Mittwoch, 2. Februar 2011

Machtkampf in Ägypten – Mubaraks Rückzug auf Raten

»Ich werde bei der Präsidentschaftswahl im September nicht wieder antreten. Das Parlament soll die Verfassung so ändern, dass die Kandidatur von Oppositionsbewerbern ermöglicht wird und die Zahl der Amtszeiten des Präsidenten begrenzt wird.« So in etwa lässt sich die Rede, die Ägyptens angeschlagener Präsident Husni Mubarak am Dienstag Abend hielt, zusammenfassen. Hätte er diese Rede schon vor einer Woche gehalten, wäre ihm die Zustimmung seiner wütenden Landsleute und der internationalen Gemeinschaft sicher gewesen. Jetzt, nach tagelangen Demonstrationen, denen sich immer mehr Menschen angeschlossen haben, geht Mubaraks Vorstoß den Meisten längst nicht mehr weit genug.

Die Protestierenden auf dem Tahrir-Platz in Kairo und vielen anderen Orten zwischen Alexandria und Assuan reagierten wütend und enttäuscht auf die Rede des Präsidenten. Zu selbstgerecht, zu starrsinnig war der 82-Jährigen ihnen entgegengetreten. Kein Wort verlor der Autokrat über Fehler und Versäumnisse, die in seiner fast 30 Jahre andauernden Herrschaft passiert sind. Stattdessen erklärte er, die verbleibenden Monate bis zur Präsidentenwahl im Amt bleiben und anschließend in Ägypten sterben zu wollen.

Doch nur wenige Regimegegner wollen sich darauf verlassen, dass Husni Mubarak es wirklich ernst meint mit seinem Rückzug. Bislang gibt es keinerlei Garantien dafür, dass die Wahlen im September frei und fair verlaufen und Oppositionskandidaten wie Mohamed El Baradei eine wirkliche Chance haben werden, die Macht in Kairo zu übernehmen. Ausdrücklich schloss Mubarak auch eine dynastische Lösung, also die Übernahme der Präsidentschaft durch seinen Sohn Gamal, nicht aus. Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh war dem gegenüber einige Stunden später weitaus deutlicher, als er eine Machtübergabe an seinen Sohn Ali Ahmad nach dem Ende seiner Amtszeit 2013 ablehnte.

Die Armee fordert die Demonstranten zum Rückzug auf

Barack Obama wollte sich in seiner kurzen Ansprache wenige Stunden nach Mubaraks Rede nicht eindeutig festlegen. An die Demonstranten in Ägypten gerichtet sagte er »Wir hören eure Stimmen«. Er erklärte jedoch zugleich, dass allein die Ägypter und nicht das Ausland bestimmen könnten, wer in Kairo regiert. Die USA forderten jedoch »einen bedeutenden und friedlichen Übergang. Und er muss jetzt beginnen.« Damit vermied es der US-Präsident klarzustellen, ob er Mubaraks angekündigten Rückzug zum September für ausreichend hält.

Dennoch könnte Mubaraks Taktik bei den Millionen Ägyptern verfangen, die zwar unzufrieden mit der Politik des Präsidenten sind, gleichzeitig aber Angst davor haben, dass ihr Land in den nächsten Wochen ins Chaos stürzt, falls die Proteste weitergehen. Für sie ist Mubaraks Verzicht auf eine erneute Kandidatur ein Kompromiss, mit dem sie gut leben können. Der Opposition dürfte es damit schwerer fallen, aus diesem großen Kreis der Unentschlossenen weitere Anhänger zu gewinnen.

Vieles wird nun vom Verhalten der ägyptischen Armee und des kürzlich ernannten Vizepräsidenten Omar Suleiman abhängen. Am Mittwoch Vormittag rief das Militär die Demonstranten auf, die Straßen zu räumen und den Alltag wieder einkehren zu lassen. Bislang sind die Soldaten nicht gegen die Regierungsgegner vorgegangen. Sollten die Proteste weitergehen, könnte sich das schon bald ändern. Viele Demonstranten hoffen, dass sich Ägyptens Armee angesichts des Drucks auf der Straße doch noch gegen Mubarak wenden könnte. Auch Obama bestärkte das Militär, seinen Beitrag zu einem friedlichen Wandel zu leisten. Wie der aussehen wird, werden die nächsten Tage zeigen. Die Oppositionsbewegung hat erneut bekräftigt, auf Mubaraks Rücktritt zu bestehen und ausschließlich mit seinem Vize Suleiman verhandeln zu wollen.

Das Regime lässt seine Anhänger aufmarschieren

Das Regime versucht unterdessen mit Pro-Mubarak-Demonstrationen die gespannte Lage auf Ägyptens Straßen weiter anzuheizen. In Alexandria kam es nach Mubaraks Rede am Dienstag Abend bereits zu ersten Zusammenstößen. Regimegegner und CNN-Reporter berichten, dass unter den Mubarak-Unterstützern, die heute in Kairo auf die Straße gehen, Mitarbeiter der staatlichen Ölgesellschaft sowie des Staatsfernsehens sind, die zur Teilnahme gedrängt wurden. Auch Geld soll ihnen gezahlt werden. Zum Teil sind die Demonstranten bewaffnet, wie der zenith-Korrespondent bestätigt. Auf dem Mustafa Mahmoud-Platz im Stadtteil Mohandessin versammelten sich mehrere tausend Mubarak-Anhänger.

Die Taktik hinter diesen Pro-Regime-Aufmärschen ist klar: Zum Einen soll die öffentliche Meinung dahingehend beeinflusst werden, dass Mubaraks Vorgehen tragbar erscheint. Außerdem will man dem Langzeit-Präsidenten einen Abgang ohne Gesichtsverlust ermöglichen. Doch es ist auch Teil des Kalküls, Zusammenstöße zwischen Regierungsgegnern und -anhängern zu provozieren, um damit den Vorwand für ein rigides Vorgehen gegen die Opposition zu liefern. Die Regimegegner rüsten sich unterdessen für eine neue Großdemonstration am Freitag. Nach dem »Marsch der Millionen« gestern, rufen sie für übermorgen zum »Freitag der Abreise«.

Derweil versucht die Regierung die Regimegegner auch auf andere Weise von der Straße zu holen. Seit heute Mittag funktioniert nach einem fünftägigen, staatlich verordneten Blackout das Internet in Ägypten wieder.

1 Kommentar:

Egyptian hat gesagt…

We Egyptian people are in a revolution against Dictator Mubarak since 25 January 2011, yesterday and today there is a massacre against demonstrators in the “Liberation Square” in the center of Cairo.

Dictator Mubarak shut down internet and telephones one week ago, the media in the world don’t hear our voice, don’t care of us.
I’m able to access internet today, I’m sending this message to everyone to support us.

Please Help us, Write in blogs, Make demonstrations to support us, Send to Media, to journalists, to politicians in your country to support us.


Cairo, Egypt. 3 February 2011