Mittwoch, 31. Dezember 2008

Der Krieg in Gaza und seine Folgen für die arabischen Staaten

Wann immer der Palästina-Konflikt eskaliert und Araber Opfer israelischer Luftangriffe werden, stärkt dies die islamistischen Bewegungen in den arabischen Staaten. Beobachtet werden kann dies exemplarisch am derzeitigen Krieg in Gaza und seinen Auswirkungen, die weit über Gaza und Ashkelon, Rafah und Beer Sheva hinausreichen.

Die arabischen Regierungen mit Ausnahme Syriens schreiben der Hamas eine Teilverantwortung für den Kriegsausbruch und die palästinensischen Opfer zu. Diese Linie wird auch vom überwiegenden Teil der staatlich kontrollierten Medien mitgetragen, sehr prominent vom saudischen Nachrichtensender al-Arabiya.

Die offiziellen Verlautbarungen aus Kairo, Ammann, Riad oder den anderen Golfstaaten reichen über die altbekannten Solidaritätsbekundungen für ihre palästinensischen Brüder und Schwestern und die erwarteten Verurteilungen des israelischen Vorgehens nicht hinaus. Solidaritätsbekundungen bleiben Hamas aus, da jede Unterstützung der Hamas mit einer Aufwertung der islamistischen Opposition im eigenen Land einhergehen würde. In einigen Ländern wurden wegen der Lage in Gaza die Silvesterfeierlichkeiten abgesagt.

Die arabischen Regime betrachten den Gazakrieg zu allererst unter innenpolitischen Aspekten. Ägypten und Jordanien sind hier aus zweierlei Gründen besonders im Fokus. Zum einen sind beide Staaten die einzigen Nachbarn Israels, die Friedensabkommen mit dem jüdischen Staat im Nahen Osten geschlossen haben. In Ägypten sind die Muslimbrüder die größte und für das Regime gefährlichste Oppositionsbewegung. Sie sind zudem die Organisation, aus der in den 80er Jahren die Hamas hervorging. Dementsprechend ungehalten reagierte Kairos Regierung auf die Aufforderung von Hizbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah an das ägyptische Volk, gegen die passive Haltung Husni Mubaraks zu protestieren.

In Jordanien ist jeder zweite Bürger palästinensischer Abstammung. Entsprechend nervös betrachtet König Abdullah die Entwicklungen in Gaza. Auch hier sind die Islamisten die stärkste Oppositionsgruppe.

Ob die Haltung der Regierung und die Berichterstattung arabischer Medien mit der Mehrheitsmeinung der Bürger in Ägypten, Jordanien oder Saudi-Arabien übereinstimmt lässt sich seriös kaum beurteilen - Zweifel sind jedoch angebracht. Nun lassen sich die arabischen Regime kaum von der Meinung ihrer Bürger lenken oder umstimmen - dennoch müssen sie versuchen dem Zorn und der Wut ihrer Untertanen eine Stimme zu geben - besonders dann, wenn der Krieg länger andauern und weitere Opfer unter der Zivilbevölkerung Gazas fordern sollte.

In Ägypten demonstrierten in den vergangenen Tagen mehrere Tausend Menschen gegen Israels Militärschläge, aber auch das Verhalten der eigenen Staatsführung, die sich beharrlich weigert die Grenze zum Gazastreifen zu öffnen. Die Kundgebung ist schon deshalb bemerkenswert, da öffentliche Versammlungen die von den Muslimbrüdern organisiert werden, umgehend aufgelöst werden und jeder Teilnehmer Gefahr läuft, auf unabsehbare Zeit im Gefängnis zu landen.

In Jordanien fanden ebenfalls kleinere Solidaritätskundgebungen für die Hamas statt. Ein islamistischer Abgeordneter verbrannte im jordanischen Parlament eine Israel-Flagge. Die Solidarität mit der sunnitischen Hamas scheint unter vielen Jordaniern so gar noch weiter verbreitet zu sein als die mit der schiitischen Hizbollah während des Zweiten Libanonkriegs 2006. Wie nervös König Abdallah angesichts des Ärgers seiner Landsleute ist, zeigt die Tatsache, dass er inmitten der aktuellen Krise seinen Geheimdienstchef absetzte, der in den letzten Monaten die Kontakte mit der Hamas intensiviert haben soll.

Montag, 29. Dezember 2008

Gegossenes Blei - Gedanken zu Gaza

In den vergangenen 60 Jahren hat Israel tausende Häuser im Libanon und den palästinensischen Gebieten dem Erdboden gleichgemacht - sicherer wurde das Land dadurch nicht. Wenig spricht dafür, dass sich daran etwas durch die Operation Gegossenes Blei im Gazastreifen ändern wird.

15 Menschen wurden seit 2001 durch palästinensischen Raketenbeschuss auf Israel getötet. Über 300 Tote werden nach drei Tagen Krieg im Gazastreifen gezählt, nach UN-Angaben sind unter ihnen 56 Zivilisten. In der blutigen Geschichte des Palästinakonfliktes gab es keinen Tag, an dem mehr Tote gezählt wurden, als am Sonntag. Die israelische Militäraktion als verhältnismäßig zu bezeichnen fällt schwer.

Dabei scheint bisher aus Sicht der israelischen Armee alles planmäßig verlaufen zu sein. Die Hamasführung wurde von den Luftangriffen während der Operation Gegossenes Blei am Samstag offenbar überrascht. Und dennoch erscheinen die von Israels Politikern und Militärs ausgerufenen Kriegsziele unrealistisch.

Qassam-Raketen sind einfach herzustellen - wie Israel ihre Herstellung und ihren Abschuss künftig unterbinden will bleibt im Unklaren. Möglich erscheint dies nur durch eine Bodenoffensive und die erneute Besetzung des Gazastreifens. Wahrscheinlich entspricht dies genau dem Kalkül der Hamas, die die Besatzer dann in einen blutigen Guerillakrieg verwickeln kann.

Noch unrealistischer erscheint das zweite von Israels Vize-Regierungschef Chaim Ramon ausgerufene Ziel, die Hamas zu stürzen. Die anhaltende Bombardierung Gazas wird ihre Bürger nur weiter in die Arme der Islamisten treiben. Die Hamas besitzt im Nahen Osten genügend finanzstarke Unterstützer, die die Bewegung weiterhin am Leben und an der Macht in Gaza halten werden.

Schon mit der Bombardierung und Invasion des Südlibanon im Juli 2006 erreichte Israels Armee keines ihrer Kriegsziele. Die Hizbollah wurde politisch gestärkt, ist mittlerweile an der Regierung in Beirut beteiligt und wird weiterhin als Widerstandsgruppe und Schutzmacht des Südlibanon akzeptiert und respektiert.

Auch wenn Israel in seinen offiziellen Verlautbarungen ein anderes Bild zu vermitteln versucht - dieser Krieg gegen die Hamas wird nicht der letzte bleiben. Irgendwann, wahrscheinlich wenn dieser Krieg mehr als 1000 Tote auf Seiten der Palästinenser gefordert hat, wird der Druck auf Israels Regierung so groß sein, dass sie einem Waffenstillstand zustimmen wird. Ob der Süden Israels, in dem ein normales öffentliches Leben aus Angst vor den palästinensischen Raketen kaum noch möglich war, danach sicherer ist, wird die Zukunft zeigen.

In jedem Fall wird auch dann die Abriegelung des Gazastreifens fortgesetzt, werden noch mehr Kinder unterernährt sein, wird sich der Lebensstandard weiter dem Somalias oder Haitis annähern. Die Hamas und die Bewohner Gazas haben in einem Krieg mit Israel dann noch weniger zu verlieren.

Verhandlungen mit der Hamas lehnen Israel und die USA weiterhin ab. Militärische Gewalt allein wird den Raketenbeschuss aus Gaza jedoch nicht stoppen.

Sonntag, 28. Dezember 2008

Weihnachten in Beirut

Beirut im Dezember präsentiert sich dem außenstehenden Betrachter von seiner friedlichsten Seite. Der ganze Monat, so scheint es, ist den zahlreichen religiösen Festtagen gewidmet. Eingeläutet wurde die "Festsaison" am 6.12., mit dem islamischen Opferfest, das auch mit 1. Advent zusammenfiel. Abgeschlossen wird es am 6.1.2009, wenn sich die schiitische Aschura-Prozession und der orthodoxe Heiligabend überschneiden.

Dazwischen liegen die (katholischen und protestantischen) Weihnachtsfeiertage, die, wie alle anderen religiösen Feste im Libanon, freie Tage für alle Libanesen bedeuten.
Bereits seit Anfang Dezember sind die Straßen Beiruts bunt und vor allem hell geschmückt. Die Palette reicht von durchaus einfallsreichen Kreationen, zu konventionellen Weihnachtsschmuck bis hin zu überkandideltem Kitsch. Zwar scheint mir die kommerzielle Aushöhlung der Weihnachtszeit bei weitem nicht so fortgeschritten, wie in anderen Ländern, dennoch, besonders viel Spiritualität versprüht die Stadt trotz bunter Dekoration kaum.

Am Abend des 24.12. lade ich einige deutsche Freunde zum Kochen ein, kurz vor Mitternacht schließlich steuern wir einige der zahlreichen Kirchen im christlichen Stadtteil Ashrafieh an. Wir entscheiden uns für die maronitische Mar Maroun Kirche, die direkt an die beiden populären Ausgehviertel Monot und Gemmayzeh grenzt. Das Gotteshaus ist voll besetzt, jung und alt, Libanesen und sogar ihre fillipinischen Hausmädchen füllen die Reihen. Besonders die ältere Generation lauscht der einstündigen Messe andächtig und gedankenversunken. Viele der Jüngeren kommen etwas später, wahrscheinlich aus den umliegenden Bars, und verschwinden mit einigen Bekreuzigungen nach der Predigt und dem gemeinsamen Vaterunser.

Währenddessenmache ich mir über das, was ich sehe, Gedanken, und mache mir meinen Reim auf die psychologische Funktion dieses Weihnachtsfestes: All das Dekorieren, das Einkaufen, das Feiern des Weihnachtsfestes und das Feiern in den Bars sind, noch mehr als sonst, vor allem eines: Ablenkung. Das Weihnachtsfest in den letzten Jahren fand sicher unter noch ungünstigeren Umständen statt.

Was aber dieses Jahr so unbehaglich erscheint, ist die Ungewissheit, was im nächsten Jahr genau kommen wird. Dass etwas passieren wird, darin sind sich alle einig, schließlich stehen die Parlamentswahlen im Frühjahr bevor. Die Wahlsaison zu den Studentenparlamenten hat darauf schon einen Vorgeschmack gegeben. Auf politischer Ebene gibt es ebenfalls keine entscheidenden Fortschritte, die an einen Erfolg des neuen "nationalen Kabinetts" glauben lässt. Zudem ist die vom maronitischen Patriarchen Nasrallah Boutros Sfeir angestrebte christliche Versöhnung gründlich gescheitert: Weder Samir Geagea, noch seine Gegenspieler Michel Aoun und Sulaiman Franjieh kamen über die Ebene gegenseitiger Vorhaltungen hinaus.

Noch bedrohlicher erscheinen die Entwicklungen in Gaza. Zwar wird die militärische Eskalation und das überharte israelische Vorgehen von allen Seiten kritisiert, wirklich reagieren kann jedoch kaum eine Seite, mit einer Ausnahme: So wartet derzeit alles auf die Reaktion Hizbullahs. Bereits vor 2 Wochen hatte die Partei Gottes zum "Tage der Solidarität mit Gaza" aufgerufen, und dabei klar den militärischen Widerstand als ihr einzig legitimes Mittel gegen Israel erklärt. Auch deshalb wünschen sich alle Libanesen ein schnelles Ende der israelischen Offensive - vielen ist noch im Bewusstsein, was nach der letzten militärischen Gaza-Kampagne im Sommer 2006 folgte.

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Frohe Weihnachten

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern frohe und besinnliche Weihnachten. Dazu ein musikalischer Gruß von Fairouz:

 

Dienstag, 23. Dezember 2008

Menschenrechte in der Westsahara

Marokko verletzt weiterhin systematisch Menschenrechte in der Westsahara. Dies geht aus einem detaillierten Bericht hervor, der in der vergangenen Woche von Human Rights Watch veröffentlicht wurde. Darin untersucht HRW die Menschenrechtslage in der von Marokko verwalteten Westsahara sowie in saharischen Flüchtlingslagern auf algerischem Boden, die von der Befreiungsfront für Westsahara, der Polisario, kontrolliert werden.

Systematisch unterdrückt der marokkanische Staat sämtliche Stimmen, die sich für das Selbstbestimmungsrecht des sahrawischen Volkes starkmachen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird zu diesem Zwecke ebenso verletzt, wie das Versammlungs- und Vereinigungsrecht. Willkürliche Verhaftungen und unfaire Prozesse gegen Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung sind an der Tagesordnung.

In den Flüchtlingslagern im algerischen Tindouf wiederum ist die Polisario bestrebt ihren Alleinvertretungsanspruch für das sahrawische Volk zu bewahren. Kritische und oppositionelle Stimmen innerhalb der Flüchtlingsgemeinschaft werden marginalisiert. Dies geschieht eher durch sozialen Druck als durch Festnahmen, so HRW.

Die Menschenrechtler konstatieren, dass die Stärkung der Menschenrechte durch den marokkanischen Staat in den letzten 15 Jahren vor der Westsahara-Frage halt gemacht hat. Jegliche Kritik am Vorgehen der Regierung in den "südlichen Provinzen", wie das 1975 von Rabat annektierte Westsahara offiziell heißt ist verboten und wird verfolgt. 

Jeder Vorschlag, der etwa ein Referendum über den zukünftigen Status des Wüstengebiets vorsieht, wird von den Behörden als Angriff auf Marokkos territoriale Integrität betrachtet. Stellt man diese infrage übertritt man eine der "drei roten Linien" in der marokkanischen Verfassung - die anderen beiden sind Kritik an der Königsfamilie und dem Islam.

Doch selbst wenn die entsprechenden Gesetze geändert werden sollten, zeige der marokkanische Staat keinen Willen, jene zur Verantwortung zu ziehen, die sich Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilisten in der Westsahara schuldig gemacht haben, kritisiert HRW. Inhaftierte Sahrawis hätten immer wieder die selben Namen von Polizeioffizieren genannt, die für Misshandlungen verantwortlich seien, dafür aber nie zur Rechenschaft gezogen würden.

Zwar gebe es punktuelle Verbesserungen - etwa größere Bewegungsfreiheit und kürzere Haftstrafen für Unabhängigkeitsaktivisten  - gleichwohl bleibe die Lage in der Westsahara alles in allem unbefriedigend.

Das Leben der 125000 Flüchtlinge in der algerischen Tindouf-Region wird seit mehr als 30 Jahren von der Polisario - der Unabhängigkeitsbewegung für die Westsahara bestimmt. Die Menschen leben in der Wüste weitgehend isoliert und sind nahe zu vollkommen von internationaler Hilfe abhängig. Der algerische Staat, der die Polisario unterstützt, hat sich aus diesem Gebiet praktisch vollkommen zurückgezogen.

Kritik an der Polisario und ihrer Verwaltung der Flüchtlingscamps ist zugelassen und durchaus üblich. Politische Verhaftungen seien sehr selten, konstatiert HRW. Gleichwohl monopolisiere die Polisario politische Aktivitäten und sei bestrebt konkurrierende Bewegungen auszuschalten.

Außerdem missbillige die Polisario die Rückkehr von Flüchtlingen die gewillt sind, in die von Marokko verwaltete Westsahara zurückzukehren. Sahrawis, die diesen Schritt dennoch wagen, seien gut beraten dies bis zu ihrer Abreise aus Tindouf geheim zu halten.

Samstag, 20. Dezember 2008

Gesucht: Die arabische Persönlichkeit des Jahres 2008

Das Jahr 2008 neigt sich dem Ende entgegen - Zeit für einen Rückblick und die Wahl zur arabischen Persönlichkeit 2008. Wir stellen 10 Kandidaten zur Auswahl. Sie haben in den letzten 12 Monaten für Schlagzeilen gesorgt, Besonderes geleistet, an Einfluss gewonnen oder Mut bewiesen. Zur Abstimmung einfach oben rechts deinen Favoriten anklicken. Die Wahl läuft bis zum 31.12.2008 24 Uhr. Ergänzungen, weitere Vorschläge und Kommentare zu den Nominierten sind willkommen.

Hier eine kurze Beschreibung der Kandidaten:

  • Mohamed Aboutrika: Ägyptischer Fußballer, der als Mittelfeldregisseur sein Nationalteam zum Gewinn des Afrika-Cups und seinen Klub al-Ahly Kairo zum Sieg der Afrikanischen Champions League geführt hat. Während des Afrika-Cups im Februar zeigte der studierte Philosoph ein T-Shirt mit dem Slogan"Sympathize with Gaza" und sorgte damit für Aufsehen über den Fußballplatz hinaus. Momentan ist Aboutrika für die Wahl zu Afrikas Fußballer des Jahres 2008 nominiert.
  • Nancy Ajram: Libanesische Sängerin, die in diesem Jahr die meisten Platten im Nahen Osten verkauft hat. Im Juli 2008 veröffentlichte die 25-Jährige nach zwei Jähriger Pause ihr siebtes Studioalbum, für das sie im November mit dem World Music Award ausgezeichnet wurde. Neben ihren Musikvideos ist sie seit Jahren als Werbeträgerin für CocaCola in der gesamten arabischen Welt berühmt.
  • Bashar al-Assad: Syrischer Präsident, der sein Land in diesem Jahr schrittweise aus der Isolation geführt hat und direkte Friedensverhandlungen mit Israel anstrebt. Nachdem Assad vor einem Jahr im Westen noch als Pariah galt, gaben sich in diesem Jahr westliche Vertreter in Damaskus die Klinke in die Hand. Im Juli war er Gast von Sarkozys Mittelmeergipfel in Paris. Im kommenden Jahr dürfte auch ein US-Botschafter wieder sein Amt in Damaskus antreten.
  • Ibrahim Eissa: Ägyptischer Journalist und Herausgeber der regierungskritischen Zeitung al-Dustur. In diesem Jahr wurde Eissa wegen seiner kritischen Berichterstattung zunächst zu einer Haftstrafe verurteilt, später jedoch begnadigt. 32 Verfahren gegen ihn sind noch anhängig. Für seine Arbeit und sein entschlossenes Eintreten für die Pressefreiheit wurde ihm in Beirut kürzlich der Samir Kassir-Preis verliehen.
  • Muhammad ibn Rashid al-Maktoum: Emir von Dubai und Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate. Unter seiner Führung wurde Dubai zu einem Drehpunkt der Globalisierung mit wachsender Bedeutung für Handel, das Finanzwesen und den internationalen Tourismus. al-Maktoum gilt als Vorbild für die künftige Generation arabischer Staatsmänner.
  • Nouri al-Maliki: Irakischer Ministerpräsident, der in diesem Jahr an Profil und Macht gewann. Vor einem Jahr noch von vielen abgeschrieben, sitzt Maliki nach wie vor fest im Sattel. Zunehmend gelang es ihm sich als nationaler Herrscher über alle Iraker unabhängig von ihrer Religion zu positionieren. Mit der US-Regierung handelte er ein Sicherheitsabkommen aus, das einen Abzug der US-Armee bis 2011 vorsieht.
  • al-Walid ibn Talal Al Saud: Saudischer Prinz und reichster Araber. Auch wenn Prinz al-Walid in diesem Jahr mehrere Milliarden US-Dollar verlor, spielt er eine Schlüsselrolle in der Weltwirtschaft. Er ist der größte ausländische Investor in den USA, hält Anteile an der Citigroup und Apple. Daneben gehört ihm das Fernsehunternehmen Rotana, eines der zuschauerstärksten arabischen Netzwerke. "Modernisierung ohne Verwestlichung" lautet seine Vision für den Nahen Osten.
  • Michel Suleiman: Libanesischer Präsident, der seit Mai 2008 ein lange vakantes Amt innehat. Seit seiner Wahl hat der ehemaliger Chef der libanesischen Armee an Statur gewonnen und zur Annäherung an Syrien beigetragen. In der libanesischen Innenpolitik gelang es ihm, sich als unabhängige Stimme zu profilieren, die sich nicht vom Machtkampf zwischen den rivalisierenden Lagern, gerade innerhalb der libanesischen Christen, vereinnahmen lässt.
  • Hamad bin Jassim bin Jabr Al Thani: Premier- und Außenminister von Qatar, der die treibende Figur hinter dem wachsenden Einfluss des Emirats auf die Politik in der Region ist. Unter seiner Führung handelten die rivalisierenden libanesischen Fraktionen im Mai ein Abkommen aus, das die Krise im Libanon vorerst beilegte. Unter seiner Führung hält Qatar gute Beziehungen zu Syrien und Saudi-Arabien und - wenn auch im geheimen - Kontakte zu Israel.
  • Muntazir al-Ziadi: Irakischer Journalist, der am 15. Dezember während einer Pressekonferenz in Bagdad George Bush mit Schuhen bewarf. Seither ist er in Haft. Nach Aussagen eines Richter wurde Zaidi verletzt. Ihm drohen laut einem Gesetz, das noch zu Zeiten des Baath-Regimes erlassen wurde, wegen "Aggression gegen einen ausländischen Staatschef" bis zu 15 Jahre Haft.

10 MiGs für den Libanon

Russland hat der libanesischen Armee die Lieferung von zehn MiG-29 Kampfjets versprochen. Libanons Verteidigungsminister Elias al-Murr gab sich während seines Moskau-Besuchs selbst überrascht über die russische Offerte. "Das war wirklich eine Überraschung für mich und die libanesische Militärdelegation", erklärte Murr nach seinem Gespräch mit Russlands Verteidigungsminister Anatoli Serdyukov.

Die MiG-29 wird seit 1977 zunächst von der Sowjetunion und seit deren Zerfall von Russland produziert. Die libanesische Luftwaffe soll eine überarbeitete Version erhalten. Über die Bedingungen des Flugzeugdeals wurden bislang keine Einzelheiten bekannt - offenbar wollen die Russen die MiGs den Libanesen aber kostenlos überlassen.

Dennoch ist derzeit fraglich, ob das Geschäft für Libanons Armee wirklich lohnenswert ist. Bislang verfügen ihre Luftstreitkräfte lediglich über einige Kampfhubschrauber und zwei Kampfjets vom Typ Hawker Hunter aus den 60er Jahren. Weil diese Modelle in heutigen Kriegen nicht konkurrenzfähig sind, blieben die Flugzeuge in den vergangenen Kriegen mit Israel am Boden - auch deshalb ist die Luftwaffe bisher ein beliebtes Ziel angehender libanesischer Berufssoldaten.

Dementsprechend groß ist auch der Nachholbedarf der libanesischen Armee. Heute ist in ihren Reihen kein einziger Pilot, der in der Lage wäre eine MiG-29 zu steuern. Das Abkommen zwischen Russland und dem Libanon sieht offenbar vor, dass 30 Piloten und etwa 100 Mechaniker in einer mehrmonatigen Ausbildung die nötigen Kenntnisse in Russland erwerben. Die Kosten für das Training und den Erhalt der MiGs sind vom libanesischen Staat zu tragen.

Ob diese langfristigen Ausgaben wirklich lohnend sind, erscheint fraglich. Denn auch durch den Kauf von 10 MiGs ist die libanesische Armee weit davon entfernt ein militärisches Gleichgewicht mit seinen Nachbarländern Syrien und Israel zu erreichen. Israel etwa verfügt über circa 350 Kampfjets vom Typ Lockheed F-16, die der MiG-29 gegenüber als überlegen gelten.

So erscheint dieses Militärgeschäft in erster Linie ein russischer PR-Gag zu sein. Die russische Armee überlässt den Libanesen 10 Kampfjets, die sie andernfalls wohl alsbald hätte verschrotten müssen. Gleichzeitig macht sie ihren Einfluss auf den Libanon geltend, ein Land in dem die USA nur schwer Fuß fassen.

Die Amerikaner äußerten sich zurückhaltend zu dem russisch-libanesischen Deal, der die "starke" Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für den libanesischen Staat zeige. Die USA versprachen der libanesischen Armee unterdessen eine nicht genauer bezifferte Zahl von M-60-Kampfpanzern - ein Modell, das die US-Armee selbst seit über 15 Jahren nicht mehr verwendet.

Eine der Prämissen amerikanischer Militärpolitik gegenüber dem Libanon bleibt damit unverändert. Ihr Ziel ist es, die libanesische Armee so auszurüsten, dass sie es irgendwann einmal mit der Hizbollah aufnehmen kann. Die militärische Überlegenheit Israels bleibt unangetastet.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Entführungen, sexuelle Sklaverei und Zwangsarbeit in Darfur

Tausende Menschen in Darfur sind in den letzten Jahren verschleppt und versklavt worden. Die von Sudans Regierung unterstützten Janjaweed-Milizen haben mit Unterstützung der sudanesischen Armee systematisch Menschen entführt um sie in den von ihnen kontrollierten Gebieten zur Zwangsarbeit einzusetzen und sexuell zu missbrauchen.

Dies geht aus einem 28-seitigen Bericht hervor, der gestern vom Darfur Consortium, einem 2004 gegründeten Bündnis von 50 Nichtregierungsorganisationen, vorgestellt wurde. Die Studie basiert auf Feldforschungen, die seit 2006 in den drei Teilprovinzen Nord-, Süd- und Westdarfur durchgeführt wurden. Die Autoren besuchten zum Einen die Gebiete aus denen Menschen verschleppt wurden, zum Anderen führten sie Gespräche mit Flüchtlingen und Opfern von Entführungen. Daneben wurden Sekundärquellen ausgewertet.

Die große Mehrheit der Verschleppten gehören den nicht arabischsprechenden Volksgruppen der Fur, Massaliet und Zagawa an. Entführte Mädchen und Frauen werden häufig vergewaltigt, zwangsverheiratet und sexuell versklavt. Die verschleppten Männer werden zumeist für die Feldarbeit oder als Hirten eingesetzt. Insgesamt geht die Zahl der Entführungsopfer vermutlich in die Tausende, die meisten von ihnen sind Frauen und Mädchen. Die Verschleppten werden zumeist in die Teile Darfurs gebracht, die unter Kontrolle der sudanesischen Armee und der Janjaweed-Milizen stehen.

Nach Ansicht des Darfur Consortiums sind die Entführungen Teil einer breiter angelegten Strategie nicht arabophone Bevölkerung Darfurs aus ihrer Heimat zu vertreiben und ihrer Stelle arabische Nomaden dort anzusiedeln. Der Streit um den Besitz von Feldern und Weideflächen steht im Zentrum des Konflikts der seit Jahrzehnten schwelt und seit 2003 eine bislang nicht gekannte Intensität erlebt.

Laut der Einschätzung der Autoren trägt die sudanesische Regierung die direkte Verantwortung für die ethnischen Säuberungen in Darfur - ein Einschätzung, die vom Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, geteilt wird. Das Regime in Khartoum unterstützt die verantwortlichen Milizen, weigert sich die Verbrechen zu stoppen und leugnet die Tatsache, dass überhaupt Entführungen an der Tagesordnung sind.

Die Blaupause für diese Taktiken habe der sudanesische Bürgerkrieg zwischen 1983 und 2005 geliefert. Auch in diesem Konflikt verschleppten die von Khartoum unterstützten Murahaleen-Milizen mehr als 14000 Zivilisten aus dem Südsudan. Niemand wurde für die Entführungen je zur Verantwortung gezogen.

Um die von Sudans Regierung geförderten Menschenrechtsverletzungen zu stoppen, sei es unerlässlich, dass das Mandat der UNAMID, der hybriden Friedenstruppen aus UN und Afrikanischer Union gestärkt wird. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch die Bereitschaft der internationalen Staatengemeinschaft einen Beitrag zum Gelingen der UNAMID-Mission zu leisten, der über bloße Symbolik hinausgeht.

Dienstag, 16. Dezember 2008

Juden im Jemen

Der Mord an einem jemenitischen Juden in der vergangenen Woche zeigt die prekäre Lage der jüdischen Gemeinde im Jemen. Der 30-jährige Jude Moshe bin Yaish bin Yusuf Nahari wurde am Donnerstag in der Kleinstadt Raidah von einem muslimischen Extremisten erschossen.

Der Mörder, Abdulaziz Hamoud al-Abdi, ehemaliger Pilot der jemenitischen Luftwaffe, räumte die Tat bereits ein. Mit dem Mord an dem Juden wolle er "Gott näherkommen", so al-Abdi in der Vernehmung. Bereits heute sollte der Prozess gegen ihn beginnen. Vor zwei Jahren hatte der Mann bereits seine Ehefrau getötet, wurde jedoch auf freien Fuß gesetzt, da er psychisch instabil gewesen sei.

Die Stadt Raida in der Provinz Amran ist die letzte jüdische Enklave im Jemen. Etwa 200 bis 500 Juden leben heute noch hier. In dem Ort gibt es eine Synagoge, eine Mikwe - ein jüdisches Bad - und eine Yeshiva - eine Talmudschule. Der Ermordete selbst war Lehrer an der Yeshiva.

Bis Mitte der 1940er Jahre lebten mehr als 60000 Juden im Jemen. Nach der Teilung Palästinas und mehreren Pogromen gegen die jüdische Minderheit bei denen mehr als 80 Menschen starben und hunderte jüdische Häuser zerstört wurden, emigrierten fast alle Juden nach Israel, die USA oder Europa. Durch die Operation Fliegender Teppich wurden zwischen Juni 1949 und September 1950 aus dem Jemen nach Israel gebracht.

Heute führen die Juden im Jemen ein Leben als Bürger zweiter Klasse. Der Rabbi der Gemeinde in Raidah und Bruder des Ermordeten berichtet von mehreren Drohungen, die seine Gemeinde in den letzten Monaten erhalten habe - zum Teil von örtlichen Offiziellen. Das Innenministerium in Sanaa erklärte am Samstag, man habe acht Verdächtige festgenommen, die beschuldigt werden, die jüdischen Bürger bedroht zu haben. Erst am Sonntag warf ein Unbekannter eine Handgranate in ein mehrheitlich von Juden bewohntes Viertel des Ortes Kharaf unweit von Raidah.

Rabbi Yahya bin Yaish verlieh seiner Angst und seinem Zorn auf die Untätigkeit des Staates angesichts der Bedrohung deutlichen Ausdruck: "Wenn der Staat untätig und nicht in der Lage ist uns zu schätzen, dann kauft unsere Häuser und unser Eigentum, gebt uns das Geld und weist uns aus dem Land."

Montag, 15. Dezember 2008

Muntazir al-Zaidi und die fliegenden Schuhe

Bis gestern war Muntazir al-Zaidi ein weitgehend unbekannter irakischer Journalist beim Fernsehsender al-Baghdadiyah. Dann erhob er sich zum Beginn einer Pressekonferenz von George Bush und Nuri al-Maliki von seinem Platz, warf nacheinander seine beiden Schuhe auf den US-Präsidenten und rief ihm zu "Das ist der Abschiedskuss, du Hund!". Während Zaidi abgeführt wurde rief er: "Dies ist für die Witwen, Waisen und alle im Irak Getöteten." Zwar konnte Bush den fliegenden Schuhen ausweichen, der 28 Jahre alte al-Zaidi ist seither jedoch auf dem besten Wege eine Berühmtheit zu werden.

Noch während der Pressekonferenz entschuldigten sich arabische Reporter für den Wurfangriff Zaidis. In ihren Meinungsartikeln äußern heute jedoch viele arabische Journalisten unverhohlene Sympathien für die Tat ihres Kollegen, die die Quittung sei für die US-Invasion in den Irak, für fünf Jahre Besatzung, für Abu Ghraib und für das Leid von Millionen Flüchtlingen. Mit seinem Wurf habe Zaidi das getan, was Millionen Araber gerne tun würden. Das Bild des sich duckenden George Bush prangte heute auf dem Titelbild aller großen arabischen Zeitungen. Kaum eine Geste drückt die öffentliche Meinung von George Bush im Nahen Osten besser aus.


Zaidis Arbeitgeber, der in Kairo ansässige TV-Sender al-Baghdadia, freut sich zum Einen über die große Aufmerksamkeit die ihm in den letzten 24 Stunden zu Teil wurde. Ausführlich dokumentiert der Kanal auf seiner Internetseite die Reaktionen auf Zaidis Attacke. al-Baghdadia gilt als ein Programm, das mehrheitlich von oppositionellen Sunniten verfolgt wird und das der irakischen Regierung kritisch gegenübersteht. Muntazir Zaidi selbst ist Schiit und wurde 2007 drei Tage lang von Unbekannten entführt.

In einem Statement verlangt der Sender die unverzügliche Freilassung seines Korrespondenten "in Übereinstimmung mit der Demokratie und der Meinungsfreiheit, die dem irakischen Volk von der amerikanischen Regierung versprochen wurde." Über das Schicksal Muntadhir al-Zaidis ist bislang nichts bekannt. Augenzeugen berichteten, dass der Journalist von Leibwächtern des irakischen Ministerpräsidenten Maliki getreten wurde. Seine Familie konnte ihn bisher nicht erreichen.

In Bagdads Stadtteil Sadr City und in Najaf demonstrierten heute tausende schiitische Anhänger Muqtada al-Sadrs für Zaidis Freilassung. Auf Plakaten und in Sprechchören feierten die Demonstranten den Journalisten als Helden. Khalil al-Dulaimi, ehemaliger Anwalt von Saddam Hussein, hat bereits angekündigt, Zaidis Verteidigung zu übernehmen.

(Karikatur: Latuff)

Freitag, 12. Dezember 2008

Saudi-Arabien: Fernsehspots gegen den Missbrauch von Gastarbeitern

Die Misshandlung von Gastarbeitern ist in vielen arabischen Ländern ein Problem, das jedoch häufig lieber verschwiegen und nur selten thematisiert wird. Die Kampagne "Rahma" (Gnade) einer saudischen Werbeagentur will dies ändern. Seit einigen Wochen laufen auf den Kanälen des Medienunternehmens Middle East Broadcasting Centers (MBC) mehrere Fernsehspots, die von der Agentur Full Stop Advertising aus Jeddah konzipiert wurden.

Die Fernsehspots zeigen zwar nicht die körperliche Gewalt, die vielen Hausmädchen und anderen Bediensteten saudischer Familien angetan wird, macht aber deutlich wie die Gastarbeiter psychisch unter Druck gesetzt und als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. In diesem Spot etwa droht die arabische Hausfrau ihrer Haushaltshilfe: "Bist du immer noch nicht fertig? Du wirst nicht schlafen, bis das Haus blitzblank ist, verstanden?"



Ein anderes Video zeigt einen wohlhabenden Saudi, der seine Hausangestellte anschreit, einen Anderen seit Monaten nicht bezahlt, den Müllkehrer beleidigt und einem weiteren Angestellten den Besuch seiner Tochter im Krankenhaus untersagt. Schließlich wird ein Satz eingeblendet, der dem Propheten Muhammad zugeschrieben wird "Dem, der nicht gnädig ist, wird keine Gnade widerfahren."




Ziel der Kampagne ist es zunächst einmal die Aufmerksamkeit der Saudis auf die Situation ihrer Angestellten aus Afrika oder Asien zu lenken. "Wir sind verpflichtet sie gut zu behandeln. Warum fordern wir sie auf Dinge zu tun, die wir selbst nicht ertragen können? Wenn wir ihnen Gnade erweisen, wird Gott unserer gnädig sein", fasst Kaswara al-Khatib, Direktor von Full Stop Advertising die Botschaft der Rahma-Kampagne zusammen.

Viele Gastarbeiter in Saudi-Arabien sind einer ganzen Reihe von Misshandlungen ausgesetzt. Laut einem Bericht von Human Rights Watch aus dem Juli dieses Jahres sind das Einsperren der Bediensteten, Nahrungsentzug, physischer, psychischer und auch sexueller Missbrauch weitverbreitet. Zudem kommt es häufig vor, dass die Hausangestellten über Monate oder Jahre hinweg nicht bezahlt und wie Sklaven behandelt werden.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Muxlim Pal - Second Life für Muslime

Muxlim Pal - eine virtuelle Welt, die sich in erster Linie an Muslime richtet - ist heute online gegangen. Diese Internetwelt nach Vorbild von Second Life wird von Muxlim betrieben, einem Social Networking Service, das eine Art muslimisches Äquivalent zu Facebook und StudiVz darstellt. Muxlim wurde im Dezember 2006 von zwei Geschäftsleuten in Finnland gegründet und gilt mit derzeit 1,5 Millionen Unique Visitors pro Monat als eines der am schnellsten wachsenden sozialen Netzwerken.

In der virtuellen Welt Muxlim Pal können sich die User nun ihre eigenen persönlichen Avatare, sogenannte "Pals" erstellen. Jeder Pal bekommt seinen eigenen Raum, den die Nutzer nach eigenen Vorstellungen einrichten und dekorieren können. Dort können die Pals auch nach Belieben eingekleidet werden. Außerdem laden diese Räume zum virtuellen Gebet ein.

Daneben besteht die Internetwelt aus zahlreichen öffentlichen Räumen und Plätzen, auf denen die Nutzer miteinander in Kontakt treten können. Einer dieser Plätze ist etwa der Innenhof der Moschee. Wie im wirklichen Leben bildet die Shopping Mall ein Herzstück von Muxlim Pal. Hier können die User Möbel für ihren virtuellen Raum kaufen oder sich mit neuen Klamotten und Accessoires eindecken. Anfangs steht ihnen dafür ein Startguthaben zur Verfügung. Ist dieses jedoch aufgebraucht muss das virtuelle Konto mit realem Geld aufgefüllt werden.

Muxlim Pal richtet sich keineswegs ausschließlich an Muslime, sondern steht all jenen offen, die sich für islamische Kultur und muslimischen Lifestyle interessieren. In erster Linie zielt die virtuelle Welt jedoch auf junge Muslime in Europa und dem Nahen Osten, die sich am westlichen Lebensstil orientieren.

Montag, 8. Dezember 2008

Anklage gegen Blackwater-Angestellte nach Schießerei in Bagdad

Im US-Bundesstaat Utah haben sich heute 5 Sicherheitskräfte der privaten amerikanischen Militärfirma Blackwater Worldwide gestellt, die beschuldigt werden im September 2007 in Bagdad 17 irakische Zivilisten getötet zu haben. Zuvor hatte das Justizministerium in Washington erklärt, das gegen die 5 Männer Anklage wegen Totschlags erhoben werde.

Einer der fünf Beschuldigten, Donald Ball, stammt aus Utah. Er und die vier anderen Kriegsveteranen Dustin Heard, Evan Liberty, Nick Slatten und Paul Slough stellen sich auch deshalb in dem Mormonenstaat, weil die Richter im Vergleich zu Washington hier als konservativer und bei fehlerhaftem Umgang mit Waffen als nachsichtiger gelten. In den nächsten Wochen werden Verteidigung und Anklage nun darum ringen, wo den Blackwater-Angestellten der Prozess gemacht wird.

Das Unternehmen mit Sitz in North Carolina wurde nach dem Einmarsch im Irak vom US State Department beauftragt für den Schutz von Diplomaten und amerikanischen Geschäftsleuten zu sorgen. Am 16. September 2007 begleiteten die 5 Beschuldigten einen Konvoi amerikanischer Diplomaten durch Bagdad. Nach Darstellung von Blackwater Worldwide geriet die Wagenkolonne am Nisur-Platz unter Beschuss, woraufhin ihre Angestellten das Feuer erwiderten. Nach Augenzeugenberichten schossen sie 8 bis 12 Minuten lang um sich.

Die ersten US-Soldaten die daraufhin an den Tatort kamen, fanden keine Beweise dafür, dass auf die Blackwater-Angestellten geschossen worden war. Ermittlungen des FBI ergaben später, dass die Männer grundlos und exzessiv um sich feuerten. Der Fall wurde zu einem Symbol für die Rücksichtslosigkeit und Brutalität mit der die privaten Sicherheitsfirmen nach Ansicht vieler Iraker in ihrem Land agierten.

Gleichzeitig führt die juristische Aufarbeitung vielen Iraker vor Augen, dass Blackwater und Co. nach wie vor einen Sonderstatus einnehmen, da ihr Verbrechen eben nicht vor einem irakischen Gericht, sondern in den USA verhandelt wird. Zwar wurde die Immunität der privaten Sicherheitskräfte inzwischen aufgehoben, allerdings fallen ihre Taten erst mit Wirkung des 1. Januar 2009 unter die irakische Gerichtsbarkeit.

Die Firma Blackwater Worldwide muss mit keinen juristischen Konsequenzen rechnen und ist vom State Department weiterhin mit dem Schutz von US-Diplomaten beauftragt. Hinterbliebene der Opfer vom Nisur-Platz warten bis heute auf eine Entschuldigung seitens des Unternehmens.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Das islamische Opferfest - Id al-Adha

Mehr als eine Milliarde Muslime in aller Welt begehen ab morgen das islamische Opferfest, arabisch Id al-Adha. Das mehrtägige Fest gilt noch vor dem Zuckerfest, Id al-Fitr, das am Ende des Ramadans gefeiert wird, als wichtigster Feiertag im islamischen Mondkalender.

Am Opferfest gedenken die Muslime an die Bereitschaft des Propheten Ibrahim (Abraham) einen seiner Söhne zu opfern. Nach einer göttlichen Intervention wird Abraham die Tötung seines Sohnes erlassen und er opfert stattdessen einen Widder. Diese Überlieferung zeugt nach muslimischer Überlieferung von der Barmherzigkeit Gottes gegenüber den Menschen.

In Erinnerung an Ibrahim werden am ersten Tag des Opferfestes nach dem Moscheebesuch Opfertiere, zumeist Schafe, rituell geschlachtet. In der Regel wird das Tier abei mit dem Kopf in Richtung Mekka gelegt und dann von einem männlichen Familienmitglied zumeist unbetäubt geschächtet. Anschließend wird das Fleisch an Familienmitglieder und als Zeichen muslimischer Ethik und Nächstenliebe auch an Arme und Bedürftige verteilt.

Traditionell schießen in den Wochen vor dem großen Fest die Preise für Schafe in die Höhe. In vielen Ländern liegt der Preis für ein Tier über dem durchschnittlichen Monatseinkommen.

Gleichzeitig bildet das Opferfest den Abschluss der Haj, der jährlichen Pilgerfahrt nach Mekka. Dort beginnen die Pilger den morgigen Tag, im islamischen Kalender der 10. Tag des Monats Dhu al-Hijja, mit der rituellen Steinigung des Teufels.

Freitag, 5. Dezember 2008

Israel und die Siedler im Westjordanland

Die Auseinandersetzungen zwischen jüdischen Siedlern und israelischen Soldaten in Hebron sind in den letzten Tagen eskaliert. Gestern räumte die Armee ein Haus in der Altstadt Hebrons, in dem mehrere Siedlerfamilien gewohnt hatten. Dabei kam es zu schweren Kämpfen bei denen 30 Siedler und mehrere Sicherheitskräfte verletzt wurden.

Seit 2007 leben die Siedler in dem Gebäude, das sie Beit HaShalom - Haus des Friedens - nennen. Sie geben an, dass vierstöckige Gebäude rechtmäßig von seinem palästinensischen Besitzer erworben zu haben. Bis 1929 soll sich die Immobilie im Besitz einer jüdischen Familie befunden haben, die nach Übergriffen von muslimischer Seite aus Hebron flohen.

Der palästinensische Eigentümer des Hauses Faez Rajabi bestritt jedoch das Gebäude an die jüdischen Siedler verkauft zu haben. Zwar habe er einen Vertrag unterschrieben, jedoch von den Siedlern nicht die volle Kaufsumme erhalten. Daraufhin habe er seine Meinung geändert. Die israelische Polizei erklärte später, dass einige der Kaufbelege, die von den Siedlern vorgelegt wurden, gefälscht seien. Am 16. November urteilte ein israelisches Gericht, dass die Siedler das Haus des Friedens verlassen müssten.

Nachdem das Gebäude gestern gewaltsam geräumt wurde brachen in mehreren jüdischen Siedlungen im Westjordanland Unruhen aus. Palästinensische Autos wurden mit Steinen beworfen, mehrere Palästinenser wurden von Siedlern beschossen und verletzt. Siedler aus Kiryat Arba griffen ein von einer palästinensischen Familie in Hebron bewohntes Haus an. Der Journalist Avi Issacharoff berichtet, dass maskierte Siedler versucht hätten, die Familie zu lynchen. "Ein Pogrom. Das ist kein Wortspiel. Es ist ein Pogrom im schlimmsten Sinne des Wortes", beschreibt er die Szenerie.In Hebron selbst leben 600 Siedler inmitten von 170000 Palästinensern, in der gesamten West Bank sind es etwa eine halbe Million.

Die gestrigen Ereignisse sind nur die letzten in einer Kette von Zusammenstößen zwischen Siedlern und der israelischen Armee. Die Regierung sieht die wachsende Militanz gerade junger Siedler mit Sorge, scheut sich aber gleichzeitig die Bewegung entschlossen anzugreifen. "Würden die Araber aus Hebron handeln wie die Juden, würden wir ihre Leichen zählen", meint ein Kommentator der Jerusalem Post.

In den letzten Wochen schändeten Siedler mehrere Moscheen und islamische Friedhöfe in Hebron und Umgebung. An Mauern waren später Schriftzüge zu lesen wie "Araber in die Gaskammern".

Beobachter warnen bereits von einer "jüdischen Intifada", die den Zweck verfolge die Araber im Westjordanland zu blutigen Vergeltungsschlägen zu provozieren. Anschließend, so das Kalkül, müsse die israelische Armee eingreifen und ein eigenständiger palästinensischer Staat würde in weite Ferne rücken.

(Photo: Philipp Spalek)

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Umfrage in Palästina

Die Mehrheit der Palästinenser im Westjordanland und dem Gazastreifen blickt optimistisch in die Zukunft, zweifelt aber gleichzeitig an der Fähigkeit des gewählten US-Präsidenten Barack Obama zu einer Beilegung des arabisch-israelischen Konflikts beizutragen. Dies ergibt eine Umfrage, die im November vom Jerusalem Media and Communication Center (JMCC) unter 1200 Palästinensern durchgeführt und deren Ergebnisse gestern vorgestellt wurden.

62% der Befragten gaben an, "sehr optimistisch" oder "optimistisch" in die Zukunft zu blicken. Gegenüber einer JMCC-Umfrage aus dem April 2008 bedeutet dies einen Zuwachs von 10%. Gleichzeitig zeigte sich jedoch nur ein Viertel der Palästinenser zuversichtlich, dass die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates möglich sei. Im Gazastreifen lag dieser Wert gar nur bei 18%.

Die Hälfte der Befragten wünscht sich eine Einigung zwischen den rivalisierenden Bewegungen Fatah und Hamas und die Bildung einer Koalitionsregierung noch vor den nächsten Wahlen. Gleichzeitig zeigen sich die Palästinenser jedoch überwiegend pessimistisch hinsichtlich der Vermittlungsbemühungen seitens der ägyptischen Regierung. Eine einfache Mehrheit der Befragten - 31% in der West Bank und gar 42% im Gazastreifen - macht die Hamas für das Scheitern des palästinensischen Dialogs verantwortlich.

Bezüglich des Waffenstillstands zwischen der Hamas und Israel spricht sich nur eine Minderheit von 27% für eine Verlängerung der Waffenruhe aus. Knapp 30% der Befragten erklärten, die Vereinbarung habe nationalen Interessen widersprochen, vier von zehn Palästinensern waren der Ansicht, dass der Waffenstillstand keine Veränderung der Lage gebracht habe.

Auf die Frage welche palästinensischen Gruppe sie am meisten vertrauen, gaben 36% der Umfrageteilnehmer an, sie vertrauten gar keiner Fraktion. 31% nannten die Fatah, nur knapp 17% die Hamas. Interessant ist, dass laut der JMCC-Umfrage auch im von der Hamas beherrschten Gazastreifen eine Mehrheit eher der Fatah als der Hamas vertraut (35% zu 23%). Gegenüber der April-Umfrage blieben diese Werte jedoch weitgehend konstant.

In der Rangliste der vertrauenswürdigsten palästinensischen Persönlichkeiten liegt der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas vor dem abgesetzten Ministerpräsidenten Ismail Haniyeh von der Hamas. In der Umfrage aus dem April lag Haniyeh noch vor dem von Israel inhaftierten Marwan Barghouthi und vor Mahmud Abbas in Front.

Würden jetzt Präsidenten- und Parlamentswahlen in den palästinensischen Gebieten stattfinden, könnten Abbas und die Fatah jeweils mit mehr oder weniger deutlichen Siegen rechnen.    

Hinsichtlich der Lösung des arabisch-israelischen Konflikts erklärte nur ein Fünftel der Befragten, dass sie nach der Wahl Barack Obamas optimistischer seien. Drei von vier Palästinensern äußerten sich pessimistischer oder erklärten die Wahl mache keinen Unterschied.

Die Rolle Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und der USA hinsichtlich des palästinensische-israelischen Konflikts wird von den Befragten überwiegend negativ bewertet. Mit Frankreichs Politik äußerten sich 29% "sehr zufrieden" oder "zufrieden", bei der Bundesrepublik waren es 24, die Politik der Briten und Amerikaner erzielte nur 13 beziehungsweise 9% Zustimmung.    

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Michel Aoun in Syrien

Michel Aoun, Chef der stärksten christlichen Fraktion im libanesischen Parlament, ist heute zu einem mehrtägigen Besuch in Syrien eingetroffen. In Damaskus traf sich Aoun am Mittag mit dem syrischen Staatschef Bashar al-Assad.

Aouns Reise nach Syrien ist deshalb besonders bemerkenswert, weil der ehemalige General der libanesischen Armee während des libanesischen Bürgerkriegs einer der erbittertesten Gegner der syrischen Hegemonie im Zedernstaat war. Als selbst ernannter Ministerpräsident kämpfte er bis zuletzt gegen die syrische Armee. 

Michel Aoun war der einzige Warlord, der das Taif-Abkommen ablehnte, mit dem der Bürgerkrieg 1989 beendet wurde. Aoun kritisierte, dass darin die syrische Dominanz über den Libanon festgeschrieben und der Zeitpunkt des syrischen Abzugs offengelassen wurde. Nachdem Aoun und seine Getreuen im Oktober 1990 von der syrischen Armee geschlagen wurden, flüchtete der General aus dem Libanon und ging ins Exil nach Frankreich.  

In Paris gründete Aoun die "Freie Patriotische Bewegung" (FPM), die er seither anführt. Erst nach dem Abzug der syrischen Armee aus dem Libanon kehrte er nach 15 Jahren aus dem Exil in Paris zurück. Bei den Parlamentswahlen 2005, die kurz nach seiner Rückkehr stattfanden, errang seine Bewegung 21 Mandate. Hochrechnungen zufolge stimmten mehr als zwei Drittel der christlichen Wähler für Aouns FPM.

Anfang 2006 verblüffte Michel Aoun Freunde und Gegner durch seinen Bündnisschluss mit der Hizbollah. Die schiitische Bewegung ist ein enger Verbündeter des syrischen Regimes, von dem sie finanziert und ausgerüstet wird. Durch das "Memorandum of Understanding" mit der Hizbollah sichert sich der General jedoch zum einen die Unterstützung militärisch stärksten Miliz im Libanon und zum anderen einen Großteil der Stimmen der schiitischen Wählerschaft.

Aoun erklärte, seine Visite in Syrien solle zeigen, dass die Rivalität zwischen dem Libanon und Syrien vorbei sei. Mit dem Abzug der Syrer und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Beirut und Damaskus seien die Beziehungen beider Staaten in eine neue Phase getreten. "Die Zeit der Feindschaft ist vorbei", erklärte Aoun heute nach seinem Gespräch mit Bashar al-Assad. Er selbst verglich zuvor seinen Besuch bei Assad mit dem Charles de Gaulles bei Konrad Adenauer 1958.

Gleichzeitig machte Aoun deutlich, dass er sich ausdrücklich als Vertreter der Christen nicht nur des Libanon, sondern des gesamten Nahen Ostens versteht. In der gegenwärtigen Lage der Christen, angesichts der Verfolgungen im Irak und wiederholter Übergriffe in Ägypten, dürfe man sich nicht selbst aus der multikonfessionellen Gesellschaft ausgrenzen - so Aouns Credo. "Wir sind keine Diaspora, die von den Franzosen oder Engländern zurückgelassen wurden. Wir Christen kommen aus dieser Region."

Von Seiten seiner innenpolitischen Rivalen wurde Aoun trotz der veränderten Beziehungen mit Syrien für seine Reise scharf kritisiert. Der 73- jährige General verkaufe seine Seele und diene syrischen Interessen, so die Vorwürfe. Sie verweisen darauf, dass das Schicksal libanesischer Gefangener die nach Bürgerkriegsende nach Syrien verschleppt wurden, weiterhin ungeklärt sei. Andere loben Aouns Syrien-Besuch als Schritt in die richtige Richtung, der zeige, dass auch im Nahen Osten keine Feindschaft ewig dauern müsse.

Dienstag, 2. Dezember 2008

Zur Menschenrechtslage im Irak

Trotz verbesserter Sicherheitslage sind Menschenrechtsverletzungen im Irak unverändert an der Tagesordung. Dies geht aus einem heute von der UNO veröffentlichten Bericht zur Menschenrechtslage im Irak hervor, der die Situation im ersten Halbjahr 2008 untersucht.

Das 30-seitige Dokument, das heute vom UN-Sondergesandten Staffan de Mistura vorgestellt wurde, berichtet von gezielten Tötungen, Angriffen auf Minderheiten und Frauen, sowie weit verbreiteter Folter von Gefangenen. Besonders Regierungsangestellte, Journalisten und Rechtsanwälte seien häufig das Ziel von Angriffen. Aus der Autonomen Region Kurdistan werde zudem eine hohe Zahl so genannter "Ehrenmorde" berichtet.

Die von den USA angeführten Koalitionstruppen hielten am 30. Juni 2008, dem Ende des vom UN-Bericht dokumentierten Zeitraums, knapp 22000 Iraker gefangen. Fast 25000 weitere Häftlinge befanden sich zum gleichen Zeitpunkt im Gewahrsam der irakischen Regierung. In beiden Fällen werden Gefangene oft monatelang festgehalten, ohne einen Anwalt konsultieren zu können und ohne einem Richter vorgeführt zu werden. Die UN-Mission im Irak (UNAMI) beobachte die Nichterfüllung international anerkannter Normen mit Sorge.

Die Haftbedingungen in den Gefängnissen sein oft verheerend und die Haftanstalten um ein Vielfaches überbelegt. Zudem werde unverändert von Folterungen und Misshandlungen in irakischen Gefängnissen berichtet. Auf minderjährige Häftlinge werde keine Rücksicht genommen.

Minderheiten im Irak seien besonders häufig Ziel von Angriffen. Besonders besorgniserregend sei die Lage der Yeziden, Christen und Turkmenen im Nordirak. Führende Vertreter dieser Minderheiten wurden in der ersten Jahreshälfte entführt und ermordet. Von den mehr als 20000 Anhängern der kleinen christlichen Religionsgemeinschaft der Mandäer sind seit der US-Invasion 2003 etwa 80% aus dem Irak geflohen.

Der UN-Bericht konstatiert zudem, dass die Menschenrechtssituation im vergleichsweise ruhigen und sicheren Kurdistan keineswegs besser ist als im Rest des Landes. Kritische Journalisten würden auch hier verfolgt und die Lage in den Gefängnissen sei ähnlich verheerend wie anderswo. Besonders alarmierend: Im ersten Halbjahr 2008 wurden in Kurdistan 50 Frauen ermordet und 150 weitere teilweise verbrannt, als Opfer sogenannter Ehrverbrechen.

Montag, 1. Dezember 2008

Hariri-Tribunal beginnt am 1. März in Den Haag

Das UN-Sonder-Tribunal zur Aufklärung des Mordes am ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri soll am 1. März 2009 in Leidschendam bei Den Haag seine Arbeit aufnehmen. Dies bekräftigte UN-Generalsekretär Ban ki-Moon gestern nach Gesprächen mit dem libanesischen Regierungschef Fuad Siniora in Doha.

Unklar ist gegenwärtig noch, gegen welche Personen Anklage erhoben wird. In seinem letzten Bericht an den UN-Sicherheitsrat beschuldigte der kanadische Chefermittler Daniel Bellemare ein "kriminelles Netzwerk" hinder Tat zu stecken, ohne jedoch Namen zu nennen. Seit Mitte 2005 befinden sich vier libanesische Generäle, die als tatverdächtig gelten, in Haft. Später wurden zwei Mitarbeiter der libanesischen Mobilfunkgesellschaft Liban Cell in Untersuchungshaft genommen.

Der erste UN-Ermittler, der Berliner Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis, machte ziemlich deutlich Syrien für das Attentat auf Rafiq Hariri verantwortlich ohne jedoch zwingende Beweise vorzulegen. Seine Nachfolger Serge Brammertz und Daniel Bellemare waren mit Schuldzuweisungen zurückhaltender. Syrien selbst hat jede Verstrickung in den Anschlag, bei dem neben dem ehemaligen Regierungschef 20 weitere Menschen getötet wurden, kategorisch abgestritten aber nur zögerlich mit den Sonderermittlern kooperiert.

Das Hariri-Tribunal wird das erste von den Vereinten Nationen geleitete Gerichtsverfahren, in dem ein terroristischer Angriff auf eine einzelne Person verhandelt wird. Das Gericht wendet dabei nicht internationales Recht sondern das nationale libanesische Strafrecht an - mit der Einschränkung, dass das Gericht in Den Haag nicht die Todesstrafe aussprechen kann, die nach libanesischem Recht den Verurteilten drohen könnte.

Das Sonder-Tribunal für den Libanon ist ein "hybrides" Strafgericht, das heißt, dass internationale und libanesische Richter gemeinsam das Verfahren leiten. Unter den 11 Richtern werden 4 Libanesen sein, 7 internationale Richter werden vom UNO-Generalsekretär ernannt.

Das Sondergericht in Den Haag wird zunächst nur über das Bombenattentat auf Rafiq Hariri vom 14. Februar 2005 verhandeln. Sollten sich im Laufe des Verfahrens jedoch Zusammenhänge mit weiteren Anschlägen ergeben, die den seither erschütterten, könnten die Befugnisse des Tribunals entsprechend erweitert werden.

Freitag, 28. November 2008

Alsharq gewinnt BOB-Award 2008

Die Internetuser haben gewählt - wir haben gewonnen. Der Sieg im Online-Voting der BOB-Awards in der Kategorie "Best German Weblog" ging an "Naher und Mittlerer Osten - alsharq". Ein herzlicher Dank dafür an alle treuen Leser dieses Blogs, die für uns gestimmt haben. Die Auszeichnung freut uns sehr und ist für uns ein großer Ansporn weiterhin möglichst interessante Berichte aus der Region zu liefern. 

Der Sieg in der Jury-Wertung in unserer Kategorie ging übrigens an den Blog Mädchenmannschaft. Die Preise für den besten arabischen Blog gingen an قبل الطوفان (Online) und O7od! (Jury), bei den persischen Blogs gewannen ويولت (Online) und أزانيوس (Jury).

Allen Siegern herzlichen Glückwunsch!

(v.l.n.r.: Torsten, Christoph, Ich, Daniel; 
                         nicht im Bild Robert weil zur Zeit in Beirut)

Donnerstag, 27. November 2008

Bilder der arabischen Welt in Deutschland

Nachdem ich gestern in einem Beitrag die Diskussion auf dem Medienforum der Deutsch-Arabischen-Freundschaftsgesellschaft und der Friedrich-Ebert-Stiftung über das Bild Deutschlands in der arabischen Welt zusammengefasst dargestellt habe, soll nun der Blick umgekehrt werden. Am Dienstag debattierten deutsche und arabischen Journalisten nämlich auch darüber, welche Bilder über die arabischen Länder von deutschen Medien vermittelt werden und wie diese entstehen.

Einigkeit herrschte unter den Diskutanten darüber, dass der Fokus der deutschen Berichterstattung auf die Gefahr des islamistischen Terrorismus gerichtet sei. Nach Einschätzung der Zeitungsjournalistin Andrea Nüsse liege dies jedoch weniger daran, dass das Thema besonders "sexy" sei, sondern sei vielmehr der Furcht und dem Sicherheitsbedürfnis der deutschen Rezipienten geschuldet.

Im Übrigen sei ihre Erfahrung, dass nach den Anschlägen vom 11. September 2001 das Interesse der Deutschen am Islam und der Entwicklung der arabischen Gesellschaften gewachsen sei. Erst in den letzten Jahren, ihrer Ansicht nach seit der Ermordung des holländischen Filmemachers van Gogh, werde der Fokus wieder stärker auf das Phänomen des Terrorismus verengt. Grundsätzlich könne man eine längere Geschichte in der Zeitung aber nur unterbringen, wenn sie einen Deutschland-Bezug habe.

Das Hauptproblem für einen Nahost-Korrespondenten stellten ihrer Ansicht nach oftmals die Heimatredaktionen dar. Ihnen erscheine einer nuancierte Berichterstattung über die arabischen Länder oftmals zu komplex für den Durchschnittsleser. Geschichten abseits der großen Politik und des Nahostkonflikts seien kaum gefragt. Ein großes Problem sei zudem, dass die Reporter vor Ort ein riesiges Gebiet abdecken müssten. Für viele Medien berichtet ein einziger Korrespondent für die gesamte arabische Welt und oftmals auch noch den Iran.

Der libanesische Fernsehjournalist Bassam Abou Zeid erklärte, es werde kein vollständiges Bild vom Nahen Osten in den deutschen Medien vermittelt. Dies lege jedoch oftmals weniger an den Journalisten als an ihren Quellen und Gesprächspartnern vor Ort, die häufig selbst kein Interesse daran haben, ein vollständiges Bild ihrer Gesellschaften zu vermitteln.

Marcel Pott, langjähriger Reporter für den ARD-Hörfunk im Nahen Osten, kritisierte, dass die deutschen Medien das Phänomen des politischen Islam in seiner Vielschichtigkeit seit Jahrzehnten vernachlässigten.

Die Frage ob deutsche Medien einseitig pro-israelische berichteten verneinte Pott, erklärte aber, dass es hinsichtlich des arabisch-israelischen Konflikts bei vielen Journalisten eine Schere im Kopf gebe. Als Beispiel führte Pott ein Ereignis aus dem letzten Libanonkrieg 2006 an. Damals sei ein libanesischer Flüchtlingskonvoi, der von Journalisten der CNN, BBC und des ZDF begleitet wurde, von der israelischen Armee beschossen worden. Mehrere Menschen, darunter ein deutscher Kameramann wurden verletzt. Während die Korrespondenten von BBC und CNN ausführlich darüber berichteten, habe das ZDF den Vorfall verschwiegen.

Zuvor habe Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden und Mitglied im ZDF-Fernsehrat, die Berichterstattung des Senders als unausgewogen kritisiert, da das Leiden der israelischen Bevölkerung nicht genügend Platz finde. Die "journalistische Todsünde" des ZDF sei möglicherweise eine Folge dieser Einflussnahme, so Pott.

Weiter erklärte er, dass es Pressure Groups und Journalisten wie Henryk M Broder gebe, die Kritikern an der israelischen Besatzung und dem "territorialen Chauvinismus" Israels Krypto-Anti-Semitismus vorwerfen. Dies hab zur Folge, dass über die wachsende Aggressivität und Militanz jüdischer Siedler im Westjordanland zwar in israelischen Medien lang und breit debattiert werde, diese Entwicklung in Deutschland jedoch kein Thema sei.

Marcel Pott kritisierte zudem, dass in deutschen Medien oft leichtfertig mit bestimmten Attributen umgegangen werde. So werden mit der Bezeichnung "radikal-islamisch" so unterschiedliche Gruppierungen wie Hamas, Hizbollah und die Taliban charakterisiert, die sich in ihrem Wesen und ihrer Zielsetzung deutlich voneinander unterschieden.

Iskander el-Dick, Journalist für das arabische Programm der Deutschen Welle, bescheinigte den deutschen Medien, dass sich die Berichterstattung über die arabische Welt seit Mitte der 90er Jahre qualitativ und quantitativ deutlich verbessert habe. Gleichwohl bildeten in den Massenmedien die arabische und die islamische Welt zu oft eine Einheit. Es werde übersehen, dass sich schon Länder wie Algerien, der Libanon und Saudi-Arabien deutlich von einander unterscheiden. Insgesamt seien die deutschen Medien zu sehr darauf fixiert die Defizite des Nahen Ostens zu betonen.

Michael Kronacher, Vorstandsmitglied der DAFG, kritisierte, dass arabischen Botschaftern und Diplomaten die Bereitschaft und Professionalität fehle um etwa in Talkshows die Standpunkte ihrer Länder offensiv zu vertreten. Dem hielt el-Dick entgegen, dass umgekehrt jedoch auch den deutschen Fernsehsendern die Bereitschaft fehle, arabische Diplomaten einzuladen, da dies mit einer Aufwertung des Gastes verbunden sei.

Mittwoch, 26. November 2008

Deutschlandbilder in der arabischen Welt

Welche medial vermittelten Bilder über die arabischen Länder in Deutschland? Welches Bild von Deutschland hat man in der arabischen Welt? Diese beiden Fragen debattierten Journalisten aus Deutschland und dem Nahen Osten am Dienstag Abend auf einem Medienforum in Berlin, das von der Friedrich Ebert Stiftung (FES) und der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft (DAFG)  veranstaltet wurde.

Offen gesprochen erfuhren Zuhörer, die sich intensiver mit dem Nahen Osten befassen, wenig Neues über das Deutschlandbild in den arabischen Ländern. Dennoch sollen hier die wichtigsten Punkte, die in der gestrigen Diskussion zur Sprache kamen, kurz referiert werden, bevor ich mich morgen in einem zweiten Beitrag mit der Darstellung der Arabischen Welt in deutschen Medien befasse.

Bassam Abou Zeid, Nachrichtenjournalist beim libanesischen Fernsehsender LBC, skizzierte in einem Impulsreferat kurz das Image Deutschlands im Nahen Osten allgemein und im Libanon im Besonderen. Dabei stellte Abou Zeid wie später alle anderen arabischen Diskutanten heraus, dass das prägendste und wirkungsmächtigste Bild Deutschlands in der arabischen Welt vom Fußball und der deutschen Nationalmannschaft erzeugt werde.

In der politischen Berichterstattung werde die Bundesrepublik zunehmend als Großmacht wahrgenommen. Die arabischen Medien vermitteln das Bild, dass Deutschland großes Interesse an der Entwicklung des Nahen Ostens habe, so Abou Zeid weiter.

Die deutsche Politik hinsichtlich des Palästinakonflikts werde genau beäugt. Das dominierende Bild, das dabei in Presse und Fernsehen vermittelt werde, sei der Eindruck der ewigen Schuld Deutschlands gegenüber Israel, sei das Bild des gebeugten deutschen Politikers in Yad Vashem.

Anis Abul-Ella, Deutschlandkorrespondent des aus Dubai sendenden Nachrichtenkanals al-Arabiya, ergänzte, dass die deutsche Verantwortung gegenüber Israel in der arabischen Welt durchaus respektiert werde. Viele wünschten sich jedoch mehr Ausgewogenheit seitens der deutschen Regierung. Äußerungen Angela Merkels zur Entsendung deutscher UNIFIL-Soldaten vor der libanesischen Küste in denen sie sinngemäß erklärte: "Wir gehen in den Libanon um Israel zu schützen", stießen bei arabischen TV-Zuschauern jedoch auf großes Unverständnis so Abul-Ella.

Grundsätzlich sei das Deutschlandbild im Nahen Osten jedoch unverändert positiv. Deutschland hat keine Kolonialvergangenheit in der Region und leistet viel Entwicklungshilfe, die von den arabischen Bürgern honoriert werde.

Daneben lieferten Fernsehberichte aus Deutschland mitunter ein verstörendes Bild über das Leben in der Bundesrpublik, so der libanesische Journalist Abou Zeid. Bilder in großen Mengen Bier trinkender Menschen seien für Fernsehzuschauer im Nahen Osten genauso unverständlich wie Berichte über bunt geschmückte Schwulen- und Lesbenparaden.

Andrea Nüsse, langjährige Korrespondentin für deutsche Zeitungen in Kairo, erläuterte am Beispiel Ägyptens, dass Meldungen aus Deutschlands nur selten den Weg in nahöstliche Zeitungen finden. Die Berichterstattung beschränke sich pro Jahr im Wesentlichen auf zwei Interviews mit dem deutschen Botschafter, Meldungen über den deutsch-ägyptischen Streit um Nofretete und wenige Reportagen über das Leben von Muslimen in Deutschland.

Alyazia al-Suweidi, aus dem Vereinigten Arabischen Emiraten stammende Medien- und Kulturwissenschaftlerin an der Kingston Universität in London, merkte an, dass sich für ein realistischeres Bild Europas im Nahen Osten auch die restriktive Medienpolitik der arabischen Regierungen ändern müsse. Die arabischen Staaten müssten Bilder und Berichte aus Deutschland und Europa zulassen, die den Regierungen zwischen Nuakchott und Bagdad selbst nicht genehm sind.

Vor diesem Hintergrund kritisierte Anis Abul-Ella, dass das Internet als ungefilterter Informationsträger in Richtung der Arabischen Welt bislang sträflich vernachlässigt werde.

Dienstag, 25. November 2008

Beirut Media Forum 2008 - Ein kurzer Bericht

Zum mittlerweile 4.Mal veranstalteten am 21. November 2008 das Orient-Institut (OIB), das Institut Francais des Etudes du Proche-Orient (IFPO) sowie die Friedrich-Ebert-Stiftung(FES) das Beirut Media Forum. Das diesjährige Thema "Islamismus und Medien" ist ohne Zweifel eines der meistdiskutierten und bedeutsamsten dieser Zeit, aber eben auch so weit gefasst, dass es eine Vielzahl verschiedenster Phänomene, Akteure und Sichtweisen beinhaltet.

Der Anspruch der Konferenz bestand dann auch darin, dieses Spektrum soweit wie möglich zu fassen, inhaltlich wie methodisch. Insbesondere sollten akademische und journalistische Standpunkte zusammenkommen, schließlich bearbeiten beide Berufsgruppen dieses weite Feld, ohne sich jedoch allzu oft zu berühren. Die inhaltliche Bandbreite der Konferenz lässt sich schwer in einem Satz zusammenfassen, deshalb seien im folgenden einige markante Beiträge vorgestellt.

Ein sehr brisantes Thema schnitt gleich zu Beginn Fabrice Weissman, Forschungsdirektor bei Ärzte ohne Grenzen, an. Weissman hat für seine Organisation längere Zeit in Darfur gearbeitet und präsentierte eine sehr differenzierte Sicht der Lage. Auf der einen Seite schilderte er eindringlich die katastrophale humanitäre Lage in der Krisenregion und sprach auch explizit von Völkermord. Auf der anderen Seite kritisierte er die mediale Konstruktion der Krise, die den tatsächlichen Gründen für den Konflikt kaum entspräche. Während Darfur in der konventionellen westlichen Berichterstattung, wie auch in der (bisherigen) offiziellen amerikanischen Rhetorik entweder als Schauplatz islamistischer oder aber rassistischer Aggression repräsentiert wird, betonte Weissman die für ihn grundlegenden drei Konfliktlinien: Neben einem Zentrum-Peripherie-Gegensatz, der ja etwa auch für den Süden des Sudan zutrifft, eskalierte in Darfur auch der Gegensatz nomadischer und sesshafter Lebensweise. Insbesondere ging es laut Weissman um Land- und Besitzrechte, die von den marodierenden Reiternomaden auf Kosten der Bevölkerung Darfurs eingefordert werden. Außerdem stehe Darfur im Kontext des latenten Konflikts zwischen Libyen und Tschad, bei dem es auch auch vorrangig um Landrechte gehe. Alles im allem betonte Weissman vor allem geostrategische und weniger ideologische Gründe für den Darfur-Konflikt, machte dabei auf ein grundlegendes Dilemma aufmerksam: Denn ein grundlegend geostrategischer Konflikt mobilisiere wohl weniger Spendengelder, auf die seine Organisation so angewiesen sei, als ein zusätzlich ideologisch aufgeladener.

Die mittlerweile schier unübersichtliche Bandbreite islamischer Sender untersuchte der ägyptische Medienforscher und Journalist Husam Tammam anhand des Satellitenkanals al-Nas. Kommerz und islamische Mission scheinen hier Hand in Hand zu gehen. Neben religiösen Anrufsendungen werden allerlei nützliche und unnütze Produkte an den muslimischen Mann (und die Frau) gebracht - im Übrigen sehr zum Missfallen der traditionellen religiösen Autoritäten. Schon der populäre Massenprediger Amr Khaled untergräbt seit geraumer Zeit das von ihnen beanspruchte Feld. Ob man hierin auch eine gewisse "Demokratisierung" der Strukturen religiöser Autorität sehen kann, blieb umstritten. Schließlich, so wandte der saudische Anthropologe Saad Sowayan ein, vertreten die meisten religiösen Fernsehprediger selber ein autoritäres Wertesystem. Zudem, so Sowayan, stehen viele der neugegründeten religiösen Sender unter saudischer Kontrolle und sind dementsprechend stark von der ideologischen Ausrichtung des wahhabitischen Establishments geprägt.

Über den Umgang mit Nachrichten aus dem terroristischen Untergrund diskutierte die dpa-Korrespondentin Anne-Beatrice Clasmann. So fragte sie etwa wie Journalisten auf Erpresservideos, die beispielsweise Enthauptungen oder ähnliche Grausamkeiten zeigten, reagieren sollten. Dabei plädierte sie ausdrücklich für eine stärkere Medienregulierung, vor allem aber für einen journalistischen Verhaltenskodex. Sonst, so Classman, laufen die Medien Gefahr, sich in ihrem Wettlauf um die aktuellsten Meldungen und besten Bilder zum willigen Helfer terroristischer Gruppen zu machen.

Journalisten und Akademiker, so auch der Konsens vieler Konferenzteilnehmer, sollten voneinander lernen. So fehle es journalistischer Berichterstattung oft an Tiefe und Differenzierung, während sich die Islamwissenschaft noch mehr aus ihrem akademischen Elfenbeinturm lösen müsse, um die drängenden Fragen unserer Zeit zu beantworten.

Zum Schluss dieses kurzen Einblicks, der leider nur einen kleinen Ausschnitt der sehr vielschichtigen und kontroversen Diskussionen wiedergibt, noch ein kleiner Kritikpunkt: Obwohl alle Vortragenden über Medien sprachen, verwendete kein einziger selber Medien. Viele Themen hätten dadurch nicht bloß optisch aufgepeppt werden können, vielmehr sind mediale Beispiele essentiell, um die Wirkung von Medien überhaupt verstehen zu können. In jedem Fall wäre, bei allem Respekt vor dem Sachverstand der Vortragenden, eine mediengestützte Präsentation ein erster Schritt, um den selbst gesetzten Ansprüchen gerecht zu werden.