Donnerstag, 1. Mai 2008

Koptische Osterfeiern in England

Ein Bericht von Daniel aus Manchester:

Nicht nur am Nil, sondern auch in den zahlreichen koptischen Gemeinden außerhalb Ägyptens wurde am vergangenen Wochenende das Osterfest begangen. So auch in Heaton Chapel, einem beschaulichen und eher vornehmen Vorort im Ballungsgebiet von Greater Manchester.

Ein in Ägypten geborener Studienfreund, der an der University of Manchester momentan ein Promotionsstudium absolviert, lud mich ein den Festlichkeiten am orthodoxen Ostersonntag beizuwohnen. Nicht so ganz sicher, was mich erwarten würde, machte ich mich mit Wikipedia-aufgefrischten Basiskenntnissen über die koptische Kirche auf den Weg. Dort angekommen, war ich zunächst überrascht, dass geschätzte 300 Gemeindemitglieder das umgebaute anglikanische Gotteshaus mehr als gefüllt aussehen ließen. In einem Gespräch mit dem Priester, der mir als erste Amtshandlung sogleich die Kirche zeigte, erfuhr ich, dass es im Vereinigten Königreich 15 solcher regionalen Großgemeinden gibt, weshalb auf der Sonntagsmesse Gläubige aus ganz Nordwestengland anwesend waren.

Auffällig war vom ersten Moment an die große Lebendigkeit auf dem gesamten Kirchengelände. Auf dem Hof spielten Kinder in ManUnited Trikots Fussball, während sich die Mütter in der Küche um das Festtagsessen kümmerten und die meisten Männer über ihre Geschäfte redeten. Die ganze Situation erinnerte stark an Szenen die, denen in arabischen Ländern nicht unähnlich sind. So wurde auch die Abendmesse selbst desöfteren durch Kindergeschrei und lautes Gelächter unterbrochen, woran sich aber niemand ernstlich zu stören schien. Auch der Weihrauch, der bei der dreimaligen Umrundung des Kirchenschiffes vom Priester versprüht wurde, kam nicht so recht gegen den verlockenden, aber sehr intensiven Geruch der Moluchiya (eine traditionelle Knoblauchsuppe) an, der wie eine Wolke über dem ganzen Kirchengelände schwebte.

Möglicherweise als Geste der freiwilligen Integration, erklangen die liturgischen Texte und Lieder neben Arabisch, Griechisch und Koptisch auch in Englisch, was für ungeübte Ohren wie die meinen mitunter sehr verwirrend war, da die Sprachwechsel in abrupten Übergängen vonstatten gingen. Wie auch in Christophs Schilderung aus Kairo, saßen Männer und Frauen auf getrennten Seiten, wobei man mir im Nachhinein erklärte die Sitzordnung, wie auch das von den meisten Frauen getragene Kopftuch seien nicht obligatorisch und stark von der Meinung des jeweiligens Gemeindepriesters abhängig.

Den wichtigsten Teil des Abends stellte das gemeinsame Essen dar, wobei ich als unverheirateter Gast sogleich als Kellner angeheuert wurde und ich mir geschickt meinen Weg, beladen mit Tabletts voll von arabischen Köstlichkeiten, durch das übervolle Gemeindehaus, vorbei an allerlei Kinderspielzeug und Fussbällen bahnen musste. Bevor mit dem Essen begonnen wurde, zeigte der überaus technikversierte Priester eine PowerPoint Präsentation, welche die Pilgerreise eines Teils der Gemeinde zu den wichtigsten Klöstern in Ägypten dokumentierte.

Während des Essens erzählten mir einige der Tischnachbarn, ihre jeweilige Lebensgeschichte und was für Gründe es waren, die sie veranlassten ihre ägyptische Heimat zu verlassen. Bemerkenswert fand ich die Aussagen eines in den 70er Jahren emigrierten Geschäftsmannes, der in den Streikversuchen der letzten Wochen, die sich gegen die Erhöhung der Lebensmittelpreise richteten, ein zartes Aufkommen basisdemokratischen Bewusstseins seiner ägyptischen Landsleute zu erkennen glaubt. Nach diesem opulenten und köstlichen Mahl verließ ich die Feier nach gut 4 Stunden mit gefülltem Magen und dem Eindruck, dass sich die koptischen Gläubigen nicht zuletzt wegen der nicht nur theoretisch gewährten Religionsfreiheit in Großbritannien zu Hause fühlen und die Kirche der Ort ist, an dem alte Traditionen konserviert werden.

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