Seit Anfang der Woche gehen auch in Bahrain Menschen gegen die Regierung auf die Straße. Zwar leben die Untertanen von König Hamad bin Isa in relativem Wohlstand – die Angst vor einem wirtschaftlichen Abstieg ist dennoch groß. Zusätzliche Brisanz gewinnt der Protest durch den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten
Seit Montag reiht sich ein Land in die Liste der aufbegehrenden arabischen Nationen ein, das kaum jemand auf der Rechnung hatte: Bahrain. Tausende Menschen protestierten in den vergangenen Tagen gegen die Regierung. Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften wurden mindestens zwei Menschen getötet, dutzende weitere verletzt.
Dabei scheint das kleine Golfkönigreich von der Größe Hamburgs nicht gerade prädestiniert für einen Volksaufstand. Die knapp 600000 Untertanen von König Hamad ibn Isa Al Khalifa leben in relativem Wohlstand. Die Arbeitslosenquote liegt nach offiziellen Angaben bei unter fünf Prozent, ein Großteil der niederen Tätigkeiten wird von den mehr als 500000 Gastarbeitern aus Süd- und Südostasien übernommen.
Als erster Golfstaat hat Bahrain 2007 eine Arbeitslosenversicherung eingeführt. Und die Bahrainis, die arbeiten gehen, müssen keine Einkommenssteuer zahlen. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt nach Angaben des Internationalen Währungsfonds bei knapp 20000 US-Dollar, und damit fast fünfmal höher als das in Tunesien und sechsmal höher als in Ägypten.
Zudem hat die Regierung in der Hauptstadt Manama seit Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Wirtschaft des Landes zu diversifizieren und die Abhängigkeit vom Erdölsektor zu reduzieren. Dennoch macht dieser Bereich noch immer 60% der Exporterlöse und 70% der Staatseinnahmen aus. Zusammen mit Malaysia hat sich Bahrain zu einem Zentrum für das islamische Bankenwesen entwickelt. Doch davon profitiert bislang nur eine Minderheit der einheimischen Bevölkerung.
Bahrains Polizisten werden importiert
Durch die weltweite Finanzkrise hat sich das Wirtschaftswachstum von knapp acht Prozent 2007 auf 3,1 Prozent im vergangenen Jahr verringert. Dadurch liegen viele Investitionsvorhaben, mit denen die Abhängigkeit vom Öl gelockert werden soll, auf Eis. Gleichzeitig steigt die Staatsverschuldung und damit der Druck auf die Regierung, Subventionen abzubauen. Dadurch verliert das Königshaus schrittweise die Möglichkeit, sich die Zustimmung und das Stillhalten seiner Untertanen mit Hilfe von Petrodollars zu kaufen, wie es etwa die Nachbarn in Katar oder Saudi-Arabien können. Ende Dezember wurden Regierungspläne bekannt, laut denen die Anhebung des Renteneintrittsalters von 60 auf 65 geplant sei - sehr zum Unwillen der Bürger.
Diese wirtschaftliche Schieflage wird durch einen unterschwelligen, religiös aufgeladenen Konflikt zusätzlich verstärkt. Die Mehrheit der Bahrainis sind nämlich Schiiten, die von einem sunnitischen Königshaus beherrscht werden. Offizielle Zahlen gibt es nicht, doch Schätzungen zufolge sind zwei von drei Bahrainis Schiiten. Diese fühlen sich seit jeher von der sunnitischen Minderheit benachteiligt und beklagen sich, dass ihnen der Eintritt in den Staatsdienst praktisch unmöglich gemacht wird. So ist es ein offenes Geheimnis, dass die Königsfamilie Sunniten in Jemen, Syrien oder Pakistan als Polizisten oder Soldaten anwirbt und ihnen unbürokratisch die Staatsbürgerschaft gewährt. Die Unzufriedenheit der schiitischen Bahrainis wird dadurch weiter geschürt.
Proteste der Schiiten in Bahrain sind deshalb kein neues Phänomen. Mehrfach sind in der Vergangenheit schiitische Geistliche von den Behörden festgesetzt worden. An solchen Vorfällen entzündeten sich in den letzten Jahren mehrfach Zusammenstöße zwischen meist jugendlichen Protestierenden und der Polizei. Königstreue sunnitische Medien und Politiker werfen den Schiiten häufig vor, eine Fünfte Kolonne Irans zu sein, dem großen Nachbarn, dessen Küste nur knapp 300 Kilometer entfernt ist. Teheran hat den Konflikt seinerseits schon mehrfach durch Äußerungen von offizieller Seite befeuert, laut denen Bahrain einst „die 14. iranische Provinz“ gewesen sei und die Islamische Republik daher einen Gebietsanspruch auf das Inselkönigreich besitze.
Dennoch lässt sich die aktuelle Protestwelle in Manama und Umgebung nicht als religiös motivierter Protest abtun. Auch zahlreiche Sunniten waren am Montag dem Aufruf zu Protesten am „Tag des Zorns“ gefolgt. „Keine Sunniten, keine Schiiten – wir sind alle Bahrainis“ lautet der Slogan, der dieser Tage am lautesten auf Bahrains Straßen erschallt. Die Frustration über die grassierende Korruption und die sich stetig verschlechternde Wirtschaftslage haben die Schiiten längst nicht mehr exklusiv.
Saudi-Arabien fürchtet eine Ausbreitung der Proteste
Das Königshaus versucht dem Konflikt mit altbewährten Instrumenten zu begegnen – Zuckerbrot und Peitsche. Schon vor den angekündigten Protesten versprach Hamad ibn Isa allen einheimischen Familien eine Sonderzahlung von 1000 Dinar, umgerechnet knapp 2000 Euro. Gleichzeitig ließ er seine Sicherheitskräfte mit großer Härte gegen die Demonstranten vorgehen.
In einer Fernsehansprache versprach der Monarch seinen Untertanen, dass die Verantwortlichen für den Tod der beiden Protestierenden zur Verantwortung gezogen würden. Außerdem kündigte Hamad die Bildung eines Gremiums an, das Reformvorschläge erarbeiten soll. Die Opposition in Bahrain feiert den öffentlichen Auftritt des Königs schon als ersten Erfolg. Sie verweisen darauf, dass sowohl Tunesiens Autokrat Ben Ali, als auch Ägyptens Staatschef Mubarak nach ihrer dritten TV-Ansprache nach Beginn der Proteste ihren Hut nehmen mussten.
Auch wenn im Nahen Osten dieser Tage fast alles möglich erscheint: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich König Hamad demnächst in die Riege der gestürzten arabischen Herrscher einreihen wird. Nicht zuletzt deshalb, weil der mächtige Nachbar Saudi-Arabien einen Sturz der sunnitischen Monarchie vor seiner Haustür nicht dulden wird. Das Herrscherhaus in Riad blickt mit großer Sorge auf die Proteste in Bahrain und fürchtet, dass die Unruhen sich auch auf die saudischen Ostprovinzen ausbreiten könnten, die mehrheitlich von Schiiten bewohnt werden.
Doch schon jetzt ist in Bahrain einiges in Bewegung geraten. Die al-Wifaq-Partei, die die größte schiitische Fraktion im Parlament von Manama stellt, hat bereits ihre parlamentarische Arbeit eingestellt und fordert direkte Verhandlungen mit dem Königshaus. Die Protestbewegung orientiert sich derweil am ägyptischen Vorbild. Am Dienstag besetzten Demonstranten den Lulu-Platz, einen großen Kreisverkehr in Manama. Wie die Oppositionellen auf dem Tahrir-Platz in Kairo errichteten sie Zelte und kündigten an, die Proteste auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Einen Termin haben die Protestierenden schon fest ins Auge gefasst: Am 11. März werden sich die Blicke der Welt auf den kleinen Golfstaat richten, denn dann beginnt in Bahrain die Formel-1-Saison 2011.
Seit Montag reiht sich ein Land in die Liste der aufbegehrenden arabischen Nationen ein, das kaum jemand auf der Rechnung hatte: Bahrain. Tausende Menschen protestierten in den vergangenen Tagen gegen die Regierung. Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften wurden mindestens zwei Menschen getötet, dutzende weitere verletzt.
Dabei scheint das kleine Golfkönigreich von der Größe Hamburgs nicht gerade prädestiniert für einen Volksaufstand. Die knapp 600000 Untertanen von König Hamad ibn Isa Al Khalifa leben in relativem Wohlstand. Die Arbeitslosenquote liegt nach offiziellen Angaben bei unter fünf Prozent, ein Großteil der niederen Tätigkeiten wird von den mehr als 500000 Gastarbeitern aus Süd- und Südostasien übernommen.
Als erster Golfstaat hat Bahrain 2007 eine Arbeitslosenversicherung eingeführt. Und die Bahrainis, die arbeiten gehen, müssen keine Einkommenssteuer zahlen. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt nach Angaben des Internationalen Währungsfonds bei knapp 20000 US-Dollar, und damit fast fünfmal höher als das in Tunesien und sechsmal höher als in Ägypten.
Zudem hat die Regierung in der Hauptstadt Manama seit Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Wirtschaft des Landes zu diversifizieren und die Abhängigkeit vom Erdölsektor zu reduzieren. Dennoch macht dieser Bereich noch immer 60% der Exporterlöse und 70% der Staatseinnahmen aus. Zusammen mit Malaysia hat sich Bahrain zu einem Zentrum für das islamische Bankenwesen entwickelt. Doch davon profitiert bislang nur eine Minderheit der einheimischen Bevölkerung.
Bahrains Polizisten werden importiert
Durch die weltweite Finanzkrise hat sich das Wirtschaftswachstum von knapp acht Prozent 2007 auf 3,1 Prozent im vergangenen Jahr verringert. Dadurch liegen viele Investitionsvorhaben, mit denen die Abhängigkeit vom Öl gelockert werden soll, auf Eis. Gleichzeitig steigt die Staatsverschuldung und damit der Druck auf die Regierung, Subventionen abzubauen. Dadurch verliert das Königshaus schrittweise die Möglichkeit, sich die Zustimmung und das Stillhalten seiner Untertanen mit Hilfe von Petrodollars zu kaufen, wie es etwa die Nachbarn in Katar oder Saudi-Arabien können. Ende Dezember wurden Regierungspläne bekannt, laut denen die Anhebung des Renteneintrittsalters von 60 auf 65 geplant sei - sehr zum Unwillen der Bürger.
Diese wirtschaftliche Schieflage wird durch einen unterschwelligen, religiös aufgeladenen Konflikt zusätzlich verstärkt. Die Mehrheit der Bahrainis sind nämlich Schiiten, die von einem sunnitischen Königshaus beherrscht werden. Offizielle Zahlen gibt es nicht, doch Schätzungen zufolge sind zwei von drei Bahrainis Schiiten. Diese fühlen sich seit jeher von der sunnitischen Minderheit benachteiligt und beklagen sich, dass ihnen der Eintritt in den Staatsdienst praktisch unmöglich gemacht wird. So ist es ein offenes Geheimnis, dass die Königsfamilie Sunniten in Jemen, Syrien oder Pakistan als Polizisten oder Soldaten anwirbt und ihnen unbürokratisch die Staatsbürgerschaft gewährt. Die Unzufriedenheit der schiitischen Bahrainis wird dadurch weiter geschürt.
Proteste der Schiiten in Bahrain sind deshalb kein neues Phänomen. Mehrfach sind in der Vergangenheit schiitische Geistliche von den Behörden festgesetzt worden. An solchen Vorfällen entzündeten sich in den letzten Jahren mehrfach Zusammenstöße zwischen meist jugendlichen Protestierenden und der Polizei. Königstreue sunnitische Medien und Politiker werfen den Schiiten häufig vor, eine Fünfte Kolonne Irans zu sein, dem großen Nachbarn, dessen Küste nur knapp 300 Kilometer entfernt ist. Teheran hat den Konflikt seinerseits schon mehrfach durch Äußerungen von offizieller Seite befeuert, laut denen Bahrain einst „die 14. iranische Provinz“ gewesen sei und die Islamische Republik daher einen Gebietsanspruch auf das Inselkönigreich besitze.
Dennoch lässt sich die aktuelle Protestwelle in Manama und Umgebung nicht als religiös motivierter Protest abtun. Auch zahlreiche Sunniten waren am Montag dem Aufruf zu Protesten am „Tag des Zorns“ gefolgt. „Keine Sunniten, keine Schiiten – wir sind alle Bahrainis“ lautet der Slogan, der dieser Tage am lautesten auf Bahrains Straßen erschallt. Die Frustration über die grassierende Korruption und die sich stetig verschlechternde Wirtschaftslage haben die Schiiten längst nicht mehr exklusiv.
Saudi-Arabien fürchtet eine Ausbreitung der Proteste
Das Königshaus versucht dem Konflikt mit altbewährten Instrumenten zu begegnen – Zuckerbrot und Peitsche. Schon vor den angekündigten Protesten versprach Hamad ibn Isa allen einheimischen Familien eine Sonderzahlung von 1000 Dinar, umgerechnet knapp 2000 Euro. Gleichzeitig ließ er seine Sicherheitskräfte mit großer Härte gegen die Demonstranten vorgehen.
In einer Fernsehansprache versprach der Monarch seinen Untertanen, dass die Verantwortlichen für den Tod der beiden Protestierenden zur Verantwortung gezogen würden. Außerdem kündigte Hamad die Bildung eines Gremiums an, das Reformvorschläge erarbeiten soll. Die Opposition in Bahrain feiert den öffentlichen Auftritt des Königs schon als ersten Erfolg. Sie verweisen darauf, dass sowohl Tunesiens Autokrat Ben Ali, als auch Ägyptens Staatschef Mubarak nach ihrer dritten TV-Ansprache nach Beginn der Proteste ihren Hut nehmen mussten.
Auch wenn im Nahen Osten dieser Tage fast alles möglich erscheint: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich König Hamad demnächst in die Riege der gestürzten arabischen Herrscher einreihen wird. Nicht zuletzt deshalb, weil der mächtige Nachbar Saudi-Arabien einen Sturz der sunnitischen Monarchie vor seiner Haustür nicht dulden wird. Das Herrscherhaus in Riad blickt mit großer Sorge auf die Proteste in Bahrain und fürchtet, dass die Unruhen sich auch auf die saudischen Ostprovinzen ausbreiten könnten, die mehrheitlich von Schiiten bewohnt werden.
Doch schon jetzt ist in Bahrain einiges in Bewegung geraten. Die al-Wifaq-Partei, die die größte schiitische Fraktion im Parlament von Manama stellt, hat bereits ihre parlamentarische Arbeit eingestellt und fordert direkte Verhandlungen mit dem Königshaus. Die Protestbewegung orientiert sich derweil am ägyptischen Vorbild. Am Dienstag besetzten Demonstranten den Lulu-Platz, einen großen Kreisverkehr in Manama. Wie die Oppositionellen auf dem Tahrir-Platz in Kairo errichteten sie Zelte und kündigten an, die Proteste auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Einen Termin haben die Protestierenden schon fest ins Auge gefasst: Am 11. März werden sich die Blicke der Welt auf den kleinen Golfstaat richten, denn dann beginnt in Bahrain die Formel-1-Saison 2011.
1 Kommentar:
Ein Freund vor Ort schreibt:
"Hey bro! We had a very rough day. We have a missing cousins since yesterday when they attacked the protesters while they were sleeping. Another cousin, 10 years old, was hit with a reflected rubber bullets in his back 3 days ago. Beside that we are fine. The government committted a mascare there and they are not sorry about it. They are even going to celebrate that tommorow after friday prayer with a rally for the king!"
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