Der Rückgang der Gewalt in Bagdad ist weniger eine Folge der amerikanischen Truppenaufstockung sondern vielmehr das Resultat ethnischer Säuberungen. Zu diesem Schluss kommt die Studie "Baghdad Nights", die heute von drei Geographen und einem Politologen der University of California in Los Angeles vorgestellt wurde.
Die Wissenschaftler John Agnew, Thomas W Gillespie, Jorge Gonzalez und Brian Min werteten Satellitenbilder aus, die Bagdad in Nächten im November 2003, im März 2006, sowie im März und im Dezember 2007 zeigen - also vor, während und nach der "Surge", der Aufstockung der US-Truppen im Irak. Dabei wurde die Intensität der nächtlichen Beleuchtung und ihre Verteilung in den einzelnen Stadtteilen der irakischen Hauptstadt untersucht.
Die Wissenschaftler gingen von der Annahme aus, dass die Zahl der nächtlichen Lichter im Verlauf in allen Gegenden in ähnlicher Weise angestiegen sein müsste, da die elektrische Infrastruktur peu à peu repariert wurde und die Surge zu einer Verbesserung der Sicherheitslage und Lebensqualität in Bagdad geführt haben müsste. Die dadurch gewonnenen Daten wurden mit Vorfällen ethnischer Gewalt verglichen, die 2007 im "Report of the Independent Commission on the Security Forces in Iraq", dokumentiert wurden.
Die Landkarte des elektrischen Lichts wurde quasi mit der Landkarte der ethnischen Gewalt in Bagdad verglichen. Außerdem wurden die Nachtaufnahmen Bagdads mit Satellitenbildern aus Kirkuk, Mosul, Tikrit und Kerbela verglichen. Diese Städte sind im Gegensatz zu Bagdad durch eine ethnisch-religiös homogene Bevölkerungszusammensetzung und weniger religiöser Gewalt gekennzeichnet.
Dabei kamen die amerikanischen Forscher zu folgenden Ergebnissen:
Von 2003 bis 2006 stieg die Intensität der nächtlichen Beleuchtung in Bagdad deutlich an, fiel dann aber drastisch zwischen März 2006 bis Dezember 2007. Die "Surge" war also mit einer Senkung des Stromverbrauchs in der Stadt verbunden, obwohl im Dezember 2007 die Militäroperationen in Bagdad längst abgeschlossen waren.
Der Rückgang der nächtlichen Beleuchtung fiel dabei jedoch von Stadtteil zu Stadtteil unterschiedlich stark aus. Besonders dramatisch lässt sich diese Entwicklung in den Vierteln Ost- und West-Rashid im Südwesten Bagdads aus. Beide Viertel waren historisch religiös gemischt, mit einer leichten sunnitischen Mehrheit. Zwischen 2006 und 2007 verließen jedoch viele Einwohner die beiden Stadtteile und jene die zurückblieben trennten sich entlang der Konfessionslinien.
In ähnlicher Weise sank die nächtliche Beleuchtung in den gemischten Stadtvierteln Rusafa und Karada, sowie in Adhamiya und Kadhimiya - mehrheitlich sunnitischen bzw. schiitischen Stadtteilen. In den homogenen Bagdader Vierteln Sadr City, Neu-Bagdad und al-Mansur, war die Intensität der Nachtbeleuchtung zwischen März 2006 und Dezember 2007 hingegen konstant oder nahm sogar zu. Dieses Muster korreliert mit den Ergebnissen des "Report of the Independent Commission on the Security Forces in Iraq".
Die Wissenschaftler der UCLA kommen zu dem Schluss, dass viele Sunniten aus Bagdad geflohen sind. Die Zahl der konfessionell-gemischten Viertel ist deutlich gesunken. So sei auch der Rückgang der Gewalt in der irakischen Hauptstadt zu erklären. "Es ist niemand mehr da, den man angreifen kann", so die Forscher. Jene Viertel, in denen die ethnische Gewalt am meisten gewütet habe, seien jene Viertel, die nachts am Dunkelsten sind.
In den Vergleichsstädten Mosul, Tikrit und Kerbela stieg die Intensität der Nachtbeleuchtung zwischen März 1006 und Dezember 2007. Diese Städte waren weitaus weniger von ethnischer Gwalt gekennzeichnet.
Die amerikanischen Wissenschaftler schlussfolgern daraus, dass die Gewalt in Bagdad in folge ethnischer Säuberungen zurückging. Die Surge habe damit wenig zu tun, jedoch wenigstens dafür gesorgt sunnitische und schiitische Viertel voneinander abzutrennen.
Freitag, 19. September 2008
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