsat. Dies ist vor allem deswegen wichtig, weil sich Papierauflagen von arabischen Zeitungen im freien Fall befinden, so fiel an-Nahar von einer täglichen Auflage von 65 000 im Jahr 1999 auf 18 000 im Jahr 2010.
Der Erfolg al-Akhbars auf dem Medienmarkt und ihre politische Positionierung, die den Begriff des "Widerstandes" sehr zentral führt und offen die Hizbullah unterstützt, haben immer wieder die Frage ihrer Finanzierung laut werden lassen. Stimmen vermuten iranische oder syrische Geldgeber oder auch Geldquellen innerhalb der Hizbullah und argwöhnen, dass Hizbullahs Kommunikationsstrategien hinter dem medialen Erfolg al-Akhbars stecken.
Wie argumentieren al-Akhbars Journalisten nun die politische Orientierung ihrer Zeitung und wie ist der mediale Einfluss von al-Akhbar einzuschätzen?
In Interviews mit zwanzig Journalisten von al-Akhbar wiederholen sich klar einige Argumentationslinien im Bezug auf ihre politische Einstellung der Hizbullah, dem "Widerstand" gegenüber Israel (al-Muqawama) und ihrem linken Hintergrund gegenüber: Der "Widerstand" wird wiederholt als arabische, nationale Sache begriffen, während Israel als Resultat des westlichen Imperialismus gesehen wird – sozusagen als "Avantgarde" der westlichen Mächte im Nahen Osten, untrennbar miteinander verbunden als Teil eines hegemonialen Projekts.
Um diesem "hegemonialen Projekt" entgegen zu wirken, wird laut der meisten Interviewten eine strategische Allianz mit der Hizbullah eingegangen, um ein Mächtegleichgewicht zu erreichen und eine gerechte Lösung für "die arabische Frage" zu finden, womit meistens der Nahostkonflikt gemeint ist. Aus dem Blickwinkel der interviewten JournalistInnen ist diese Allianz zwischen Linken und der Hizbullah als Resultat des Versagens eines säkularen Widerstandes und einer generell geschwächten Linken zu interpretieren. Den konfessionellen Charakter des Libanons zu negieren, hieße praktisch vor der bestehenden Realität die Augen verschließen, da Religion ein wichtiges Element der libanesischen Gesellschaft sei. Immer wieder wird hier zwischen "Widerstand" (Muqawama) und Hizbullah unterschieden: Für diese Journalisten gibt es einen klaren Unterschied zwischen der Hizbullah als Widerstandsbewegung und der Hizbullah als kulturellem und religiösem Projekt. Pierre Abi Saab, Redakteur von al-Akhbars Kulturseite meint dazu:
„Die Linke ist auf dieses Terrain gekommen, ohne sich Illusionen über die regionalen Entscheidungen, über die demographische Realität zu machen. Es gab einen säkularen Widerstand, den der Kommunistischen Partei, der Progressiven Sozialistischen Partei (PSP), der trotz seines Mutes keinen Erfolg hatte, während ein religiöser Diskurs ganz einfach alle Leute des Südlibanons motivieren konnte. Wenn du mir jetzt sagst, okay, du bist mit dem Widerstand, aber der ist islamistisch und du bist säkular, kann ich einfach nur lachen. Wenn ich selbst eine Widerstandbewegung aufbauen könnte, dann würde sie klassische Musik oder Hard Rock hören, Gruppensex haben, Punks sein, und am Abend Widerstand leisten gehen. Aber nun ja, der Widerstand entstammt der Realität des Terrains selbst, dem Süden, der nun einmal hauptsächlich schiitisch ist. Seit der Unabhängigkeit, als es noch eine starke kommunistische Partei im Libanon gab, war seine Basis schiitisch1, mit einem hohen Arbeiteranteil. Eine Zeit lang war der Widerstand mit der Linken. Aber die Linke hatte kein vernünftiges Projekt, das andauern hätte können, und ist dann in sich selbst zusammengebrochen.“
Auch Chefredakteur Khalid Saghieh unterscheidet hier klar zwischen Widerstand und Hizbullah:
„Ich sage nur, dass der kulturelle und ideologische Aspekt der Partei, die Widerstand leistet, nicht die Hauptsache ist. Diese Tatsache entscheidet nicht, ob ich mit dem Widerstand oder gegen ihn sein soll. Was ich sagen will ist, dass die ideologische Position nicht definiert, ob du mit oder gegen den Widerstand bist, meiner Ansicht nach. Das sind zwei verschiedene Dinge. Das wäre genauso, wie wenn ich Islamist wäre und die Kommunistische Partei Widerstand leisten würde. Das wäre für mich kein Grund, ihren Widerstand nicht zu unterstützen oder mit den Israelis zu kollaborieren. Oder zu sagen, für mich ist das in Ordnung, dass die Israelis den Süden besetzen oder in unser Land einmarschieren.“
Obwohl die meisten der Interviewten immer wieder argumentieren, dass sie bestrebt sind, die Hizbullah von ihrem Standpunkt aus zu kritisieren und zu ändern, tauchen doch immer wieder Argumentationslinien auf, die die Hizbullah verteidigen und erklären wollen. Betont wird immer wieder die Veränderung, die die Hizbullah seit ihrem Entstehen durchgemacht hat – sie sei eine nationale Bewegung geworden, und nicht mehr eine rein islamische. Zentral sei auch die Effektivität ihrer Widerstandsbewegung gegenüber Israel. Auffällig oft wird das Wort Widerstand „Muqawama“ deckungsgleich mit der Hizbullah verwendet. Als ob die Hizbullah eigentlich nur in ihrer Funktion als Widerstandsbewegung existieren würde. Nicht zuletzt wird die Hizbullah immer wieder als Resultat von „despotischen Regierungen und neoliberaler Politik“ interpretiert, sozusagen als ihr Gegenmittel, mit der Conclusio, dass Linke und die Hizbullah gemeinsame Ziele haben, nämlich die Opposition gegenüber despotischen Regimen und als zentralen Schnittpunkt den Widerstand.
Laut Joseph Samaha, dem Gründer von al-Akhbar sollte man sich islamistischen Bewegungen nicht entgegen stellen, nur weil sie islamistisch sind, sondern sich aufgrund politischer Kriterien entgegenstellen oder konvergieren. Für ihn war der Islamismus ein Ausdruck politischer und sozialer Unzufriedenheit in der arabischen Welt. Er hat einmal eine medizinische Metapher verwendet, er hat gemeint, dass der arabische Körper Antikörper entwickelt hat – die islamistischen Bewegungen, um sich gegen despotische Regierungen zu verteidigen.
Die skizzierte politische Positionierung findet sich auch in al-Akhbars Artikeln wieder, gemischt mit oben erwähnten, als links und liberal wahrgenommen Themen wie die Selbstbestimmung der Frau, kultureller und medialer Freiheit etc. So entwirft al-Akhbar eine mediale diskursive Identität, die eine pro-Widerstandshaltung – und in diesem Sinn auch eine pro-Hizbullah Einstellung – mit einer gewissen Offenheit gegenüber linken Themen kombiniert, und damit den «Widerstand» als nicht unbedingt in Verbindung mit dem traditionellen Bild von islamischem Widerstand präsentiert, sondern als modern und kompatibel mit einer säkularen Einstellung.
Es ist die Frage zu stellen, wer nun letztlich von dieser von al-Akhbar entworfenen diskursiven Identität profitiert. Natürlich ist al-Akhbar ein Novum auf dem arabischen Zeitungsmarkt, reizt die Grenzen des Sagbaren in der libanesischen Presse aus, und regt zu Diskussionen an, wie wenige andere Zeitungen in der arabischen Welt.
Auf der anderen Seite aber ist al-Akhbars Präsentation der Hizbullah keine ungefährliche – auch wenn sie aus den Augen der jeweiligen JournalistInnen als durchaus logisch erscheint. Die Zentralität des Widerstandsthemas rückt al-Akhbar tatsächlich in die Nähe der Medienformate der Hizbullah, wie al-Ahd oder al-Manar: Zwar kann al-Akhbar nicht als Medium der Hizbullah selbst verstanden werden, aber trotzdem als Erfolg von Hizbullahs Kommunikationsstrategien: Al-Akhbar gibt Antwort auf die für die Hizbullah essentielle Frage, wie die Hizbullah abseits ihrer traditionellen schiitischen Wählerklientel (oder der muslimischen Gemeinschaft im Allgemeinen) eine breitere Unterstützung erreichen kann. Al-Akhbar kreiert einen neuen Typus von politischem Teilnehmer, der mit der Hizbullah über gewisse Prinzipien übereinstimmt, aber nicht mit ihrem Gesamtprogramm einverstanden ist. Die Zeitung macht so die politische Unterstützung der Hizbullah via des Widerstandsthemas in einem jungen, linken und säkularen Umfeld akzeptabel. Mit ihrem neuen, etwas populistischen Journalismus, charakterisiert durch kurze Artikel, einer leicht verständlichen Sprache und scharfen Attacken gegen libanesische Politiker hat es al-Akhbar geschafft, ein neues junges Publikum anzuziehen, und bietet Hizbullahs Widerstand dadurch politisch Unterstützung.
Schlussendlich muss natürlich auch der historische Kontext mitgedacht werden, der diese Konvergenz überhaupt erst ermöglicht hat: Die Schwächung der libanesischen Linken seit den 1970ern – gekennzeichnet durch innere Fragmentierung und dem Scheitern ihrer säkularen Widerstandsbewegung – gepaart mit dem gleichzeitigen Aufstieg der Hizbullah und einer Radikalisierung der politischen Positionen seit 2000 mit der palästinensischen Intifada im September 2000, der amerikanischen Offensive im Irak 2003 und dem 33-Tage-Krieg 2006. Diese Konflikte haben vor allem die Frage nach nationaler Befreiung aufgeworfen, der Frage der “amerikanischen Hegemonie” in der Region und der Demokratie im Nahen Osten. Autoritäre Regierungen, die von den USA unterstützt werden, wie Saudi-Arabien oder die Golfmonarchien, sind vermehrt Zielscheibe der Kritik geworden. Die Opposition gegenüber diesen Regierungen und der Boykott Israels haben islamistischen und linken Bewegungen anscheinend gemeinsame Feinde verschafft.
Wie diese Koalition zwischen der Linken und der Hizbullah im Libanon weitergehen wird, in dem Moment, wo der gemeinsame innere Feind aus den politischen Ämtern gehoben wird - wie das mit dem Rücktritt Hariris der Fall war - bleibt offen.
2 Kommentare:
Ich finde es hat etwas von Verschwörungstheorien den Erfolg von Al-Akhbar auf erfolgreiche PR-Spielchen der Hisbollah zurückzuführen. Die einfachste und logischste Erklärung ist "Angebot-Nachfrage". Warum sollte Al-Akhbar international in der arabischen Welt so viele Freunde finden, wenn sie auch gerade mit ihrem pro-Widerstand-Duktus den Nerv der arabischen und auch libanesischen Welt treffen? Al-Akhbar schöpft aus der Masse der "nicht bis aufs Mark religiösen"-Schiiten, die wie im Artikel schon richtig bemerkt, immer das Fußvolk der KPL gestellt haben. Nicht wenige Amal-Anhänger und kulturelle Größen aus dem christlichen linken Lager wie Ziad Rahbani sympathisieren auch stark mit dem Blatt
Wenn ich den Artikel richtig verstehe, wird der Erfolg von Al-Akhbar keineswegs auf die Hisbollah (oder ihre PR) zurückgeführt. Die Aussage ist viel mehr auf den Erfolg der Hisbollah bezogen, da durch ihre PR das Thema Widerstand im Libanon nun eben so stark mit dieser Partei verbunden ist. Und das sogar in Zeitungen, die sich selbst als "links" bezeichneten... Ich finde die Schlussfolgerung generell nicht so unlogisch.
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