Donnerstag, 22. November 2007

Neue Initiative zur Lösung der Krise im Libanon

14 Stunden vor Ablauf der Frist zur Wahl eines neuen Präsidenten hat Michel Aoun, Chef der wichtigsten christlichen Oppositionspartei einen neuen Vorschlag zur Lösung des Konflikts zwischen Regierung und Opposition unterbreitet. Dieser 6-Punkte-Plan sieht vor, dass Aoun selbst einen Präsidentschaftskandidaten nominiert, der jedoch nicht aus den Reihen der Opposition kommt und im Gegenzug das Regierungslager den neuen Premierminister, der normalerweise vom Staatspräsidenten bestimmt wird, nominiert. Der neue Regierungschef dürfe jedoch kein Kandidat aus der Mustaqbal-Bewegung, also der stärksten sunnitischen Partei im libanesischen Parlament sein.

Der neugewählte Präsident solle jedoch nur eine Übergangslösung für die nächsten zwei Jahre sein. Nach den nächsten Parlamentswahlen 2009 solle das Mandat des Staatschefs enden und ein neuer Präsident von der Nationalversammlung gewählt werden. Der Interimspräsident müsse dem Memorandum zwischen Aouns FPM, also der stärksten christlichen Fraktion im Parlament, und der schiitischen Hizbollah verpflichtet sein, das die Waffen der Hizbollah auf absehbare Zeit unangetastet lässt. Im Gegenzug habe der von der Parlamentsmehrheit zu kürende Regierungschef die Aufgabe, für die Einrichtung des internationalen Tribunals zu sorgen, das den Mord am ehemaligen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri und anderen anti-syrischen Politikern aufklären soll.

Die neue Regierung müsse Aouns Appell zufolge eine "Regierung der Versöhnung" sein, in der Regierungslager und Opposition gemäß der Sitzverteilung im Parlament repräsentiert sein sollen. Dies würde bedeuten, dass etwa 55% der Minister vom Regierungslager "14.März" gestellt werden, circa 45% der Kabinettsposten von der Opposition. Jede Seite würde je zwei Ministerien erhalten, über die sie volle Verfügungsgewalt erhalte, ohne dass die Gegenseite ihr Veto gegen Beschlüsse des Ministers erheben könne. Die libanesische Konsensdemokratie sieht vor, dass alle großen Konfessionen des Zedernstaats in der Regierung repräsentiert werden.

Bis zu den nächsten Parlamentswahlen 2009 solle zudem ein neues Wahlgesetz erarbeitet werden.

Michel Aoun erklärte weiter, dass dieses Angebot nur bis morgen 22 Uhr Ortszeit gelte. Eine Stunde später endet die Amtszeit des aktuellen Präsidenten Emile Lahoud offiziell. Ob morgen wirklich ein Wahlgang stattfinden wird ist mittlerweile eher unwahrscheinlich, da eine Lösung des Konflikts trotz des neuen Angebots von Aoun in weiter Ferne liegt. Sozialministerin Nayla Mouawad erklärte heute Nachmittag, sie glaube dass die Wahl erneut verschoben würde.

Es ist zudem äußerst fraglich, dass die Regierungsseite auf den Vorschlag des FPM-Chefs eingehen wird. Aouns Vorschlag hätte nämlich zur Folge, dass die Opposition mehr als ein Drittel der Kabinetssmitglieder stellen und damit die Möglichkeit haben würde ihr Veto gegen Regierungsbeschlüsse einzulegen. Monatelang hatten Anhänger der Opposition für dieses Recht demonstriert, ohne dass die Regieung einlenkte. Inwiefern das Vetorecht durch die Einführung "souveräner Portfolios" ausgehebelt würde ist bislang unklar. Dass das Regierungsbündnis nun jedoch nach fast einem Jahr der Proteste, die in den letzten Monaten deutlich an Entschlossenheit verloren hatten, einlenken wird, scheint gegenwärtig äußerst unwahrscheinlich.

Mehr zum Thema: Beiträge vom 20.November, vom 17.November und vom 12.November

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