Nachdem die Milizen der libanesischen Opposition Westbeirut unter ihre Kontrolle gebracht haben, greifen die Kämpfe nun auf andere Landesteile über. Im mehrheitlich sunnitischen Region Akkar und in Tripoli lieferten sich offenbar Anhänger der pansyrischen SSNP und der Mustaqbal-Bewegung Kämpfe bei denen mehrere Menschen getötet wurden. In der Nacht sollen in den Chouf-Bergen bis zu sieben Hizbollah-Kämpfer bei Gefechten mit Anhängern der drusischen PSP von Walid Jumblatt ums Leben gekommen sein. Auf seiten der PSP starben zwei demnach 2 Kämpfer.
Beunruhigende Nachrichten kommen auch aus dem Beiruter Stadtteil Tarek Jdeideh. Hier soll der Trauerzug der Beerdigung eines gestern getöteten Mustaqbal-Kämpfers von einem Milizionär der schiitischen Amal beschossen worden sein. Dabei seien 2 Menschen ums Leben gekommen, die Amal, angeführt von Parlamentssprecher Nabih Berri, dementiert jede Beteiligung. Eine derartige Gewalttat hätte eine neue Qualität. Im bisherigen Verlauf der Kämpfe hatten es beide Seiten bislang zumindest nicht vorsätzlich Zivilisten unter Feuer genommen. Angriffe auf Beerdigungen kannte man bislang nur aus dem Irak.
Unterdessen mehren sich die Zeichen, dass das Regierungslager sich in ihrer Konfrontation mit der Hizbollah verspekulierte und die Reaktion der Opposition auf den Beschluss, das Telekommunikationsnetz der Hizbollah lahmzulegen unterschätzte. Nicht zuletzt beging die Regierungsseite offenbar den Fehler, den Beteuerungen der Hizbollah zu glauben, die Waffen niemals gegen andere Libanesen zu richten. Nach Einschätzung des Politologen Asad Abu Khalil fehlte den Mustaqbal-Kämpfern auf seiten der Regierung neben der Erfahrung auch eine Ideologie, für die es sich zu kämpfen lohne.
Die Opposition präsentiert die Einnahme Westbeiruts als eine Kampagne gegen die korrupte Regierung, die ausschließlich amerikanischen Interessen verpflichtet sei. Nachdem die Blockade des Stadtzentrums und Großdemonstrationen keine Erfolg gebracht hätten, habe man nun zu stärkeren Mitteln greifen müssen.
Nachdem die Regierung nun weiter paralyisert wurde stellt sich die Frage, wie ihre internationalen Unterstützer, besonders die USA, Frankreich und Saudi-Arabien auf die Ereignisse reagieren werden. US-Außenministerin Condoleezza Rice versprach der Regierung jede Unterstützung, dennoch scheint es gegenwärtig höchst unwahrscheinlich, dass US-Soldaten in den Libanon geschickt werden. In jedem Fall ist in den letzten Tagen deutlich geworden, dass gegen den Willen der Hizbollah keine wichtige Entscheidung im Libanon getroffen werden kann.
Ministerpräsident Siniora schlug in einer TV-Ansprache heute Nachmittag einen 5-Punkte-Plan vor, der die Umsetzung der jüngsten Regierungsbeschlüsse in die Hände der Armeeführung legt und die Bildung einer Regierung vorsieht, "in der keine Seite der anderen ihre Ansichten aufzwingen kann." Nach jetzigem Stand ist scheint es unwahrscheinlich, dass die Hizbollah sich darauf einlassen wird.
Samstag, 10. Mai 2008
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