Freitag, 2. Mai 2008

2 Monate in Kairo - Rueckblick und Ausblick

Zwei Monate in Aegypten gehen in wenigen Stunden fuer mich zu Ende, in wenigen Stunden steige ich ins Flugzeug nach Berlin – Zeit fuer ein paar abschliessende Bemerkungen. Ich gebe zu, der Text ist ziemlich lang geworden, wie immer lohnt sich jedoch das Lesen.:

Zwei Fragen, die ich mir in den letzten Wochen oft gestellt habe war: “Wie lange kann das noch gutgehen? Wie wird es hier in 5 oder 10 Jahren aussehen?” Kairo platzt aus allen Naehten, die Strassen sind schon jetzt hoffnungslos ueberfuellt und noch immer werden Tag fuer Tag tausende neue Autos zugelassen. Viele Haueser wirken marode und drohen zu verfallen und in den zahlreichen Elendsvierteln der Stadt entstehen weiter hunderttausende Haeuser ohne Baugenehmigung und nicht selten ohne Strom, Wasser und Anschluss an die Kanalisation. Auch wenn sich das Bevoelkerungswachstum stetig verlangsamt, steigt die Zahl der Aegypter pro Jahr um etwa 1 Million. Jeder Staat haette Probleme damit umzugehen, Aegypten sieht sich dieser Entwicklung ziemlich hilflos gegenueber.

Jahr fuer Jahr verlassen knapp 400000 Hochschulabsolventen die aegyptischen Universitaeten und stroemen auf den Arbeitsmarkt. Die Folge ist eine aufgeblaehte Buerokratie, die wenigstens einem Teil der Uni-Absolventen einen schlecht bezahlten aber sicheren Job bietet. Dennoch hat man das Gefuehl, dass Aegypten seine Ressourcen und Potentiale verschleudert. So trifft man auf Germanistik-Studenten, die glaenzend Deutsch sprechen und nun als Kellner arbeiten, da sie keinen Job gefunden haben, der ihnen ein Auskommen sichert. Oder man laesst sich von einem Professor der Ain-Shams-Universitaet durch Kairo chauffieren, der am Abend das Taxi seines Cousins faehrt um sein karges Professorengehalt aufzubessern.

Junge Aegypter der Mittel- und Oberschicht, mit denen ich in den vergangenen 2 Monaten gesprochen habe, sind frustriert von der wirtschaftlichen Stagnation ihres Landes, das den Anschluss an die Staaten der Arabischen Halbinsel laengst verloren hat. Die Buerokratie und die grassierende Korruption verschlaengen Milliarden,die wichtigsten Unternehmen des Landes befaenden sich in der Hand weniger Familien mit besten Beziehungen zum Mubarak-Clan und den Anschluss ans Zeitalter von Internet und IT-Technologie habe Aegypten komplett verschlafen. Viele betrachten die letzten Jahre unter Praesident Sadat, dessen Infitah-Politik die Mittelschicht staerkte und in denen nach dem Camp-David-Abkommen amerikanisches Geld nach Aegypten floss, als die Besten und wirtschaftlich Erfolgreichsten der juengeren aegyptischen Geschichte.

Vielleicht gibt es kein besseres Symbol fuer den scheinbaren Stillstand, den Aegypten in den letzten Jahren erlebt, als die Portraits des Praesidenten Husni Mubarak, die einen drahtigen Mann um die 50 zeigen. Am Sonntag feiert Mubarak seinen 80.Geburtstag. Ueber seinen Gesundheitszustand ranken sich viele Geruechte. Journalisten, die ueber diese Geruechte schreiben werden ins Gefaengnis gesteckt. Fest steht jedoch, dass in den naechsten 5 Jahren - wahrscheinlich nach Ende der aktuellen Amtszeit 2011 - ein Nachfolger fuer den seit 1981 herrschenden Rais gefunden werden muss. Derzeit spricht vieles dafuer, dass das “syrische Modell” Anwendung in Aegypten finden wird. So wie 2000 Bashar al-Assad die Nachfolge seines verstorbenen Vaters Hafiz an der Spitze des Staates antrat, duerfte Gamal Mubarak in die Fussstapfen seines Vaters treten, auch wenn derartige Plaene bislang dementiert wurden.

Anlaesslich des Geburtstags von Mubarak haben Oppositionsgruppen erneut zu einem Generalstreik aufgerufen um gegen die steigenden Lebensmittelpreise zu demonstrieren und allgemein ihre Unzufriedenheit mit der Regierung zu artikulieren. Die Brotkrise mag in den naechsten Monaten voruebergehen, sollten die Preise fuer Weizen und Reis wieder fallen, dennoch wartet auf Gamal Mubarak, Jahrgang 1963, ein schwieriges Erbe. Sein Vater antwortete auf wachsenden Unmut gegenueber seinem Regime mit einem praktisch vollstaendigen Abbruch des ohnehin nur sehr halbherzig in die Wege geleiteten Demokratisierungsprozesses, nachdem bei den Parlamentswahlen 2005 die Muslimbrueder trotz massiver Behinderungen ueberraschend stark waren. Vor den Kommunalwahlen am 8. April wurden hunderte Muslimbrueder, die sich fuer die Wahl registrieren lassen wollten, festgenommen. Die Wahlen selbst wurden schliesslich von den Islamisten boykottiert und gerieten zur Farce – nach Angaben unabhaengiger Wahlbeobachter lag die Wahlbeteiligung bei unter 1%.

Bei Wahlen sind die Muslimbrueder, seit 1954 offiziell verboten, auf Grund staatlicher Manipulationen und Behinderungen bislang nicht ueber Achtungserfolge hinausgekommen. Erfolgreicher scheint die Bewegung, bei der von ihr angestrebten Islamisierung der aegyptischen Gesellschaft zu sein. Schon in meinem ersten Beitrag aus Kairo hatte ich darueber geschrieben, dass Aegypten im Vergleich zu Syrien oder dem Libanon (ohnehin ein Sonderfall in der Region) weitaus konservativer erscheint. Dieser Eindruck hat sich in den vergangenen Wochen weiter verfestigt. Im Stadtbild Kairos sind Aufkleber oder Graffiti allgegenwaertig, die mahnen, bei allem Tun und Handeln stets an Gott zu denken und Frauen auffordern sich zu verschleiern. Vielen Aegyptern scheint es zudem enorm wichtig ihre Religioesitaet nach Aussen zu demonstrieren. So schliessen viele Laeden waehrend der Gebetszeiten und die Angestellten beten gemeinsam auf dem Buergersteig. Familien beten gemeinsam in aller Oeffentlickeit, egal ob an der Corniche von Alexandria oder in Parks in Kairo um so ihre Froemmigkeit zur Schau zu stellen.

Ohne Uebertreibung kann man zudem sagen, dass in den meisten Gespraechen mit Aegyptern die Frage nach meinem Glauben direkt auf die Frage nach meiner Herkunft folgte. “Inta Muslim? – Bist du Muslim?”, wollten Taxifahrer, Kinder auf der Strasse, Leute die neben mir im Minibus schwitzten oder Imbissbudenbesitzer in den ersten 30 Sekunden unseres Kennenlernens wissen. Viele gaben sich mit meiner nicht ganz ehrlichen Antwort “Ich bin Christ” zufrieden, andere insisterten und aeusserten ihr Unverstaendnis darueber, dass ich nicht laengst zum Islam konvertiert sei. Nur so sei mir ein Platz im Paradies sicher. In einigen Faellen entwickelten sich daraus ganz interessante Gespraeche ueber Unterschiede zwischen Christentum und Islam oder die Kontroverse um die Muhammad-Karikaturen aus Daenemark. Zweimal wurden die Unterhaltung von Seiten der Aegypten nach einiger Zeit jedoch mit solcher Ernsthaftigkeit und Schaerfe gefuehrt, die das Gespraech nicht laenger zu einem Vergnuegen machten.

Mit meinem Vornamen Christoph konnte ich mich im Uebrigen noch gluecklich schaetzen und Missverstaendnisse vermeiden. Anders erging es meinem Freund Christian in Kairo. Wenn er sich mit den Worten vorstellte: “Ich bin Christian”, kam es vor, dass sein aegyptischer Gespraechspartner antwortete “Angenehm. Ich bin Muslim.”

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Sehr interessanter und treffender Beitrag über Kairo. Da wird dir Berlin jetzt sicher wie eine Kleinstadt vorkommen ;)