Donnerstag, 14. Juli 2011

Was macht eigentlich die Wissenschaft?

Ein Nachtrag zum Kommentar "Panzer für Frauen" von Philipp Dehne

Im Zusammenhang mit dem Verkauf der Leopard-II-Panzer drängt sich noch eine andere Frage auf, nämlich die nach der Rolle der Wissenschaft in der öffentlichen Debatte. Sicherlich haben sich einzelne Experten wie Volker Perthes oder Guido Steinberg, die an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politikberatung agieren, in den Medien kritisch zu Wort gemeldet. Aber hat man ansonsten eine Reaktion von Wissenschaftlern, die sich mit der Region auseinandersetzen, vernommen? Die Eingrenzung dieser Gruppe von Wissenschaftlern ist schwierig. Für viele Islamwissenschaftler sind zeitgenössische Themen nicht zentral und die wenigsten Politikwissenschaftler beschäftigen sich explizit mit Nordafrika und dem Nahen Osten. Aber dennoch gibt es eine ganze Reihe von Islam-, Politik- und weiteren Sozialwissenschaftlern, die eben dies tun, die über besondere Regionalkenntnisse verfügen und die ich am ehesten als „Regionalwissenschaftler“ bezeichnen würde. Auch wenn diese Gruppe von Wissenschaftlern nur bedingt formal organisiert sein mag, bestehen doch weiträumige Netzwerke zwischen ihnen. Hat sich dieser Personenkreis in der aktuellen Debatte organisiert zu Wort gemeldet? Solch eine Intervention muss an mir vorüber gegangen sein (und ich wäre froh, wenn ich sie übersehen und einfach nicht gründlich genug recherchiert hätte).


Die Ereignisse des „Arabischen Frühlings“ sind von vielen „Regionalwissenschaftlern“ freudig begrüßt worden. Auch wenn niemand den Ausgang der Prozesse, die derzeit in der Region ablaufen, kennt, so ist doch klar, dass es sich um einen Umbruch in der Region handelt – manch einer vergleicht ihn in Bezug auf seine Tragweite mit dem Zusammenbruch des Ostblocks. Gerade „Regionalwissenschaftler“ Nordafrikas und des Nahen Ostens haben einen Einblick in die Auswirkungen deutscher Außenpolitik auf die Region, der dem interessierten, aber fachfremden Bürger oftmals verborgen bleibt. Warum sollte man sich aus dieser Position heraus nicht gemeinsam zu Wort melden? Viele der betroffenen Wissenschaftler freuen sich verständlicherweise über Gelder, die im Zuge des „Arabischen Frühlings“ für die Erforschung der Region bereit gestellt werden. Allein die Volkswagenstiftung legt ein mehrere Millionen Euro umfassendes Paket auf. Fachvertreter haben Zeit, Anträge für Forschungsvorhaben zu schreiben. Aber sie haben keine Zeit, sich in Form eines offenen Briefes oder einer Anzeige zu Wort zu melden, wenn die eigene Regierung eben diesen „Arabischen Frühling“ torpediert? Sind sie für eine solche Aktion bloß zu lose organisiert? Sehen sie in diesem konkreten Fall keine Notwendigkeit für eine verbale Intervention? Oder geht es doch eher um ein allgemeineres Wissenschaftsverständnis, das sich auf die Position einer generell anderen Rolle von Wissenschaft zurückzieht?

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Mir ist bisher eine gemeinsame Stellungnahme seitens "Regionalwissenschaftler" leider auch nicht aufgefallen. Allerdings äußerte sich in einem lesenswerten Beitrag vom 10.07. in der SZ-online Oliver Schlumberger, Inhaber des Lehrstuhls für Politik des Vorderen Orients an der Uni Tübingen, sehr kritisch zum Thema. Eine gewisse Resonanz gibt es also schon.
www.sueddeutsche.de/politik/debattenbeitrag-zum-panzerdeal-mit-saudi-arabien-verkaufsschlager-leo-welche-werbung-fuer-deutschland-in-der-welt-1.1118347

Philipp hat gesagt…

Danke für Hinweis. Ich fand den Beitrag auch sehr lesenswert. Ich glaube nur, dass eine gemeinsame Aktion wie z.B. ein offener Brief mehr Aufmerksamkeit erhalten würde und die Debatte noch mal stärker auf den Kontext des Arabischen Frühlings lenken würde.

kbrakel hat gesagt…

Na dann mal los. Setz doch mal was auf, wir kriegen bestimmt genug Leute zusammen.