Donnerstag, 14. Mai 2009

Schweinegrippe-Panik in Ägypten

Die Angst vor der Schweinegrippe scheint in Ägypten noch größere Ausmaße anzunehmen als anderswo. Bereits vor 14 Tagen beschloss die Regierung als Vorsichtsmaßnahme alle im Land lebenden Schweine bis Ende Mai töten zu lassen. Diese Maßnahme wurde von den koptischen Besitzern der Tiere heftig kritisiert und als staatliche Diskriminierung empfunden, die sich gegen die christliche Minderheit in Ägypten richte.

Die meisten der geschätzt etwa 300000 ägyptischen Schweine leben mit ihren Haltern in Manshiyet Nasser, einem Stadtteil von Kairo. Die Bewohner des Viertels am Fuß des Muqattam-Berges leben davon, den Müll des Molochs Kairo zu entsorgen und zum Teil auch von der Schweinezucht. Als Entschädigung erhalten die Viehhalter nur einen Bruchteil des Marktpreises. Bei Protesten gegen die Keulung der Schweine wurden mehrere Menschen verletzt.

Nun hat auch noch Ägyptens Großmufti Ali Gomaa andere islamische Rechtsgelehrte aufgefordert eine gemeinsame Fatwa zu erlassen, die eine Verschiebung der Hajj, der islamischen Pilgerreise nach Mekka, wegen der Schweinegrippe möglich machen soll. "Die muslimischen Gelehrten sollten ihre Fatwas auf technische Berichte der betroffenen Gremien, wie dem Gesundheits-, Umwelt- und Landwirtschaftsministerium basieren lassen. Der Schutz menschlichen Lebens und die Verhinderung von Seuchen gehören zu den Zielen des Islamischen Rechts."

Dieser Aktionismus wirkt umso verwunderlicher angesichts der Tatsache, dass es bis heute keinen bestätigten Fall der Schweinegrippe in Ägypten gibt. Alle 44 Verdachtsfälle, die bisher registriert wurden, haben sich als unbegründet herausgestellt. Im gesamten Nahen Osten wurden bisher nur in Israel sieben Menschen positiv auf eine Infektion mit dem Erreger A(H1N1) getestet. Auch aus anderen islamischen Ländern wurde bislang kein Schweinegrippe-Fall gemeldet.

Hinzu kommt, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO weder vor dem Verzehr von Schweinefleisch warnt, noch zu Reisebeschränkungen rät. Vor diesem Hintergrund erscheint es sehr übereilt über eine Verschiebung der Hajj zu debattieren, die ohnehin erst Ende November 2009 stattfinden wird.

Für die Regierung bietet die Schweinegrippe eine geeignete Gelegenheit gegen die Haltung von Schweinen im Land, an der viele Muslime Anstoß nehmen, vorzugehen. Während der Staat vielen Problemen sonst hilflos gegenübersteht lässt man nun keine Gelegenheit dem (Schein-)Problem der Schweinegrippe mit allen Mitteln entgegenzutreten und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.

Wenigstens in der ägyptischen Popmusik hat die Schweinegrippe erste nachweisbare Spuren hinterlassen. Der Sänger Shaaban Abdel Rahim, der im Jahr 2000 mit dem Lied "Ich hasse Israel" seinen Durchbruch feierte, hat nun der Infektionskrankheit einen Song gewidmet. Seine wichtigste Botschaft: "In jedem Hafen und Flughafen müssen wir in großen Buchstaben schreiben: 'Es ist nicht erlaubt nach Ägypten zu reisen und ein Schwein mitzubringen'"

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