Montag, 5. Mai 2008

ICG-Berichte zur Lage im Irak

Die International Crisis Group (ICG) analyisert in zwei Berichten die Lage im Irak 5 Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Auswirkungen der "Surge" gelegt, also die Aufstockung der US-Truppen Anfang vergangenen Jahres. Ein erster Bericht untersucht die Folgen der Surge auf die verschiedenen sunnitischen Akteure im Irak, ein zweiter Report befasst sich mit einer möglichen neuen politischen Strategie, die eine dauerhafte Befriedung des Irak erreichen könnte.

Der erste Bericht mit dem Titel "The new Sunni Landscape" erkennt an, dass die Truppenverstärkung eine "signifikante Reduzierung der Gewalt" im Irak erreicht habe. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die USA wichtige sunnitische Stammesführer in der Provinz Anbar auf ihre Seite gezogen habe. Die gestiegene Zahl der US-Soldaten im Land habe den Druck auf die Sunniten erhöht, stärker mit den USA und der irakischen Regierung zu kooperieren.

Eine wichtige Rolle habe zudem die wachsende Verärgerung der sunnitischen Stämme über al-Qaida im Irak gespielt. Die gestiegene Zahl von Anschlägen gegen Zivilisten und die Ausrufung eines Islamischen Staates im Irak durch al-Qaida hätten schließlich zum Bruch der Stammesführer mit den zum Großteil aus dem Ausland stammenden al-Qaida-Kommandeuren geführt.

Der Bericht warnt jedoch, dass sich die Laune der sunnitischen Führer im Westirak jederzeit ändern könnte. Die Kooperation mit den US-Truppen sei aus taktischen Erwägungen heraus vollzogen worden und spiegele nicht die wirklichen Überzeugungen der sunnitischen Akteure wider. Zudem wird daruaf verwiesen, dass jede Abstimmung bislang mit den US-Truppen im Irak, nicht jedoch mit der Zentralregierung in Bagdad getroffen wurde.

Nach Einschätzung des ICG-Berichts sind die sunnitischen Widerstandsgruppen, die noch im Irak aktiv sind, zwar geschwächt aber nicht besiegt worden. Auch al-Qaida könne mit militärischen Mitteln allein nicht bezwungen werden. Viele irakische Widerstandsgruppen zeigten sich jedoch kriegsmüde und bereit, mit den US-Truppen zu verhandeln.

Der Bericht verweist jedoch auch auf Nachteile und Risiken, die durch die Allianz mit den sunnitischen Stämmen erwachsen sind. Mit der Bewaffnung und finanziellen Unterstützung der Stammesgruppen ist eine militärische Macht gebildet worden, die außerhalb der irakischen Gesetze handelt und ihren Willen mit Hilfe ihrer Waffen Anderen aufzwingen kann. Zudem haben die Stämme in unterschiedlicher Weise von der US-Hilfe profitiert - ein Umstand der in Zukunft zu bewaffneten Auseinandersetzungen innerhalb der irakischen Sunniten führen könnte.

Der zweite Bericht mit dem Titel "The Need for a New Political Strategy" untersucht, inwiefern die Surge dazu beigetragen hat, die verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen und ihre Parteien dazu zu bewegen, die wichtigsten Streitfragen des Landes zu lösen. Die Konflikte entzünden sich dabei an der Frage nach dem Staatsystem (Föderalismus oder Zentralismus), die Verteilung der Öl- und Gaseinnahmen, die Grenzen des autonomen Kudistans und dem Status der Stadt Kirkuk sowie der Frage nach dem Umgang mit ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei.

Der ICG-Report beschinigt den irakischen Politikern auf diesen Feldern nur geringe Fortschritte erzielt zu haben. Noch schwieriger als das Erreichen eines Konsenses im Parlament erweist sich jedoch die konkrete Umsetzung von Gesetzen im Land, da die Zentralregierung über weite Teile des Irak kaum Macht ausüben kann. Derzeit sei die irakische Regierung jedoch weder willens noch in der Lage die Erfolge der Surge politisch zu nutzen.

Abschließend wird die irakische Regierung aufgerufen, bis zum 1. Oktober 2008 freie und faire Kommunalwahlen zu organisieren. Über die offenen Streitfragen müssen ein umfassendes Abkommen zwischen allen wichtigen politischen Akteuren des Irak getroffen werden.

Die US-Regierung sollte die irakische Regierung bei diesen Schritten unterstützen und gleichzeitig Druck ausüben. Zudem sollten die diplomatischen Bemühungen mit den irakischen Nachrbaländern verstärkt werden, namentlich mit Syrien und dem Iran.

UN-Generalsekretär Ban ki-Moon wird aufgefordert, Wahlbeobachter in den Irak zu schicken. Daneben solle er einen Gesandten benennen, der mit irakischen Widerstandsgruppen im Irak verhandeln sollen, al-Qaida ausgenommen.

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