Freitag, 27. Februar 2009
Jemen: Parlamentswahlen auf 2011 verschoben
Die erneute Verschiebung der Wahlen ist das Ergebnis eines Abkommens zwischen Präsident Ali Abdullah Salih und der Opposition. Diese hatte zuvor mit einem Wahlboykott gedroht, da ihre Vertreter nicht in der Wahlkommission vertreten sind, die die Abstimmung vorbereiten und über die Zulassung der Kandidaten entscheiden soll. Die Oppositionsparteien betrachteten den gesamten Wahlprozess daher als illegal.
Nun wollen sich Regierung und Opposition bis April 2011 auf Wahlreformen einigen. Gerüchten zufolge soll bereits Einigkeit darüber herrschen, dass die Mitglieder des Shura-Rates, einem Gremium das den Präsidenten berät, künftig direkt vom Volk gewählt und nicht mehr vom Staatschef ernannt werden sollen.
Es erscheint höchst zweifelhaft, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre die Voraussetzungen für faire und freie Wahlen geschaffen werden können. Präsident Salih scheint entschlossen an der Macht festzuhalten und eines Tages sein Amt in die Hände seines Sohnes Ahmed Ali Abdullah Salih zu übergeben. Forderungen der Opposition nach einer Beschränkung der präsidentialen Vollmachten widersprechen jedoch diesem Ansinnen.
Donnerstag, 26. Februar 2009
Meinungsumfrage zu al-Qaida und den USA
Die Ergebnisse zeigen ein großes Misstrauen gegenüber der US-Politik in der muslimischen Welt. Mehr als 80% der Befragten in den drei arabischen Staaten äußerten die Ansicht, dass es Ziel amerikanischer Außenpolitik sei, die Grenzen Israels auszudehnen. Nur 4% der Ägypter und 28% der Jordanier glauben, dass die USA die Gründung eines palästinensischen Staates vorantreiben. In den Palästinensischen Gebieten selbst waren immerhin 59% dieser Ansicht.
Mehr als 80% der Umfrageteilnehmer aus Ägypten, Jordanien und Palästina vertraten zudem die Meinung, dass es Ziel amerikanischer Politik sei, den Islam zu schwächen und zu teilen. Kaum weniger Leute- in Palästina sogar 88% - glaubten, dass die USA die Verbreitung des Christentums förderten. Fast neun von zehn der befragten Araber vertraten die Ansicht, dass es ein vorrangiges Ziel der US-Politik sei, die Kontrolle über die Öl-Reserven im Nahen Osten zu behalten. Nur etwa jeder Zehnte glaubt, dass die USA die Demokratie in der Region förderten, unabhängig davon ob die so entstehende Regierung mit den Amerikanern kooperiere. Mehr als drei Viertel der Befragten lehnen amerikanische Basen am Golf.
Zwei von drei befragten Jordaniern, Ägyptern und Palästinensern bezeichneten die Haltung der USA gegenüber dem Internationalen Recht als heuchlerisch. Nicht einmal jeder 5. Befragte hatte den Eindruck, dass die USA der islamischen Welt mit Respekt gegenübertreten. Mehr als die Hälfte der Ägypter glaubt, dass die Amerikaner die Islamische Welt vorsätzlich demütigen. Gleichzeitig hat nur ein Viertel von ihnen ein positives Bild vom amerikanischen Volk.
Daher verwundert es auch kaum, dass eine überwältigende Mehrheit der befragten Ägypter wichtige Ziele des Terrornetzwerks al-Qaida teilt. Jeweils 87% unterstützten al-Qaidas Forderung nach einem Abzug der US-Armee aus den muslimischen Ländern und einem Ende der US-Unterstützung für Israel. Zudem fordert mehr als die Hälfte der Ägypter ein Ende der amerikanischen Unterstützung für das ägyptische Regime. Knapp zwei Drittel der Ägypter fordern zudem die Einführung der Sharia in jedem muslimischen Land. Sogar 88% lehnen "westliche Werte" in islamischen Ländern ab, was auch immer das heißen mag.
Gleichzeitig erklärten jedoch nur 21% der ägyptischen Umfrageteilnehmer, sie teilten al-Qaidas Haltung gegenüber den USA und würden Anschläge gegen Amerikaner gutheißen. Usama bin Laden wird jedoch von 44% der Ägypter, 27% der Jordanier und sogar 56% der Palästinenser positiv bewertet. In Jordanien glaubt auch nur eine kleine Minderheit von 11%, dass al-Qaida hinter den Anschlägen vom 11. September steckt, 31% machen Israel verantwortlich.
Anschläge gegen US-Truppen im Irak, am Persischen Golf oder in Afghanistan werden von einer großen Mehrheit von 66 bis 90% der Befragten unterstützt. Mit ebenso großer Klarheit lehnen Ägypter, Palästinenser und Jordanier jedoch Anschläge gegen amerikanische Zivilisten in den USA und der Islamischen Welt ab. 7% der Ägypter und 30% der Palästinenser billigen Anschläge gegen amerikanische Zivilisten.
Mittwoch, 25. Februar 2009
Vor den Präsidentenwahlen in Algerien
Insgesamt haben 11 Kandidaten ihre Bewerbung eingereicht und die dafür notwendigen Unterschriften vorgelegt. Keinem der Bewerber werden jedoch Chancen eingeräumt Bouteflika aus dem Präsidentenpalast El Mouradia zu verdrängen. Zu sehr wird die politische Landschaft von der herrschenden FLN und mit ihr verbündeter Parteien dominiert. Parteien auf religiöser oder ethnischer Grundlage sind verboten, was es Islamisten und Berbern äußerst schwierig macht politisch tätig zu werden. Das Militär und die Sicherheitskräfte sind nach wie vor äußerst wichtige Machtfaktoren.
Wichtige Oppositionsgruppen boykottieren die Präsidentenwahl und rufen ihre Anhänger auf, den Urnen fernzubleiben. Zu ihnen gehören Sozialisten genauso wie Islamisten, die Bouteflika vorwerfen, er strebe eine Präsidentschaft auf Lebenszeit an. Aus dem Exil in Qatar meldete sich auch der ehemalige Anführer der Islamischen Heilsfront (FIS), Abassi Madani, zu Wort und forderte einen Wahlboykott.
Seit seinem Amtsantritt vor 10 Jahren präsentiert sich Bouteflika als großer Versöhner, der Algerien nach fast einem Jahrzehnt Bürgerkrieg geeint und Recht und Sicherheit wiederhergestellt habe. "Boutef" verfügt über glänzende Beziehungen nach Frankreich und China. Gerade die ehemalige Kolonialmacht dürfte Interesse an einer weiteren Amtszeit Bouteflika haben. Gleichzeitig verweigert dieser seinem Land jedoch einen notwendigen Generationswechsel.
Während seiner derzeitigen Wahlkampftour verspricht der Präsident ein Entwicklungsprogramm in Höhe von 150 Milliarden US-Dollar. Derzeit hat die Wirtschaft jedoch mit den stetig fallenden Öl- und Gaspreisen zu kämpfen.
Die Arbeitslosigkeit ist zwar in den letzten Jahren nach offiziellen Angaben stetig gesunken. Allerdings sind fast 90% der Arbeitslosen jünger als 35. Die Folgen dieser Entwicklung sind weit verbreitete Jugendgewalt und eine wachsende Zahl von Bootsflüchtlingen, die "harraga", die ihr Glück in Europa versuchen.
Vor diesem Hintergrund dürfte die Mehrheit gerade der jungen Algerier - 70% der Bevölkerung sind unter 30 - den Wahlen mit Gleichgültigkeit begegnen. Dies wird dazu führen, dass Abdelaziz Bouteflika zwar mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt, die Wahlbeteiligung jedoch weiter sinken wird.
Dienstag, 24. Februar 2009
Studentenproteste in Teheran
Etwa 500 junge Iraner protestierten am Wochenende gegen die Umbettung iranischer Gefallener, die während des irakisch-iranischen Krieges in den 1980er Jahren getötet wurden. In den vergangenen Tagen wurden auf Anweisung der Regierung die sterblichen Überreste einiger hundert Soldaten auf dem Universitätsgelände neu bestattet.
Während der Kundgebung am Freitag riefen die Studenten Slogans wie "Evin wird zur Universität - die Universität wird zum Friedhof". Evin ist der Name eines berüchtigten Gefängnisses im Norden Teherans, in dem viele Oppositionelle festgehalten werden, unter ihnen auch zahlreiche Studenten und Professoren.
Außerdem waren auf Plakaten Losungen zu lesen wie: "Diktator von heute: die Märtyrer sind eine Entschuldigung für dich geworden". Die Studenten wandten sich gegen die öffentliche Verherrlichung der Kriegstoten, während gleichzeitig Millionen Veteranen in Armut leben.
Im Umfeld der Proteste kam es zu Zusammenstößen zwischen den Demonstranten, regimefreundlichen Studenten und den anwesenden Sicherheitskräften. Zeitgleich war Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder zu einem privaten Besuch im Iran, bei dem er auch mit Präsident Ahmadinejad zusammentraf.
Proteste gegen das iranische Regime haben an der Amir Kabir Universität eine gewisse Tradition. Im Dezember 2006 demonstrierten Studenten heftig gegen Mahmud Ahmadinejads Besuch an der Hochschule. Sie unterbrachen die Rede des Präsidenten und riefen während seines Besuchs lautstark "Tod dem Diktator".
Montag, 23. Februar 2009
Nach dem Anschlag in Kairo
Im April 2005 waren bei einem Anschlag fast an gleicher Stelle der Attentäter und zwei Touristen aus den USA und Frankreich getötet worden. Seither hatte es in Kairo keine Anschläge mehr gegeben.
Über die Umstände des Anschlags gibt es widersprüchliche Angaben. Zunächst hieß es, eine Handgranate sei vom Dach des El Hussein-Hotels geworfen worden, später erklärte die Sicherheitsbehörden, der Sprengsatz sei unter einer Bank detoniert. Eine zweite Bombe, die nicht explodierte, soll nach der ersten Detonation entschärft worden sein.
Bislang hat sich noch niemand zu dem Anschlag von gestern bekannt. Ein Parlamentsabgeordneter der regierenden NDP machte in einer ersten Stellungnahme am Anschlagsort den Iran und die Taliban für die Tat verantwortlich. Weitaus wahrscheinlicher dürfte es jedoch sein, dass das Attentat von ägyptischen Islamisten begangen wurde, die unabhängig von al-Qaida und anderen Netzwerken gehandelt haben.
Die relative Primitivität der Sprengsätze und der geringe Organisationsgrad, der für den Anschlag notwendig war, lassen vermuten, dass eine einzelne Gruppe junger Islamisten den Anschlag verübt haben könnte. In den letzten Monaten dürften Ägyptens Islamisten reichlich Zulauf erhalten haben. Das Land steckt seit mehr als einem Jahr tief in der Wirtschaftskrise, Millionen junger Männer leben ohne Perspektive in Elendsvierteln und die Komplizenschaft der Regierung während des Gaza-Kriegs und der Abriegelung des Gazastreifens hat viele Ägypter ernsthaft erbost.
Mit diesem Anschlag auf eines der ägyptischen Touristenzentren wollen die Täter offenbar den Tourismussektor zum Erliegen bringen und den Staat somit einer seiner wichtigsten Einnahmequellen berauben. Eine ähnliche Strategie verfolgten die Gamaa Islamiya und die Jihad-Organisation in den 1980er und 1990er Jahren. Dadurch wurden beide Gruppen im Volk jedoch bald so verhasst, dass sie - auch in Folge einer massiven Gegenkampagne des Staates - der Gewalt schließlich abschworen.
Der Anschlagszeitpunkt gibt jedoch auch zu weiteren Spekulationen Anlass. Im März soll das ägyptische Parlament über eine Verlängerung des seit 1981 herrschenden "Ausnahmezustands" abstimmen. Zwar ist die Zustimmung des Parlaments dank der großen NDP-Mehrheit in der Nationalversammlung sicher, dennoch dürfte das Attentat der Regierung als zusätzliche Rechtfertigung in die Hände spielen. Gleichzeitig bietet der Anschlag Husni Mubarak die Gelegenheit, sich dem neuen US-Präsidenten Barack Obama als Frontkämpfer gegen den militanten Islamismus zu präsentieren.
Mittlerweile sind offenbar mehrere Tatverdächtige festgenommen worden. Über ihre Identität ist bislang nichts bekannt.
Fotos: Philipp Spalek
Freitag, 20. Februar 2009
Streit zwischen Iran und Bahrain
Bahrains Führung wertet die Äußerungen des ehemaligen iranischen Parlamentspräsidenten als Angriff auf die eigene Unabhängigkeit. Als erste Reaktion brach Manama Gespräche mit Teheran über den Import iranischen Erdgases nach Bahrain ab. Die Staatschefs aus Ägypten und Jordanien, Husni Mubarak und König Abdullah, reisten persönlich in den Golfstaat um ihren arabischen Brüder ihre Solidarität auszusprechen.
Irans Regierung bemüht sich ihrerseits die Wogen zu glätten. Die Affäre werde von den Medien aufgebauscht, so ein Sprecher des Außenministeriums in Teheran. Die iranische Position sei eindeutig. "Wir haben wiederholt gesagt, dass wir die Souveränität und Unabhängigkeit aller Nachbarstaaten respektieren, besonders die von Bahrain."
In der Tat stand Bahrain im 17. und 18. Jahrhundert letztmals unter persischer Oberhoheit. 1783 eroberte jedoch der arabische Stamm der Bani Utba die Golfinsel. 1861 wurde Bahrain britisches Protektorat. Als das Königreich 1971 unabhängig wurde, erhob der persische Shah kurzzeitig Anspruch auf Bahrain und andere kleinere Golfinseln. Später zog er diesen Anspruch jedoch zurück - offenbar spielte Nateq Nuri auf diese Episode an.
Iranische Nationalisten untermauern die angebliche Zugehörigkeit Bahrains zum Iran häufig mit dem Verweis auf die schiitische Bevölkerungsmehrheit in Bahrain. Die Schiiten dort sprechen jedoch abgesehen von einer kleinen Minderheit arabisch und definieren sich selbst als Araber.
Niemand in Manama, Kairo oder Riyadh erwartet ernsthaft, dass der Iran ernsthaft Anspruch auf einen Anschluss Bahrains erheben wird. Dennoch zeigt die Reaktion der sunnitischen arabischen Regime die Besorgnis vor der wachsenden iranischen Hegemonie am Golf, die durch Irans Atomprogramm weiter befeuert wird.
Donnerstag, 19. Februar 2009
Ägypten: Ayman Nour ist frei
Nour war im Dezember 2005 wegen Urkundenfälschung und Betrug zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Für die Gründung seiner Partei al-Ghad im Oktober 2004 soll der Politiker Urkunden und Unterschriften gefälscht haben, so der Vorwurf gegen Nour.
Tatsächlich gilt es jedoch als offenes Geheimnis, dass dem heute 44-Jährigen seine politische Betätigung zum Verhängnis wurde. Nours Ghad-Partei, die sich 2004 von der Wafd-Partei abspaltete, präsentierte sich mit einigem Erfolg als liberaldemokratische Alternative zur herrschenden Staatspartei von Husni Mubarak. Im September 2005 forderte der Anwalt Rais Mubarak bei den Präsidentschaftswahlen heraus und landete trotz verbreiteter Manipulationen mit mehr als 7% der gültigen Stimmen auf dem zweiten Platz.
Ebenso wie Aiman Nour aus politischen Gründen verurteilt wurde, ist er nun aus politischen Motiven freigelassen worden, auch wenn Nour tatsächlich schwer an Diabetes erkrankt ist. Die Entscheidung kann zum Einen als Geste des guten Willens gegenüber dem neuen US-Präsidenten Barack Obama verstanden werden. Gleichzeitig demonstriert Mubarak mit dem Zeitpunkt der Freilassung, dass die von George Bush ausgerufene Politik eine Demokratisierung der Region wirkungslos blieb und selbst von Amerikas Verbündeten ignoriert wurde.
Gleichwohl ist Nours Entlassung wohl mehr ein symbolischer Schritt denn Ausdruck eines substantiellen Wandels in der ägyptischen Innenpolitik. Nach wie vor gehen die Behörden agressiv gegen jegliche Opposition vor. Hunderte Muslimbrüder wurden in den letzten 12 Monaten ohne Anklage inhaftiert, die Presse wird gegängelt und der Fall Philip Rizk ist nur das jüngste und prominenteste Beispiel für die Verfolgung kritischer Blogger.
Ayman Nour hat angekündigt in die Politik zurückzukehren. Als Vorbestrafter dürfte er jedoch nicht erneut für das Präsidentenamt kandidieren. Ohnehin steht Nour politisch zunächst vor der schwierigen Aufgabe seine gespaltene Partei zu einigen und neu zu organisieren.
Dienstag, 17. Februar 2009
Darfur-Konflikt: Verhandlungen in Doha
Die derzeitigen Gespräche zwischen der "Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit" (JEM) und der sudanesischen Regierung in Doha wurden von der Regierung Qatars, den Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga vermittelt. Sie streben nun eine Darfur-Friedenskonferenz an, die schon in den nächsten Wochen beginnen soll.
Das heute geschlossene Abkommen markiert den ersten ernsthaften Schritt in Richtung Frieden seit 2006. Damals einigten sich die Regierung in Khartoum und die Sudanesische Befreigungsbewegung (SLM) auf eine Waffenruhe, die von der JEM jedoch ignoriert wurde. Im Mai 2008 unternahmen die JEM-Rebellen einen beispiellosen Angriff auf die Regierung, der zu einer Ausbreitung der Kämpfe bis in die Vororte von Khartoum führte.
Ob der maßgeblich von Qatar initiierte Friedensprozess zu einer dauerhaften Beilegung des Darfurkonflikts führen wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Andere, mit der JEM rivalisierende Rebellengruppen, saßen in Doha nicht mit am Verhandlungstisch und fühlen sich bislang nicht an die Abmachungen gebunden. Ebenso unwahrscheinlich erscheint es derzeit, dass die Regierung ihre Unterstützung für die Janjaweed-Milizen einstellen wird.
Als Hindernis für die Friedensverhandlungen könnte sich auch ein internationaler Haftbefehl für Sudans Präsident Umar al-Bashir erweisen, den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag in den nächsten Wochen möglicherweise erlassen wird. Innnerhalb des nächsten Monats wird eine Eintscheidung darüber erwartet, ob der Staatschef wegen Völkermordes angeklagt wird. Für diesen Fall hat Sudans Regierung bereits mit einem Abbruch der Friedensgespräche in Qatar gedroht.
Ob das nun geschlossene erste Abkommen Ausdruck eines ernsthaften Willens zum Frieden seitens Khartoums ist, oder lediglich einen Schritt darstellt um einen Haftbefehl für Bashir zu verhindern, werden die nächsten Wochen zeigen.
Montag, 16. Februar 2009
Saudi-Arabien: Abdullah entlässt und reformiert
Luheidan hatte im vergangenen Jahr in einer Fatwa erklärt, dass es erlaubt sei die Besitzer arabischer Fernsehsender zu töten, die unmoralische Programme ausstrahlten. Auch die Intoleranz und wachsende Brutalität der strengen ultra-religiösen Sittenpolizei sorgte für wachsenden Zorn unter den Saudis, der nun offenbar zu dem lange erwarteten Schritt des Monarchen geführt hat, mit dem dieser seinen Willen zu Reformen bekräftigen will.
Neuer ranghöchster Richter in Saudi-Arabien wird der bisherige Vorsitzende des Shura-Rates, einem vom König ernannten Gremium und Ersatz-Parlament, das den Monarchen beraten soll. Auch an der Spitze der Religionspolizei, der Muttawa, steht mit Abdulaziz bin Humain künftig ein moderater Vertreter, von dem eine Reformierung seiner Behörde erwartet wird.
Der Chef der Sittenwächter in Mekka erhofft sich etwa eine liberalere Politik seiner Behörde, gerade hinsichtlich der Geschlechtertrennung in Saudi-Arabien. "Die schlechte PR der Kommission hat ihr ein schlechtes Image inner- und außerhalb des Königreichs eingebracht. Ihr bemitleidenswerter Zustand ist das Resultat kurzsichtiger Politik und der Weigerung zu einem Wandel durch einige ihrer obersten Beamten", so Sami al-Khayyat gegenüber Arab News.
Zudem reformierte König Abdullah den Rat der Obersten Rechtsgelehrten. Neben Repräsentanten der hanbalitischen Rechtsschule werden hier künftig auch Rechtsgelehrte aus den anderen drei großen sunnitischen Madahib vertreten sein.
Außerdem ersetzte der 84-Jährige Abdullah den Direktor der Zentralbank sowie die Minister für Bildung, Gesundheit, Information und Justiz. Erstmals in der Geschichte des Königreiches berief er eine Frau ins Kabinett. Noura al-Faiz ist zukünftig stellvertretende Bildungsministerin und zukünftig für die Mädchenbildung verantwortlich.
Die Reformierung des Bildungs-, insbesondere des Hochschulwesens gilt als dringende innenpolitische Aufgabe in Saudi-Arabien. Bislang schickt fast jede Familie, die es sich leisten kann ihre Kinder zum Studium nach Europa oder in die USA.
Freitag, 13. Februar 2009
Die Beziehungen zwischen Syrien und den USA nach George Bush
Wichtigste Voraussetzung hierfür sei es, so die Autoren der Studie, dass die USA keinen Regimewechseln in Syrien anstrebten, sondern stattdessen ernsthaft an einer Beilegung des israelisch-arabischen Konflikts interessiert seien. Die Annahme von Obamas Vorgänger George W Bush, dass amerikanischer Druck und eine Isolation Syriens zu einer Änderung des politischen Kurses in Damaskus führen würden, habe sich als falsch erwiesen.
Gleichwohl könne nicht negiert werden, dass die Beziehungen zwischen den USA und Syrien schon vor dem Amtsantritt George Bush gespannt waren und die syrische Unterstützung militanter Gruppen in Palästina und Libanon amerikanischen Interessen diametral entgegenstand.
Obama sieht sich einer Reihe juristischer und politischer Realitäten gegenüber, die er bei einer Neujustierung des Verhältnisses zu Damaskus nicht einfach ignorieren könne. Da sind zum einen die amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegen Syrien, zum Zweiten die UN-Sanktionen die Syriens Einfluss auf den Libanon kritisieren und schließlich das internationale Hariri-Tribunal, das im März beginnen soll und möglicherweise hochrangige syrische Offizielle anklagen wird.
Außerdem müsse sich die US-Regierung vergegenwärtigen, dass sich das Machtgefüge in der arabischen Welt in den letzten Jahren verschoben habe. Der Iran habe seit dem Irakkrieg an Einfluss gewonnen, die Hamas und andere Gruppen, die einen arabisch-israelischen Frieden ablehnen wurden gestärkt. Ebenso habe die Hizbollah nach dem Libanonkrieg 2006 an Macht gewonnen. Die ablehnende Haltung des Westens gegenüber Syrien, habe Damaskus nur noch enger an den Iran gebunden.
Gleichwohl sei Syrien den USA in den letzten Monaten schrittweise entgegen gekommen. So hat Damaskus sowohl in Beirut als auch in Bagdad Botschaften eröffnet und die Grenze zum Irak schärfer bewacht. Die indirekten Friedensverhandlungen mit Israel könnten unter amerikanischer Vermittlung wiederaufgenommen werden. Außerdem seien die Beziehungen zur Türkei in den Mittelpunkt syrischer Außenpolitik gerückt. Werde dieser Prozess fortgesetzt, könnte Syrien schrittweise aus seiner Allianz mit dem Iran gelöst werden, so die Konfliktforscher der ICG.
Um die Grundlage für eine Verbesserung der Beziehungen zu Syrien zu schaffen, solle sie erneute Friedensverhandlungen unterstützen und diese aktiv begleiten. Das Schlussabkommen müsse einen israelischen Rückzug von den Golanhöhen, stabile Sicherheitsabsprachen und die Aufnahem normaler bilateraler Beziehungen zwischen Israel und Syrien beinhalten. Gleichzeitig dürften sich die USA jedoch auf keinen Kompromiss hinsichtlich des Hariri-Tribunals einlassen.
Um die Kommunikationswege zwischen Washington und Damaskus wiederherzustellen, solle Barack Obama so schnell wie möglich einen Botschafter in Damaskus benennen. George Bush hatte die letzte amerikanische Botschafterin in Syrien nach dem Anschlag auf Rafik Hariri abgezogen.
Die Ankündigung, dass John Kerry, Vorsitzender des Foreign Relations Committe im US-Senat, in der kommenden Woche nach Damaskus reisen wird, zeigt, dass die neue Regierung den Beziehungen zu Syrien hohe Priorität einräumt. Dennoch erscheint es derzeit äußerst ungewiss, ob und wann syrisch-israelische Friedensverhandlungen aufgenommen werden können. Die Regierungsbildung in Israel dürfte sich noch einige Monate hinziehen. Derzeit deutet vieles daraufhin, dass Benjamin Netanyahu einer Rechts-Koalition vorstehen wird. Dass Israel den Golan jemals zurückgeben wird, ist fraglich. Dass Benjamin Netayahu dies tun wird, ist höchst unwahrscheinlich.
Donnerstag, 12. Februar 2009
"One Man Village" - Ein Interview mit Simon El Habre
What was your motivation to shoot a movie about your uncle's life in the abandoned village?
My aim was to deal with the question of memories, in particular with the traumatic experiences of the Lebanese civil war. In my country there has been no process of coming to terms with one's past. Even if things seem calm for months or years, the society cannot live without the fear of war. The scars of the atrocities during the war have not even allowed objective in-depth research about what happenend. Everybody is caught in the historic narrative of its confession, political movement, family and so on.
Therefore, I chose a contemplative form to deal with the issue of memories.
How did your uncle, the protagonist, react when you told him about your plan to document his life?
He immediately said yes. Semaan had been acting in other projects of mine before and even fellow students had been working with him. He loves to play with the camera and to present his unique and authentic character. He had, so to speak, some "professional" experience.
After the end of the civil war in 1990 the leading politicians announced a reconciliation process? Did this process succeed?
Reconciliation between the supporters of hostile actors in the civil war did not happen. Even if former fierce enimies, like Samir Geagea and Walid Jumblat in the case of the Chouf Mountains, form a political alliance for whatsoever reasons the deep-rooted mistrust against each other remains among their supporters. The government is also responsible for the lack of social reconciliation. For example, in the Chouf there are neither common schools for Christians and Druze nor common social programs for the youth of both religious communities.
What could be done to overcome this mistrust?
Summer camps for young people from both communities could be one idea. Or soccer teams of mixed villages that could compete with teams from other regions in Lebanon. These measures could help to create a common sense of belonging, a uniting identity.
Currently many sport teams in Lebanon are regarded by their supporters as the pride of one certain community although in some cases their players come from various backgrounds. For example in basketball the popular team Sporting is perceived as playing for the "honor" of the Sunni community because the leading staff are sunni. The same goes with Sagesse that is mostly supported by Christians.
In many interviews former villagers were hesitant to answer the question who destroyed their homes. In most cases Israel was blamed. Only after further inquiry some villagers mentioned Walid Jumblat's Socialist Party (PSP), a Lebanese movement, as the direct opponent in the clashes. Is Israel's doubtless active role in the civil war sometimes used in order to avoid the question of the Lebanese movements' responsibilities for atrocities?
Without a doubt external powers like Israel share a great responsibility for the escalation of conflicts in the Lebanese civil war. But at the same time we must start acknowledging that the Lebanese people were also the victims of the Lebanese militias.
How was the film perceived in Lebanon?
So far "One Man Village" has only been shown to a small audience. The reaction was very positive. People approached me and said that the film puts our whole complex past in one and a half hour.
The office for censorship allowed to screen the movie without any restrictions although we were fighting a little about one phrase. Semaan says concerning the clashes with the Socialist Party: "...and then the Israelis left and gave the Socialist Party the green light to attack us...". The office regarded this statement as a threat to the "social peace" in Lebanon.
Last question: has Semaan finally found a wife?
(Laughs) I have been asked this question every time after screening the film. He is not married yet.
Das Interview führten Christoph Sydow und Christoph Dinkelaker.
Auf der Berlinale läuft "One Man Village" am 15.2. ein letztes Mal um 12 Uhr im Cinestar 8 am Potsdamer Platz.
Dienstag, 10. Februar 2009
Iran: Khatami will wieder Präsident werden
Wie gut Khatamis Chancen gegen Ahmedinejad wirklich stehen, lässt sich derzeit nur vermuten. Schon seit mehr als einem Jahr steckt Irans Wirtschaft in der Krise. Die Inflation liegt seit Monaten zwischen 20 und 30%, wovon besonders Staatsbedienstete und Rentner betroffen sind. Doch auch die "Bazaaris", also mittelständische Geschäftsleute und Händler, protestierten in den letzten Monaten gegen Ahmedinejads verfehlte Wirtschaftspolitik.
Der rapide gefallene Ölpreis der vergangenen Monate entwertete zudem die wichtigste Einnahme der iranischen Wirtschaft. Internationale Sanktionen als Reaktion auf das iranische Atomprogramm haben ebenso negative Auswirkungen.
Außenpolitisch fällt Ahmadinejads Bilanz bislang zwiespältig aus. Einerseits hat er das Ansehen seines Landes im Westen mit seinen wiederholten anti-israelischen Äußerungen massiv beschädigt und sich und das iranische Volk mit seinen Ansichten zur Homosexualität der Lächerlichkeit preisgegeben.
Gleichzeitig ist Teherans Einfluss im Nahen Osten größer denn je. In den palästinensischen Gebieten und dem Libanon haben die vom Iran unterstützten Hamas und Hizbollah mehr Macht denn je. Im Irak regiert eine Führung, die dem Iran freundlich gesinnt ist und auf absehbare Zeit wird sich auch daran nichts ändern. Bei vielen Treffen arabischer Staatschefs sitzt Ahmedinejad mittlerweile mit am Tisch. Als weiteren Ausdruck des nationalen Selbstbewusstseins schoss der Iran Anfang Februar seinen eigenen Satelliten "Omid" in die Weltumlaufbahn.
Mohammad Khatamis Siegchancen hängen vor allem davon ab, wie seine Reformversprechen bei den Wählern ankommen. In seiner Amtszeit stärkte er zwar die Zivilgesellschaft, ermutigte Journalisten und Studenten zu Kritik an der Gesellschaft und stärkte die Herrschaft des Rechts. Gleichzeitig wirkten viele Reformbemühungen halbherzig und blieben auf halbem Wege stecken, auch weil substanzielle Veränderungen von Ayatollah Khamenei und dem mächtigen konservativen Wächterrat blockiert wurden.
Im deutlichen Gegensatz zu Ahmadinejad kann Khatami eher zugetraut werden, die Beziehungen zu den USA zu normalisieren. Ob Barack Obamas ausgestreckte Hand und die Gesprächsangebote aus Washington Khatamis Wahlchancen erhöhen, wird die Zeit zeigen.
Sonntag, 8. Februar 2009
Freiheit für Philip Rizk!
Ich traf Philip Rizk im vergangenen Jahr persönlich bei einer Ausstellungseröffnung in Kairo, wo er kurze Dokumentarfilme zeigte, die er im Gazastreifen gedreht hatte. Rizk hatte selbst von 2005 bis 2007 in Gaza gelebt und studiert derzeit an der American University Cairo. Damals erzählte mir Philip, dass er weitere Reisen und Filmprojekte in Palästina plante.
Die deutsche Botschaft in Kairo bemüht sich um Philip Rizks Freilassung. Dass er mit der Familie des deutschen Botschafters befreundet ist, könnte den Druck auf die ägyptischen Behörden erhöhen. Hoffen wir, dass Philip Rizk bald auf freien Fuß kommt.
Update, 9. 2. 23:14: In der letzten Nacht durchsuchten Beamte der ägyptischen Staatssicherheit die Wohung der Familie Rizk. In die Wohnung von Philips Schwester brachen Beamte in ihrer Abwesenheit ein und nahmen I-Pod, Kameras und Unterlagen mit sich.
Update, 11.2. 10:58: Philip Rizk ist in der vergangenen Nacht freigelassen worden. Er ist bei seiner Familie und es geht ihm gut.
Freitag, 6. Februar 2009
Ergebnisse der Regionalwahlen im Irak
Donnerstag, 5. Februar 2009
HIV und Aids im Nahen Osten
Diese Zahlen nannten Vertreter des UN-Projekts UNAIDS gestern. Die Daten basieren auf nationalen Untersuchungen in 16 Ländern, die von UNAIDS betreut wurden. Um den Kampf gegen die Immunschwächekrankheit zu forcieren fand im Januar in Omans Hauptstadt Muscat erstmals eine regionale Konferenz statt, auf der Regierungsvertreter sowie Repräsentanten internationaler Organisation Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie debattierten.
Um einen Rückgang der Neuinfektionen zu erreichen, seien effektive Präventionsprogramme sowie eine genaue Beobachtung der Ausbreitung des Virus erforderlich. Hierbei sollten die Staaten des Nahen Ostens enger zusammenarbeiten, so die Direktorin des UNAIDS-Programms für den Nordafrika und den Nahen Osten, Renu Chalil-Graf.
Noch immer sind die Staaten in der Region weit davon entfernt, den HIV-Infizierten eine adäquate gesundheitliche Versorgung bieten zu können. Schätzungsweise 150000 Infizierte benötigten im Jahr 2007 eine antiretrovirale Therapie, die die Virusmehrung im Körper verlangsamen kann. Doch nur 6% der Bedürftigen erhielten eine derartige Therapie, so eine Schätzung der Weltgesundheitsbehörde WHO. In keiner Weltregion war der Anteil niedriger.
Der Nahe Osten mit einem Anteil von etwa 1% an den HIV-Infizierten weltweit ist zwar von einer AIDS-Epidemie, wie sie das subsaharische Afrika zu durchleiden hat, weit entfernt. Dennoch steigt die Zahl der Neuinfektionen Jahr für Jahr an - auch weil das Thema von den Regierungen und Gesellschaften weitgehend ignoriert wird. Das Stigma, das mit einer HIV-Infektion verbunden ist, hält viele Menschen schon von einem Test ab.
In den jungen Gesellschaften des Nahen und Mittleren Ostens gelten Drogenmissbrauch und ungeschützter Sex als Hauptursachen für die fortschreitende Ausbreitung des HIV-Virus. Gefängnisinsassen gelten als besonders gefährdet. Besonders groß ist der Anteil der HIV-Infizierten im Iran. Gleichzeitig gilt die Präventionspolitik des Islamischen Republik als pragmatisch und beispielhaft. So gibt es in den großen Städten Methadonprogramme für Heroin-Abhängige und selbst in Gefängnissen werden Kondome und Einwegspritzen zur Verfügung gestellt.
Dienstag, 3. Februar 2009
Andere Länder - andere Debatten: Über die Schwierigkeiten eines israelisch-arabischen Dialogs
Hier ein Bericht der befreundeten Journalistin Mona Sarkis für unseren Blog:
Dialog mit dem Anderen – so lautete das Motto der Palästina / Israel–Filmwoche, die vergangene Woche in München lief. Gezeigt wurden ältere und neuere Dokumentar- und Spielfilme aus Israel und Palästina. Darunter: der aktuelle Film des palästinensischen Regisseurs Rashid Masharawi, „Laila’s Birthday“, der den alltäglichen Wahn in der Westbank anhand eines Taxifahrers erzählt. Oder „Nuran“ aus dem Jahr 2008, das die Geschichte eines Mädchens verfolgt, das im Alter von acht Jahren von Palästina nach Israel entführt wurde. Sowie „9 Star Hotel“ von 2006, in dem der Israeli Ido Haar das erschütternd trostlose Schicksal von palästinensischen Bauarbeitern dokumentierte, die in der illegalen israelischen Siedlung Modi’in Illit in der Westbank versuchen, ihr Leben für ein paar Schekel zu fristen – und das insgeheim. Denn obgleich die Siedlung selbst illegal ist, werden sie von israelischen Siedlern und Polizisten verfolgt und in einer Pervertierung der Fakten zu Illegalen erklärt.
Veranstaltet wurde die Filmwoche u. a. von der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe in München – der vor ca. 20 Jahren ersten und, laut ihrem Mitinitiator Fuad Hamdan, bis dato deutschlandweit einzigen ihrer Art. Für den gebürtigen Palästinenser, der gemeinsam mit der Jüdin Judith Bernstein die Gruppe leitet, ist Dialog der einzige Weg zur Annäherung. Zwar halte er Israel für einen Apartheidsstaat und spreche sich für einen Boykott seiner Produkte auf wirtschaftlicher Ebene aus – doch wolle er kulturellen Annäherungen und Werken regierungskritischer und friedliebender Israelis, „die es ja auch gibt“, nicht Tür und Tor versperren.
Eine Ansicht, der Irit Neidhardt von mec-film, einer Vertriebsfirma für Filme aus dem Nahen Osten, grundsätzlich nichts entgegenzusetzen hat. Allerdings stellt die gebürtige Israelin mit Sitz in Berlin die Frage: „Was bringen die im Westen geführten Dialoge den Menschen vor Ort eigentlich?“
Die Antwort fällt Hamdan leicht: Nichts. Dazu genügt der Blick auf die „Weltpolitik“.
Allerdings stellt sich die generelle Frage, ob ein Dialogisieren „hier“ mit einem Dialogisieren „dort“ überhaupt zu vergleichen ist. Schließlich fällt die Annäherung im behaglichen Ambiente von Frieden und Sicherheit doch weit leichter als unter Raketen- und Bombenhagel…
Umso interessanter ist es daher, denen zuzuhören, die vor Ort über Dialoge und Brückenbauen auf kultureller Ebene debattieren. Beispielsweise jener Diskussion, die vergangenen November in der libanesischen Tageszeitung „Al-Akhbar“ entbrannt ist. Auslöser war die Veröffentlichung von dem Band „Madinah, City Stories from the Middle East“ im englischen Verlagshaus Comma Press, in den die Herausgeberin, die Libanesin Joumana Haddad, auch eine Anthologie des israelischen Schriftstellers Yitzhak Laor über Tel Aviv aufgenommen hatte.
Was hat Tel Aviv im Kontext von Geschichten über arabische Städte wie Bagdad, Beirut, Amman, Riad und Alexandria verloren, fragte der palästinensische Dichter Najwan Darwish in „Al-Akhbar“ und betitelte seinen wütenden Artikel mit „Die israelische Infiltration des arabischen Unterbewusstseins“ . Der Umstand, dass sich Laor gegen die Besatzungspolitik seines Landes ausspricht, dient in Darwishs Augen als bloßer Vorwand, um zu suggerieren, dass eine Normalisierung möglich sein - dass es nicht nur „normal“, sondern „natürlich“ sei (im Arabischen ähneln sich die Worte stark), wenn eine Stadt auftauche, die 1948 auf den Trümmern arabischer Städte errichtet wurde. Damit würde unterschwellig jener Neue Nahen Osten suggeriert, auf den Condoleeza Rice hingearbeitet habe. Ein Neuer Naher Osten, in dem sich die gewaltvolle israelische Besatzungs- und Expansionsmacht wie selbstverständlich auf die arabische Identität stülpe, dort ihren ganz natürlichen Platz habe.
Auch Laors Antwort wurde in „Al-Akhbar“ publiziert. Der israelische Dichter fragte, ob die Nichterwähnung Tel Avivs eine Lösung sei und die Stadt von der Landkarte verschwinden lasse. Es sei eine der tragischen Folgen der Besatzung, dass ein Dichter (wie Darwish), vom Schmerz derart blind geschlagen sei, dass er zu hoffen beginne, sein „Bruder“ müsse dasselbe Unglück erleiden, sprich, seine Heimat verlieren. Zudem fragte er, ob es etwa – je nach Bedarf - zwei arabische Diskurse gäbe? Einen, der von einer Ein-Staaten-Lösung spreche, aber diejenigen unerwähnt lasse, die für diesen gemeinsamen Staat von Palästinensern und Israelis kämpfen? (Wie er selbst). Ein laizistischer und demokratischer Staat, in dem Juden und Araber koexistieren, ohne einander zu dominieren. Und einen zweiten Diskurs, in dem jemand wie Darwish vorgeben könne, nichts über eine jüdische Existenz im Nahen Osten zu wissen.
Hierauf schaltete sich auch der Feuilletonchef von „Al-Akhbar“, Pierre Abi Saab, in die Debatte ein. Er wies daraufhin, dass Laor von einer arabischen und von einer jüdischen Identität spreche und somit Nationales und Religiöses auf eine Ebene stelle. Indem er von seiner (jüdischen) Identität Abstand nähme und von seinem Kontrahenten dasselbe verlange, lasse er die spezifische Situation eines unter Besatzung lebenden, kolonialisierten Volkes außer Acht. Wenn Darwish sich der Gegenwärtigkeit von Tel Aviv in der Region verweigere, so habe dies nichts mit einer rassistischen Ausgrenzung der Juden zu tun, sondern mit der Ablehnung einer Politik, die darauf abziele, die jüdische Präsenz zu etwas Natürlichem für die Araber zu machen.
In Laors Augen, fährt Abi-Saab fort, benehme sich Darwish wie ein auf sich selbst fokussierter Extremist, während er, Laor, seine Grenzen überschreite und kosmopolitisch auftrete. Gerade mit diesem Selbstverständnis aber müsse er die Situation Darwishs verstehen, anstatt ihm Lektionen zu erteilen. So solle er sein Werk fortsetzen und weiterhin gegen Besatzung und Ungerechtigkeit ankämpfen und den Tag abwarten, an dem es allen möglich sein werde, über „ihre“ Städte zu schreiben – als normale, freie und gleichgestellte Bürger.
Die Debatte zeigt die großen Empfindlichkeiten auf beiden Seiten und – die prinzipielle Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit eines Dialogs. Es stimmt, dass ein Mann wie Laor Beachtung auch von Arabern verdient. Und es stimmt auch, dass der arabische Schmerz, wie er schreibt, blind macht. Doch mit welchen Worten will man diesen Schmerz angesichts der israelischen Gewaltpolitik lindern?
Was nicht heißen soll, das wir hierzulande nicht weiterhin konstruktive Dialoge miteinander suchen sollten. Frei nach dem Motto: Andere Länder – andere Debatten…
Montag, 2. Februar 2009
Somalia: Neuer Präsident steht vor großen Aufgaben
Allein die Tatsache, dass die Präsidentenwahl nicht in Somalia sondern im benachbarten Djibouti abgehalten werden musste, zeigt die prekäre Lage, der sich der neue Präsident gegenüber sieht. Dennoch trauen ihm Beobachter am Ehesten zu, die verfeindeten Clans und Bewegungen am Horn von Afrika zu einen und auch die islamistischen Milizen, die in den letzten Monaten weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben, hinter sich zu scharen.
Sharif Ahmed selbst war eine der führenden Figuren der "Union der Islamischen Gerichtshöfe", die im Laufe des Jahres 2006 bereits große Teile des Landes und auch die Hauptstadt Mogadischu kontrolliert hatten, bevor das Nachbarland Äthiopien mit seiner Armee und amerikanischer Billigung in Somalia einmarschierte und die Islamisten zurückdrängte. Sheikh Ahmed floh zunächst nach Kenia und lebte seit Mitte 2007 wie fast alle Führungsfiguren der Islamischen Gerichtshöfe im Exis in Eritreas Hauptstadt Asmara.
Das aus machtpolitischer Sicht drängendste Problem für den neuen Präsidenten dürfte der Umgang mit den al-Shabab-Milizen sein, einer islamistischen Bewegung, die sich nach dem äthiopischen Einmarsch von der Union islamischer Gerichte abspaltete und einen Islam, nach dem Vorbild der Wahhabiten in Saudi-Arabien propagiert. In den von ihnen kontrollierten Gebieten setzt sie eine äußerst rigide Form des islamischen Rechts durch. Schreine von islamischen Heiligen, die von vielen Somaliern verehrt werden, wurden in den letzten Wochen zerstört, da die Heiligenverehrung "unislamisch" sei. Die USA führen sie seit März 2008 auf ihrer Terrorliste.
Bislang weigern sich die Shabab, Sharif Ahmad als neuen Präsidenten anzuerkennen. Der hofft darauf, dass viele ihrer Milizionäre keine überzeugten Kämpfer sind, sondern sich nur aus opportunistischen Gründen der stärksten umd am besten ausgerüsteten Gruppe anschlossen. Mit dem Versprechen des Friedens und einem sicheren Gehalt will der neue Präsident diese jungen Männer auf seine Seite ziehen.
Dabei setzt Sharif Ahmed auch auf die Hilfe der USA, die noch vor knapp drei Jahren seine Vertreibung aus Somalia unterstützten. "Im Rahmen der Verhandlungen in Djibouti sind die USA zu einer Kraft des Friedens geworden", so der neue Präsident nach seiner Wahl. Auch die Vereinten Nationen begrüßten das Votum der Wahlversammlung und sagten Sheikh Ahmad ihre Unterstützung zu.