Montag, 21. November 2005

Ägypten: Muslimbrüder werden stärkste Oppositionskraft im Parlament


Die ägyptischen Muslimbrüder haben nach eigenen Angaben bei der zweiten Runde der ägyptischen Parlamentswahlen mindestens 13 Sitze errungen. Damit hat die offiziell verbotene Bruderschaft bereits vor der letzten Abstimmungsrunde am 1.Dezember mit insgesamt 47 Mandaten ihr Wahlziel von 45 Sitzen im Parlament erreicht.
Muhammad Habib, Fraktionssprecher der Islamisten im Parlament, erklärte gegenüber Reuters, 35 weitere Muslimbrüder hätten die Stichwahl erreicht, in der sie mit Kandidaten der Regierungspartei NDP um ein Mandat streiten. Insgesamt hatte die 1928 von Hassan al-Banna gegründete, 1954 unter Nasser verbotene aber inzwischen wieder geduldete Organisation 60 Kandidaten nominiert, die sich als "Unabhängige" um die 144 Parlamentssitze beworben, die gestern zur Wahl standen. "Wären die Wahlen frei gewesen, hätten 35 unserer Kandidaten gewonnen", erklärte Habib heute.
Der gestrige Wahlgang wurde überschattet durch den Tod eines Anhängers der Islamisten, der von Mubarak-getreuen Jugendlichen in Alexandria getötet wurde. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen verlief der zweite Wahlgang weitaus irregulärer als die erste Runde im Großraum Kairo. Angriffe auf Oppositionsanhänger, die Einschüchterung von Wählern und andere Unregelmäßigkeiten seien gestern an der Tagesordnung gewesen. Etwa 470 Anhänger der Muslimbrüder wurden in Polizeigewahrsam genommen. Nach Angaben des Innenministeriums hätten diese versucht Aktivisten der NDP-Jugendorganisation sowie ein Wahllokal zu attackieren.
"Der Erfolg der Muslimbrüder in der ersten Wahlphase hat der Regierung Angst versetzt, weil sie keine Opposition im Parlament ertragen kann.", so Habib im Reuters-Interview.
In der Tat zeigt der Erfolg der Muslimbrüder deutlich, dass für viele Ägypter der politische Islamismus die einzige Alternative zum herrschenden post-nasseristischen System darstellt. Schon jetzt gilt als sicher, dass sie die stärkste Oppositionskraft im Parlament darstellen und damit liberale Partein wie Wafd oder al-Ghad weit hinter sich lassen werden.Die einfache Losung der Muslimbrüder, "Der Islam ist die Lösung", erscheint vielen jungen Ägyptern der städtischen Unter- und Mittelschicht als hoffnungsvollster Weg in die Zukunft.

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