Liebe Leserinnen und Leser,
Dr. Nabil Shaath ist einer der führenden Politiker der palästinensischen Fatah. Der ehemalige Außenminister nimmt gegenwärtig eine zentrale Rolle im palästinensischen Verhandlungsteam bezüglich des Nahostkonflikts ein. Shaath, dessen Familie im Zuge der Gründung Israels 1948 nach Ägyptem emigrierte, ist selbst ägyptischer Staatsbürger und ein ausgewiesener Kenner der politischen Szene des Pharaonenstaates.
Mit Alsharq sprach Shaath über die Konsequenzen der Nil-Revolution für Ägypten und für die Palistinenesischen Gebiete.
Was denken Sie über die Geschehnisse in Ägypten?
Ich bin glücklich und besorgt zugleich. Diese jungen Menschen, die die Proteste tragen, agieren verantwortungsvoll und sogar weise. Wir sollten diese Demonstrationen als Chance begreifen und den jungen Menschen vertrauen. Die Proteste haben das Wir-Gefühl der Ägypter gestärkt, da keine Gruppen ausgeschlossen und keine „Anti-Slogans“ gerufen werden. Islamistische Slogans hört man im Übrigen kaum.
Besorgt bin ich aufgrund der ungewissen Zukunft, die vor uns liegt.
Wird Mubarak politisch überleben?
Das ist nicht unsere Entscheidung. Ich hoffe nur inständig, dass die Geschehnisse friedlich ausgehen. Mubarak weiß nicht, wann der Zeitpunkt gekommen ist, zu gehen. Er wird versuchen, bis zu den nächsten Wahlen zu bleiben.
Mubaraks Regierung hat ein Verbrechen begangen, als sie die 1,5 Millionen Polizisten aus den Städten abzog. Mit diesem Schritt wurde in Kauf genommen, dass Plünderer Ägyptens kulturelle Schätze aus den Museen stehlen und dass Kriminelle aus den Gefängnissen fliehen konnten. Die Menschen sollten mit diesem Schritt für ihren Mut zu demonstrieren bestraft werden!
Doch die Jugend hat die Führung übernommen und nationale sowie lokale Komitees gegründet. Ihr ist es beispielsweise zu verdanken, dass die Museen vor weiteren Plünderungen beschützt wurden.
Sie sprechen die Jugend an. Waren junge Menschen die Initiatoren der Proteste?
In erster Linie waren Blogger die Initiatoren und Organisatoren der Proteste. Sie haben eine Netzwerk-Mentalität, die nun die Proteste prägt und dafür verantwortlich ist, dass sich noch keine Führungspersönlichkeit oder eine Hierarchie durchgesetzt hat. Die Revolution wird letztendlich ihre Führungsfiguren selbst kreieren.
Warum sind die Muslimbrüder so wenig präsent auf den Straßen?
Sie wurden zu Beginn der Proteste marginalisiert. Nun warten sie ab. Auf keinen Fall möchten sie für ein mögliches Scheitern der Proteste verantwortlich gemacht werden.
Ich denke, dass nichtsdestotrotz am Ende gemäßigte Islamisten und somit auch die Muslimbrüder eine wichtige Rolle in einer neuen Regierung spielen werden. Dies entspricht der muslimisch geprägten ägyptischen Gesellschaft. Im Übrigen bekennen sich die Muslimbrüder bislang zu demokratischen Prinzipien, gleichwohl unterstützen sie im Ausland militante Organisationen.
Wie werden sich die Geschehnisse auf Israel und Palästina auswirken?
Zunächst: Den Palästinensern hat Mubarak immer geholfen, die allgegenwärtige Kritik bezieht sich auf sein innenpolitisches Vorgehen.
Ein stärkeres, geeintes Ägypten wird dem Friedensprozess guttun und mehr Druck auf die inakzeptable, da kolonialistische israelische Politik sowie auf ein – in Bezug auf den Nahostkonflikt –schwaches Amerika ausüben.
Übrigens glaube ich nicht, dass die Ereignisse in Ägypten die Hamas im Gaza-Streifen stärken werden. Was momentan geschieht, beschränkt sich auf Ägypten.
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