Ein Beitrag von S. Alexander
Seit der Berlinale 2011 weiß wohl ein Großteil der deutschen Öffentlichkeit vom Schicksal des iranischen Regisseurs Jafar Panahi, der in seiner Heimat zu einer sechsjährigen Haftstrafe und 20-jährigem Berufsverbot verurteilt worden ist. Sein Verbrechen: er produziert Filme. In den Demokratien dieser Welt würde man solch einen Menschen für seine Werke feiern und ihn seine Arbeit machen lassen. Im Iran ist das anders. Dort werden die klügsten Köpfe des Landes – zumindest diejenigen, die die religiöse Ideologie der Islamischen Republik nicht zu hundert Prozent vertreten oder die moralischen Grenzen des Landes zu überwinden versuchen – in die Gefängnisse abgeschoben, oft ohne ordentliche Prozesse und ohne Rechtsbeistand. Dass die meisten international bekannten iranischen Intellektuellen im Ausland leben und an ausländischen Universitäten lehren, oft in den USA, muss ja schließlich seinen Grund haben.
Panahi ist einer der vielen, die an das Gute der Islamischen Republik geglaubt haben und letztendlich doch vom Bösen eingeholt wurden. Zu diesen Iranern gehören auch die AIDS- und HIV-Ärzte Kamiar und Arash Alaei. Sie sind international bekannte und anerkannte Spezialisten auf ihrem Gebiet. Die Brüder waren maßgeblich daran beteiligt, dass der Iran im Feld der AIDS/HIV-Prävention und -Behandlung im Nahen und Mittleren Osten vor der Zeit Ahmadinejads eine führende Rolle eingenommen hat. Das von ihnen mitentwickelte AIDS/HIV-Gefängnisprogramm ist eines der besten in der Region. Vom Stellvertreter des ehemaligen iranischen Präsidenten Khatami und dem ehemaligen iranischen Justizchef und Gesundheitsminister erhielten sie verschiedene Auszeichnungen für ihre Arbeit. Trotzdem wurden die beiden Kurden im Juni 2008 verhaftet und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Dr. Kamiar Alaei wurde am 21. März 1974 in Teheran geboren. Bei seiner Verhaftung stand er kurz vor dem Abschluss einer weiteren Promotion an der Albany School of Public Health der State University of New York (SUNY). Er hatte vor, seine Studien im September 2008 zu beenden. Kamiar Alaei hat an der Universität Harvard im Bereich "International Health" promoviert. Er ist der ehemalige Geschäftsführer der „Pars Institution“, einer iranischen Nichtregierungsorganisation, deren Ziel die Prävention und Behandlung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten sowie die Unterstützung von auf HIV-positiv getesteten Personen, ist. Er wurde von der in den USA ansässigen Nichtregierungsorganisation "Asia Society" als Mitglied aufgenommen. Ziel dieser Organisation ist die Verbesserung der Beziehungen zwischen den asiatischen Staaten und den USA. In der Begründung heißt es, dass er "eines von 23 neuen Mitgliedern ist, die zu den vielversprechendsten, richtungsweisenden Persönlichkeiten und jungen Führungskräften im asiatisch-pazifischen Raum gehören".
Dr. Arash Alaei wurde am 11. September 1969 ebenfalls in Teheran geboren. Er ist der ehemalige Direktor der Internationalen Ausbildungs- und Forschungsgesellschaft des Iranischen Forschungsinstituts für Tuberkulose und Lungenkrankheiten. Beide sind oder waren politisch nicht aktiv.
Seit Mitte der 1990er Jahre waren die Brüder Alaei im Iran im Bereich der Prävention und Behandlung von AIDS und HIV tätig. Bekannt wurden sie für ihr Konzept der sogenannten „Dreieckskliniken“. Diese von den Alaeis gegründeten Dreieckskliniken gibt es im Iran seit 1998, als der Reformer Mohammad Khatami noch iranischer Präsident war. Das Konzept dieser Kliniken zeichnet sich dadurch aus, dass AIDS, sexuell übertragbare Krankheiten und Drogensucht unter einem Dach betreut und behandelt werden. Auf die Idee kamen die Brüder Alaei, als sie 1996 in Kermanshah durch Untersuchungen entdeckten, dass im Gefängnis der Stadt die Zahl der HIV-Infizierten sehr hoch war. Ihre Idee in Kermanshah eine AIDS-Klinik zu eröffnen, scheiterte trotz anfänglicher Erfolgsaussichten am Wahlkampf. Damals war Mohammad Khatami Herausforderer des iranischen Präsidenten Rafsanjani. Zwei Jahre später kehrten die beiden Brüder jedoch mit der Idee der Dreieckskliniken zurück in die Stadt. Nachdem ihr erster Versuch 1996 noch gescheitert war, profitierten sie 1998 von der liberaleren Politik Khatamis und konnten erfolgreich ihr erstes Behandlungszentrum eröffnen. Zunächst mussten sie sich mit einem kleinen Raum im Krankenhaus von Kermanshah zufrieden geben. Da dieser Behandlungsraum jedoch nicht öffentlich werden durfte, wurde nur ein unauffälliges Schild mit dem Wort „Beratung“ an die Tür gehängt. Inzwischen gibt es im Iran 40 Dreieckskliniken und 25 weitere in Gefängnissen. 2004 waren sie sogar im 5-Jahres-Plan der Regierung vorgesehen.
Darüber hinaus veranstalteten die Brüder auch Trainingskurse für afghanische und tadschikische Mediziner und versuchten ihre Konzepte durch regionale Kooperation in zwölf andere Länder des Nahen und Mittleren Ostens sowie Zentralasiens zu verbreiten.
Das AIDS/HIV-Problem im Iran hängt sehr stark mit dem Drogenmissbrauch im Iran zusammen. Die Drogenpolitik und später die auch die AIDS-Politik im Iran hat sich in den letzten hundert Jahren stetig gewandelt. Angesichts der Tatsache, dass der Iran eines der wichtigsten Transitländer für Drogenschmuggel weltweit ist, ist auch das Drogenproblem im Land sehr groß. Das Land hat gemessen an der Bevölkerung prozentual eine der höchsten Raten an Drogenkonsumenten weltweit. Nach Angaben der Vereinten Nationen von 2009 beträgt der Anteil an Konsumenten von Drogen zwischen 1,7 und 2,8% an der Gesamtbevölkerung. Nach Angaben des Teheraner Polizeichef Hossein Sajedinia vom Juli 2010, sollen in Teheran sogar etwa 5% der Bevölkerung drogenabhängig sein.
Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war Opiumkonsum im Iran weit verbreitet und akzeptiert. Im Jahr 1949 konsumierten geschätzte 11% der iranischen Bevölkerung Opiate. Erst 1966 verbot die Regierung Drogenanbau und -konsum. Drogenabhängige wurden stark kriminalisiert und Delikte unter hohe Strafen gestellt. Bis die Drogenpolitik im Iran sich Ende der 1970er zaghaft liberalisierte, war der Fokus noch auf Entgiftung statt auf nachhaltige Behandlung gerichtet. Nach der Islamischen Revolution 1979 wandelte sich die iranische Drogenpolitik wieder. Behandlungszentren und -einrichtungen wurden geschlossen und Drogenkonsumenten rigoros durch Sondereinheiten verfolgt und nicht selten mit dem Tod bestraft. Nach der Machtübernahme Ayatollah Khomeinis wurde die Bekämpfung des Drogentransits nicht mehr adäquat weitergeführt. Der Drogenschmuggel durch den Iran nahm dadurch wieder erheblich zu.
Das erste Mal mit dem HIV-Problem wurde die iranische Regierung 1989 konfrontiert, als sie 200.000 Drogenkonsumenten in Arbeitslager schickte. Unter den Gefangenen breitete sich HIV sehr schnell aus und die Arbeitslager wurden wieder aufgelöst. Durch den immer größer werdenden Anteil von Heroin auf dem Drogenmarkt, das intravenös verabreicht wird, stieg die HIV-Infektionsrate stark an. Ab 1990 wurden erneut Veränderungen in der Drogenpolitik sichtbar. Es wuchs die Einsicht, dass Sucht eine Krankheit ist und dass nachhaltige Behandlungen den Drogenkonsum und den Drogenverkehr im Iran senken könnten. Es wurden wieder Behandlungszentren für Drogensüchtige eröffnet. 1994 wurden im Iran durch aus den USA zurückgekehrte Exil-Iraner nach amerikanischem Vorbild die „Anonymen Drogensüchtigen“ gegründet, was von der Regierung nicht behindert wurde. Seit 1997 suchten iranische Ärzte, darunter die Brüder Alaei, und iranische Institutionen die internationale Zusammenarbeit, u.a. mit Non-Profit-Organisationen in den USA. 1998 wurde von staatlicher Seite in Zusammenarbeit mit dem United Nations Office of Drug and Crime ein Situationsbericht zum Drogenmissbrauch veröffentlicht. Inzwischen gibt es im Iran auch Nichtregierungsorganisationen, die sich um Drogenkonsumenten kümmern und von der Regierung Khatami unterstützt wurden und auch unter Präsident Ahmadinejad weiter unterstützt werden.
Das Iranian National Drug Control Headquarters (DCHQ) kontrolliert und organisiert neben der Grenzsicherung gegen Drogeneinfuhr auch alle anderen Organisationen, Veranstaltungen und Tätigkeiten bezüglich Drogen. Eines der größten Probleme im Iran bleiben die Gefängnisse, in denen die Zahl der Drogenabhängigen und damit auch die Zahl der HIV-Infizierten sehr hoch ist. Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal und das Risiko sich mit HIV zu infizieren ist erschreckend hoch, da Drogenkonsumenten nach iranischen Angaben ca. 70% der Gefangenen ausmachen. Im Durchschnitt sollen von den Drogenkonsumenten in iranischen Gefängnissen 63% HIV-positiv sein. Eines der Ziele der Brüder Alaei war unter anderem diese Situation mit ihrem Gefängnisprogramm zu verbessern. Erst 2003 wurde allerdings in Gefängnissen damit begonnen, Präventionsmaßnahmen durchzuführen. Hatte sich die Diskussion im Iran gegenüber Drogen und AIDS also seit 1990 wieder geöffnet und war die Drogenpolitik seitdem offener und säkularer geworden, so hat sich diese Entwicklung unter der Regierung von Mahmud Ahmadinejad seit 2005 jedoch wieder umgekehrt. Diese wurde den Brüdern Kamiar und Arash Alaei zum Verhängnis.
Arash Alaei wurde am 26. Juni 2008 verhaftet. Am Morgen des 27. Juni 2008 brachten Sicherheitskräfte ihn zum Haus seiner Mutter, wo sie seinen Bruder Kamiar verhafteten und Dokumente sicherstellten. Zwei Monate lang gab es keinen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort. Sie wurden beide in das Evin-Gefängnis in Teheran gebracht, wo sie sechs Monate lang auf eine Anklage warten mussten. Am 31. Dezember 2008 wurde gegen die Brüder unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Verfahren eröffnet. Der Prozess entsprach nicht internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. So hatte man den Angeklagten nicht alle Beweismaterialien offengelegt und ihre Verteidigung hatte nicht das Recht, Zeugen in den Zeugenstand zu rufen und diese zu befragen. Außerdem waren die Brüder zum Zeitpunkt des Prozesses fünf Monate länger in Haft, als in der iranischen Strafprozessordnung vorgesehen. Artikel 33 der Strafprozessordnung schreibt vor, dass Fälle innerhalb eines Haftmonats abgeschlossen sein müssen. Verlängerungen dieser Frist können angeordnet werden, jedoch ist im Fall Alaei weder klar, ob diese Anordnungen dokumentiert wurden, noch ob die Brüder die Möglichkeit hatten, diese Anordnungen anzufechten. Die Anklageschrift zitiert Artikel 508 des iranischen Strafgesetzes, demzufolge jeder, der mit feindlichen Staaten gegen die Islamische Republik kooperiert, zu Haftstrafen zwischen einem und zehn Jahren zu verurteilen ist, sofern er nicht der „Feindschaft gegen Gott“ (Mohareb) angeklagt ist, die im Iran mit dem Tod bestraft werden kann. „Feindschaft gegen Gott“ war im Fall der Brüder Alaei jedoch nicht Teil der Anklage.
Der Anwalt der beiden, Masoud Shafei, wies nach, dass die USA nach der üblichen Rechtssprechung im Iran kein feindlicher Staat im Sinne der Anklage sind. Es wurden Präzedenzfälle aus mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes angeführt, bei denen die USA nicht als feindlicher Staat angesehen wurden. Die beiden Ärzte wurden am 19. Januar 2009 darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie nach Artikel 508 des iranischen Strafgesetzes wegen der "Zusammenarbeit mit feindlichen Regierungen" verurteilt wurden. Nach Auskunft ihres Anwalts haben die Brüder Alaei jedoch in keiner Weise mit der US-Regierung zusammengearbeitet, sondern lediglich mit einigen wissenschaftlichen Stiftungen und Institutionen. Arash Alaei wurde zu sechs Jahren Haft, Kamiar Alaei zu drei Jahren Haft verurteilt. Die beiden Ärzte sind weiterhin im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis inhaftiert. Es gibt Informationen, dass beide einige Zeit in Einzelhaft verbringen mussten. Ihnen ist es erlaubt Besuch von ihrer Familie zu bekommen. Nach Aussagen ihres Anwalts berichten sie jedoch über Einschränkungen im Gefängnis, können diese aber nicht genauer benennen, um ihre derzeitigen Haftbedingungen nicht zu verschlechtern.
Zu den im Gefängnis schmorenden Iranern gehören also nicht nur Künstler, Menschenrechtsaktivisten und Rechtsanwälte, sondern auch Wissenschaftler und Ärzte, deren Ziel einfach nur die Verbesserung der Lebenssituation aller Iraner ist und die keinerlei Interesse daran haben, sich für oder gegen das iranische Regime zu entscheiden. Das Schicksal der Brüder Alaei ist ein Beispiel dafür, dass die herrschende Elite im Iran es auf die klügsten Köpfe ihres Landes in allen Bereichen des Lebens abgesehen hat und niemand im Land, ob politisch oder unpolitisch, verschont bleibt.
Seit der Berlinale 2011 weiß wohl ein Großteil der deutschen Öffentlichkeit vom Schicksal des iranischen Regisseurs Jafar Panahi, der in seiner Heimat zu einer sechsjährigen Haftstrafe und 20-jährigem Berufsverbot verurteilt worden ist. Sein Verbrechen: er produziert Filme. In den Demokratien dieser Welt würde man solch einen Menschen für seine Werke feiern und ihn seine Arbeit machen lassen. Im Iran ist das anders. Dort werden die klügsten Köpfe des Landes – zumindest diejenigen, die die religiöse Ideologie der Islamischen Republik nicht zu hundert Prozent vertreten oder die moralischen Grenzen des Landes zu überwinden versuchen – in die Gefängnisse abgeschoben, oft ohne ordentliche Prozesse und ohne Rechtsbeistand. Dass die meisten international bekannten iranischen Intellektuellen im Ausland leben und an ausländischen Universitäten lehren, oft in den USA, muss ja schließlich seinen Grund haben.
Panahi ist einer der vielen, die an das Gute der Islamischen Republik geglaubt haben und letztendlich doch vom Bösen eingeholt wurden. Zu diesen Iranern gehören auch die AIDS- und HIV-Ärzte Kamiar und Arash Alaei. Sie sind international bekannte und anerkannte Spezialisten auf ihrem Gebiet. Die Brüder waren maßgeblich daran beteiligt, dass der Iran im Feld der AIDS/HIV-Prävention und -Behandlung im Nahen und Mittleren Osten vor der Zeit Ahmadinejads eine führende Rolle eingenommen hat. Das von ihnen mitentwickelte AIDS/HIV-Gefängnisprogramm ist eines der besten in der Region. Vom Stellvertreter des ehemaligen iranischen Präsidenten Khatami und dem ehemaligen iranischen Justizchef und Gesundheitsminister erhielten sie verschiedene Auszeichnungen für ihre Arbeit. Trotzdem wurden die beiden Kurden im Juni 2008 verhaftet und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Dr. Kamiar Alaei wurde am 21. März 1974 in Teheran geboren. Bei seiner Verhaftung stand er kurz vor dem Abschluss einer weiteren Promotion an der Albany School of Public Health der State University of New York (SUNY). Er hatte vor, seine Studien im September 2008 zu beenden. Kamiar Alaei hat an der Universität Harvard im Bereich "International Health" promoviert. Er ist der ehemalige Geschäftsführer der „Pars Institution“, einer iranischen Nichtregierungsorganisation, deren Ziel die Prävention und Behandlung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten sowie die Unterstützung von auf HIV-positiv getesteten Personen, ist. Er wurde von der in den USA ansässigen Nichtregierungsorganisation "Asia Society" als Mitglied aufgenommen. Ziel dieser Organisation ist die Verbesserung der Beziehungen zwischen den asiatischen Staaten und den USA. In der Begründung heißt es, dass er "eines von 23 neuen Mitgliedern ist, die zu den vielversprechendsten, richtungsweisenden Persönlichkeiten und jungen Führungskräften im asiatisch-pazifischen Raum gehören".
Dr. Arash Alaei wurde am 11. September 1969 ebenfalls in Teheran geboren. Er ist der ehemalige Direktor der Internationalen Ausbildungs- und Forschungsgesellschaft des Iranischen Forschungsinstituts für Tuberkulose und Lungenkrankheiten. Beide sind oder waren politisch nicht aktiv.
Seit Mitte der 1990er Jahre waren die Brüder Alaei im Iran im Bereich der Prävention und Behandlung von AIDS und HIV tätig. Bekannt wurden sie für ihr Konzept der sogenannten „Dreieckskliniken“. Diese von den Alaeis gegründeten Dreieckskliniken gibt es im Iran seit 1998, als der Reformer Mohammad Khatami noch iranischer Präsident war. Das Konzept dieser Kliniken zeichnet sich dadurch aus, dass AIDS, sexuell übertragbare Krankheiten und Drogensucht unter einem Dach betreut und behandelt werden. Auf die Idee kamen die Brüder Alaei, als sie 1996 in Kermanshah durch Untersuchungen entdeckten, dass im Gefängnis der Stadt die Zahl der HIV-Infizierten sehr hoch war. Ihre Idee in Kermanshah eine AIDS-Klinik zu eröffnen, scheiterte trotz anfänglicher Erfolgsaussichten am Wahlkampf. Damals war Mohammad Khatami Herausforderer des iranischen Präsidenten Rafsanjani. Zwei Jahre später kehrten die beiden Brüder jedoch mit der Idee der Dreieckskliniken zurück in die Stadt. Nachdem ihr erster Versuch 1996 noch gescheitert war, profitierten sie 1998 von der liberaleren Politik Khatamis und konnten erfolgreich ihr erstes Behandlungszentrum eröffnen. Zunächst mussten sie sich mit einem kleinen Raum im Krankenhaus von Kermanshah zufrieden geben. Da dieser Behandlungsraum jedoch nicht öffentlich werden durfte, wurde nur ein unauffälliges Schild mit dem Wort „Beratung“ an die Tür gehängt. Inzwischen gibt es im Iran 40 Dreieckskliniken und 25 weitere in Gefängnissen. 2004 waren sie sogar im 5-Jahres-Plan der Regierung vorgesehen.
Darüber hinaus veranstalteten die Brüder auch Trainingskurse für afghanische und tadschikische Mediziner und versuchten ihre Konzepte durch regionale Kooperation in zwölf andere Länder des Nahen und Mittleren Ostens sowie Zentralasiens zu verbreiten.
Das AIDS/HIV-Problem im Iran hängt sehr stark mit dem Drogenmissbrauch im Iran zusammen. Die Drogenpolitik und später die auch die AIDS-Politik im Iran hat sich in den letzten hundert Jahren stetig gewandelt. Angesichts der Tatsache, dass der Iran eines der wichtigsten Transitländer für Drogenschmuggel weltweit ist, ist auch das Drogenproblem im Land sehr groß. Das Land hat gemessen an der Bevölkerung prozentual eine der höchsten Raten an Drogenkonsumenten weltweit. Nach Angaben der Vereinten Nationen von 2009 beträgt der Anteil an Konsumenten von Drogen zwischen 1,7 und 2,8% an der Gesamtbevölkerung. Nach Angaben des Teheraner Polizeichef Hossein Sajedinia vom Juli 2010, sollen in Teheran sogar etwa 5% der Bevölkerung drogenabhängig sein.
Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war Opiumkonsum im Iran weit verbreitet und akzeptiert. Im Jahr 1949 konsumierten geschätzte 11% der iranischen Bevölkerung Opiate. Erst 1966 verbot die Regierung Drogenanbau und -konsum. Drogenabhängige wurden stark kriminalisiert und Delikte unter hohe Strafen gestellt. Bis die Drogenpolitik im Iran sich Ende der 1970er zaghaft liberalisierte, war der Fokus noch auf Entgiftung statt auf nachhaltige Behandlung gerichtet. Nach der Islamischen Revolution 1979 wandelte sich die iranische Drogenpolitik wieder. Behandlungszentren und -einrichtungen wurden geschlossen und Drogenkonsumenten rigoros durch Sondereinheiten verfolgt und nicht selten mit dem Tod bestraft. Nach der Machtübernahme Ayatollah Khomeinis wurde die Bekämpfung des Drogentransits nicht mehr adäquat weitergeführt. Der Drogenschmuggel durch den Iran nahm dadurch wieder erheblich zu.
Das erste Mal mit dem HIV-Problem wurde die iranische Regierung 1989 konfrontiert, als sie 200.000 Drogenkonsumenten in Arbeitslager schickte. Unter den Gefangenen breitete sich HIV sehr schnell aus und die Arbeitslager wurden wieder aufgelöst. Durch den immer größer werdenden Anteil von Heroin auf dem Drogenmarkt, das intravenös verabreicht wird, stieg die HIV-Infektionsrate stark an. Ab 1990 wurden erneut Veränderungen in der Drogenpolitik sichtbar. Es wuchs die Einsicht, dass Sucht eine Krankheit ist und dass nachhaltige Behandlungen den Drogenkonsum und den Drogenverkehr im Iran senken könnten. Es wurden wieder Behandlungszentren für Drogensüchtige eröffnet. 1994 wurden im Iran durch aus den USA zurückgekehrte Exil-Iraner nach amerikanischem Vorbild die „Anonymen Drogensüchtigen“ gegründet, was von der Regierung nicht behindert wurde. Seit 1997 suchten iranische Ärzte, darunter die Brüder Alaei, und iranische Institutionen die internationale Zusammenarbeit, u.a. mit Non-Profit-Organisationen in den USA. 1998 wurde von staatlicher Seite in Zusammenarbeit mit dem United Nations Office of Drug and Crime ein Situationsbericht zum Drogenmissbrauch veröffentlicht. Inzwischen gibt es im Iran auch Nichtregierungsorganisationen, die sich um Drogenkonsumenten kümmern und von der Regierung Khatami unterstützt wurden und auch unter Präsident Ahmadinejad weiter unterstützt werden.
Das Iranian National Drug Control Headquarters (DCHQ) kontrolliert und organisiert neben der Grenzsicherung gegen Drogeneinfuhr auch alle anderen Organisationen, Veranstaltungen und Tätigkeiten bezüglich Drogen. Eines der größten Probleme im Iran bleiben die Gefängnisse, in denen die Zahl der Drogenabhängigen und damit auch die Zahl der HIV-Infizierten sehr hoch ist. Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal und das Risiko sich mit HIV zu infizieren ist erschreckend hoch, da Drogenkonsumenten nach iranischen Angaben ca. 70% der Gefangenen ausmachen. Im Durchschnitt sollen von den Drogenkonsumenten in iranischen Gefängnissen 63% HIV-positiv sein. Eines der Ziele der Brüder Alaei war unter anderem diese Situation mit ihrem Gefängnisprogramm zu verbessern. Erst 2003 wurde allerdings in Gefängnissen damit begonnen, Präventionsmaßnahmen durchzuführen. Hatte sich die Diskussion im Iran gegenüber Drogen und AIDS also seit 1990 wieder geöffnet und war die Drogenpolitik seitdem offener und säkularer geworden, so hat sich diese Entwicklung unter der Regierung von Mahmud Ahmadinejad seit 2005 jedoch wieder umgekehrt. Diese wurde den Brüdern Kamiar und Arash Alaei zum Verhängnis.
Arash Alaei wurde am 26. Juni 2008 verhaftet. Am Morgen des 27. Juni 2008 brachten Sicherheitskräfte ihn zum Haus seiner Mutter, wo sie seinen Bruder Kamiar verhafteten und Dokumente sicherstellten. Zwei Monate lang gab es keinen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort. Sie wurden beide in das Evin-Gefängnis in Teheran gebracht, wo sie sechs Monate lang auf eine Anklage warten mussten. Am 31. Dezember 2008 wurde gegen die Brüder unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Verfahren eröffnet. Der Prozess entsprach nicht internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. So hatte man den Angeklagten nicht alle Beweismaterialien offengelegt und ihre Verteidigung hatte nicht das Recht, Zeugen in den Zeugenstand zu rufen und diese zu befragen. Außerdem waren die Brüder zum Zeitpunkt des Prozesses fünf Monate länger in Haft, als in der iranischen Strafprozessordnung vorgesehen. Artikel 33 der Strafprozessordnung schreibt vor, dass Fälle innerhalb eines Haftmonats abgeschlossen sein müssen. Verlängerungen dieser Frist können angeordnet werden, jedoch ist im Fall Alaei weder klar, ob diese Anordnungen dokumentiert wurden, noch ob die Brüder die Möglichkeit hatten, diese Anordnungen anzufechten. Die Anklageschrift zitiert Artikel 508 des iranischen Strafgesetzes, demzufolge jeder, der mit feindlichen Staaten gegen die Islamische Republik kooperiert, zu Haftstrafen zwischen einem und zehn Jahren zu verurteilen ist, sofern er nicht der „Feindschaft gegen Gott“ (Mohareb) angeklagt ist, die im Iran mit dem Tod bestraft werden kann. „Feindschaft gegen Gott“ war im Fall der Brüder Alaei jedoch nicht Teil der Anklage.
Der Anwalt der beiden, Masoud Shafei, wies nach, dass die USA nach der üblichen Rechtssprechung im Iran kein feindlicher Staat im Sinne der Anklage sind. Es wurden Präzedenzfälle aus mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes angeführt, bei denen die USA nicht als feindlicher Staat angesehen wurden. Die beiden Ärzte wurden am 19. Januar 2009 darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie nach Artikel 508 des iranischen Strafgesetzes wegen der "Zusammenarbeit mit feindlichen Regierungen" verurteilt wurden. Nach Auskunft ihres Anwalts haben die Brüder Alaei jedoch in keiner Weise mit der US-Regierung zusammengearbeitet, sondern lediglich mit einigen wissenschaftlichen Stiftungen und Institutionen. Arash Alaei wurde zu sechs Jahren Haft, Kamiar Alaei zu drei Jahren Haft verurteilt. Die beiden Ärzte sind weiterhin im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis inhaftiert. Es gibt Informationen, dass beide einige Zeit in Einzelhaft verbringen mussten. Ihnen ist es erlaubt Besuch von ihrer Familie zu bekommen. Nach Aussagen ihres Anwalts berichten sie jedoch über Einschränkungen im Gefängnis, können diese aber nicht genauer benennen, um ihre derzeitigen Haftbedingungen nicht zu verschlechtern.
Zu den im Gefängnis schmorenden Iranern gehören also nicht nur Künstler, Menschenrechtsaktivisten und Rechtsanwälte, sondern auch Wissenschaftler und Ärzte, deren Ziel einfach nur die Verbesserung der Lebenssituation aller Iraner ist und die keinerlei Interesse daran haben, sich für oder gegen das iranische Regime zu entscheiden. Das Schicksal der Brüder Alaei ist ein Beispiel dafür, dass die herrschende Elite im Iran es auf die klügsten Köpfe ihres Landes in allen Bereichen des Lebens abgesehen hat und niemand im Land, ob politisch oder unpolitisch, verschont bleibt.
6 Kommentare:
Interessant auch zum Thema Aids und Iran:
http://irananders.de/nc/home/news/article/aids-in-iran.html
Ich schließe daraus, dass die Berichterstattung mit Vorsicht zu genießen ist.
Vielen Dank für Ihren sachlichen Bericht über die unerträglichen Zustände in der Islamischen Republik, wo Ärzte, Anwälte, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten im Gefängnis sitzen, während Neda Agha Soltans Mörder ungeschoren davongekommen ist!
Lieber S. Alexander, liebes Al-Sharq-Team,
eine Frage zu dieser Aussage:
"da Drogenkonsumenten nach iranischen Angaben ca. 70% der Gefangenen ausmachen."
Wo findet man diese iranischen Angaben? Sind die auch auf Englisch verfügbar?
Schade, dass im Gegensatz zu den vielen fundierten Al-Sharq-Artikeln hier die Quellenangaben gänzlich fehlen.
irananders.de ist ein mit geklautem Öl finanziertes Propaganda-Portal, dass streng einäugig den Blick von den unfassbaren Verbrechen und herrschenden Verbrechern in Persien des Jahres 2011 abwendet. Ahmadinejad buchstabiert sich Al Capone. Und Chamenei gehört in die Riege Pinochet, Franco und anderer religiöser Faschisten. Sebastian Fluecks
@Sebastian
Kannst du deine Anschuldigung bzgl. der Finanzierung von irananders irgendwie belegen? Wenn nicht, würde ich dich bitten, diese Nachrede zu unterlassen. Danke.
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