Dienstag, 9. Februar 2010

Tötungswelle gegen Exilführer der Hamas?

Am 19. Januar 2010 wurde erneut ein im Ausland aktives Hamas-Mitglied zum Anschlagsziel. Mahmoud al-Mabhouh flog an diesem Tag von seinem Wohnort Damaskus nach Dubai, stieg in einem Luxushotel ab und hatte am gleichen Tag ein Treffen, bei dem es wahrscheinlich um Waffengeschäfte ging. Noch am selben Abend wurde er auf seinem Zimmer getötet, seine Leiche fand man am Tag darauf. Erst über eine Woche später ergab ein Bluttest in Paris, dass Mabhouh keines natürlichen Todes starb. Erste und von seinem Bruder gestreute Gerüchte über eine Tötung durch Elektroschocks, haben sich nicht bewahrheitet. Vielmehr scheint ihm ein Mittel verabreicht worden zu sein, das einen natürlichen Herzinfarkt simuliert.

Weil Israel nach solchen Anschlägen stets der erste Hauptverdächtige ist, hat die Hamas die Verhandlungen um einen Gefangenenaustausch mit Israel abgebrochen. Es könnte Israel ja um die Botschaft gehen, dass sich palästinensische Gefangene nach ihrer Freilassung nicht in Sicherheit wiegen sollten. Die Hamas würde diese Aktionen wohl kaum unbeantwortet lassen und ebenfalls israelische Einrichtungen und Personen im Ausland angreifen - und kündigte dieses Vorgehen bereits an. Es besteht durchaus die Gefahr, dass ähnlich wie in den 1970-er Jahren, der israelisch-palästinensische Konflikt wieder international ausgetragen wird.


Weil der Verdacht in Dubai zunächst auf den Mossad fiel, gab auch der Dubaier Polizeichef schon mal vorsorglich bekannt, dass in diesem Falle die Verhaftung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu angestrebt werde. Brisanterweise war gerade drei Tage vor dem Anschlag auf Mabhouh erstmalig ein israelischer Minister zu einem offiziellen Besuch in die Vereinigt Arabischen Emirate gekommen. Es handelte sich um den Verkehrsminister Uzi Landau, der an einer regionalen Konferenz zu erneuerbaren Energien teilnahm. Beide Staaten schienen sich auf ein normalisiertes, wenn auch nicht offiziell verkündetes Arbeitsverhältnis verständigen zu wollen. Jetzt steht in Dubai auch dieser israelische Minister in Verdacht, in die Organisation des Anschlags verwickelt gewesen zu sein, obgleich Landau solche Gerüchte vehement bestreitet.

Die Frage nach den Schuldigen ist aber noch lange nicht geklärt. Der Polizeichef von Dubai gab derweil bekannt, dass sieben Männer den Anschlag verübt hätten. Alle hätten Pässe verschiedener europäischer Staaten. Die israelische Zeitung Haaretz berichtet über Untersuchungsergebnisse, wonach auch Jordanien und Ägypten ein Interesse an seiner Tötung hatten. Und im Hisbollah-Fernsehsender Al-Manar erklärte der Hamas-Chef des Libanon, Osama Hamdan, der selbst erst vor einem Monat einem Anschlag entging, er könne sich auch vorstellen, dass palästinensische Rivalen aus der PLO den Anschlag organisierten.

Noch Anfang Februar schien alles auf eine Entspannung zwischen den rivalisierenden Palästinenser-Bewegungen hinzudeuten, als mit Nabil Shaath erstmals seit der Machtergreifung der Hamas ein Fatah-Offizieller den Gazastreifen zu Gesprächen mit der Hamas besuchte.

Mabhouh ist kein unbeschriebenes Blatt. Er war Mitbegründer und ranghohes Mitglied des militärischen Arms der Hamas, der Qassam-Brigaden, er organisierte Entführungen und Tötungen israelischer Soldaten während der ersten Intifada und war zuletzt für die Waffenbeschaffung der Hamas verantwortlich. Auch seine Reise von seinem Wohnort Damaskus nach Dubai diente nach jetzigen Erkenntnissen diesem Zweck. Es gäbe aus israelischer Sicht also genügend Gründe, ihn auf die Todesliste zu setzen.

In Dubai ist man derweil verärgert über die Tatsache, dass man über die Ankunft Mabhouhs, der unter falschem Namen und mit gefälschten Papieren einflog, nicht von der Hamas informiert wurde. Die Behörden ließen mitteilen, dass sie bei der Aufklärung nicht mit der Hamas zusammenarbeiten werden, sondern lediglich mit der offiziellen Vertretung der Palästinenser – der PLO.

Die Hamas ist als selbst ernannte Widerstandsbewegung und als faktische Staatsmacht des abgeriegelten Gazastreifens auf ihre im Exil agierenden Führer, Diplomaten und Lobbyisten angewiesen, um die diplomatische, die finanzielle und nicht zuletzt die militärische Unterstützung aufrechtzuerhalten. Die einflussreichsten Köpfe dieser Exil-Strukturen scheinen nun ins Visir geraten zu sein. Von wem, und ob eine Zusammenhang zwischen den Anschlägen, gar eine systematische Strategie besteht – all das weiß die Hamas selbst nicht. Das lässt sich zumindest aus den verschiedenen von der Hamas-Führung selbst ins Spiel gebrachten Mächte schließen.