Montag, 12. September 2005
Libanon: Lebanese Forces zwischen Vergangenheit und Zukunft
Zehntausende Mitglieder und Unterstützer der Lebanese Forces (LF) kamen gestern in Harissa im Mont Liban zusammen.
Zur Erinnerung: Die LF kämpfte unter christlichem Banner als eine der Hauptparteien während des 15-jährigen Bürgerkrieges. Ihren Gegnern galten sie dabei als besonders skrupellos, nach dem zahlreichen Bündniswirrwarr am Ende des Krieges stand einer ihrer Anführer, Samir Geagea, isoliert dar und wurde als einziger der großen Warlords eingesperrt.
Seit einigen Monaten ist Geagea wieder auf freiem Fuß (alsharq berichtete) und strebt nun eine führende Rolle im neuen Libanon an. Dass er dabei genau beobachtet wird ist auch ihm bewusst. Zum einen ist er seinen Gegnern und Opfern noch immer als Milizenführer in Erinnerung, nicht als ziviler Politiker, zum anderen muss er nach den zahlreichen Anschlägen der letzten Monate um sein Leben fürchten.
Von diesen Überlegungen ist auch die Veranstaltung in Harissa geprägt. Geagea spricht vom Videoband zur Menge, er hält sich zur Zeit aus Sicherheitsgründen in Europa auf. Eigentlich sollte auf der Versammlung den gefallenen Milizen der LF während des Krieges gedacht werden, doch Geageas Rede setzte ein klares Zeichen Richtung Zukunft, vor allem seiner eigener.
"Unsere Hand ist in alle Richtungen ausgestreckt", "Der Wiederaufbau des Libanon kann nicht durch Konfrontation, sondern nur durch nationale Einheit erreicht werden."- so lauten die blumigen Overtüren, die vor allem an seine früheren Gegner, Michel Aoun und Walid Jumblat gerichtet sind.
Wie die Charmeoffensive Geageas zu bewerten ist, wird sicher kontrovers diskutiert werden. Sicher ist es für Geagea persönlich und die LF der einzige Weg ihren Anteil an der Macht zu sichern. Problematisch hingegen ist Geageas Sicht der Vergangenheit: "Libanon ist das Land des Konsenses par excellence.", so resümiert er und schiebt die Schuld für das Leiden des libanesischen Volkes vorrangig auf Syrien. Kein Wort hingegen von den blutigen Exzessen der LF während des Krieges und den sezessionistischen, teils offen faschistischen, Kräften seiner Bewegung, die mit Gewalt einen christlichen Mont Liban erkämpfen wollten und derer jetzt in Harissa gedacht wird. Eine selbstkritische Betrachtung der LF steht bis heute aus - deshalb auch wirkt Geageas Angebot verdächtig opportunistisch und oberflächlich.
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