Donnerstag, 23. Juni 2011

Ariyeh Deri verkündet Comeback: Der Messias der mizrachischen Massen

Von Dominik Peters
Es ist das Comeback des Jahres: Ariyeh Deri hat nach einem längeren Gefängnisaufenthalt seine Rückkehr in den Polit-Betrieb angekündigt. Einst war er der schillernde Superstar der Schas. Mit seinen alten Weggefährten will der orthodoxe Deri nun aber nicht mehr zusammenarbeiten.

Ariyeh Deri ist zurück. Das politische Wunderkind von einst. Der Mann, der wie wie wenige mizrachische Israelis die Politik des Landes geprägt hat und als einer der Gründerväter der Schas-Partei gilt.

Nach Angaben der Jediot Aharonot erklärte der 52-Jährige am vergangenen Mittwoch auf einer Podiumsdiskussion in der von Schimon Peres initiierten dritten Präsidenten-Konferenz: »Im Staat Israel kann man keinen Beitrag für die Gesellschaft leisten, ohne politische Macht zu besitzen. Deshalb habe ich beschlossen, eine Bewegung zu gründen. Ich komme wieder zurück und möchte meine politische Macht verantwortungsvoll und im Interesse der Gesellschaft einsetzen.«

Deris Bruch mit der Schas-Partei gleicht einem politischen Erdbeben

Zudem erklärte Deri, dass die von ihm mitgegründete Schas-Partei nicht mehr zeitgemäß sei, da diese sich lediglich als Interessenvertreterin der mizrachischen Juden geriere – derjenigen, die einst aus den arabisch-muslimisch geprägten Nachbarländern eingewandert sind. Der Bruch mit seinen einstigen Weggefährten kommt einem politischen Erdbeben gleich. Schließlich war es der charismatische Ariyeh Deri, der jahrelang als politisches Gehirn und Zugpferd der Partei galt.

Zu Beginn seiner kometenhaften Karriere hatte der 1968 aus Marokko eingewanderte Deri noch gemeinsam mit dem spiritus rector der Schas, Rav Ovadia Josef, gegen das säkulare Establishment – die »Sadduzäer unserer Zeit« – polemisiert. Peu á peu wich der Pragmatiker aber auf eine andere Strategie aus: Um auf die wirtschaftlich, gesellschaftlich und religiös benachteiligten Wähler der Schas aufmerksam zu machen, gab er links-liberalen Medien wie der Tageszeitung Haaretz Interviews, diskutierte nonchalant mit der Tel Aviver Bohème in TV-Talkshows und galt als erster religiöser Politiker ohne ideologische Scheuklappen. Die angestaubten Parteigranden der Schas konnten sich im Glanz des Polit-Superstars sonnen.

Mit seiner steigenden Popularität konnte sich die Partei zudem Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung machen. 1988 war es dann soweit. Im Alter von nur 29 Jahren hatte Ariyeh Deri die Schas unter Jitzchak Schamir in Amt und Würden gebracht – und wurde selbst mit dem begehrten Posten des Innenministers belohnt. Es sollte der entscheidende Moment seiner Karriere werden. Denn nun saß Deri qua Amt an den Geldquellen, von denen seine Partei immer geträumt hatte. Er konnte über die Vergabe von Geldern an Bildungs- und Sozialeinrichtungen entscheiden – was vor allem dem von ihm mit aufgebauten Netzwerk von Suppenküchen und Schulen namens »El ha-Ma’ajan« – zu Deutsch: »Hin zur Quelle« – zugute kam. Die von ihm umsorgten arabischen Juden dankten es Deri und den Seinen in der Folgezeit. Sie votierten für Schas an der Wahlurne, und man avancierte von einer Splitter- zur Massenpartei.

Husarenritt gegen das aschkenasische Establishement

Doch der Siegeszug des Ariyeh Deri wurde 1999 jäh gestoppt. Der »Schasnik« stand seit Beginn seiner Karriere wegen Veruntreuung von staatlichen Geldern im Visier der israelischen Justiz. Just zwei Monate vor den Knessetwahlen in jenem Jahr verurteilte ihn ein Bezirksgericht in Jerusalem zu drei Jahren Gefängnis sowie einer Geldstrafe. Doch die Richter hatten einen falschen Zeitpunkt gewählt – trotz seiner Strafe begann Ariyeh Deri seinen Husarenritt gegen das aschkenasische Establishment.

Vehement beteuerte er, alle Anschuldigungen seien falsch, und stellte die Justiz als Werkzeug der linken aschkenasischen Eliten dar, die ihn, den »orientalischen« Juden, zu Fall bringen wollten. Dass der mit dem Fall betraute Richter selbst Mizrachi war, störte Deri nicht. Er erklärte ihn kurzerhand zu einer Marionette des Systems. Mit dem Segen des »Rates der Torah-Großen« der Schas schnitt er den gesamten Wahlkampf auf diesen Prozess zu und erklärte, er sei, wie so viele Mizrachim, ein Opfer aschkenasischer Diskriminierung.

Der Höhepunkt dieser Kampagne war eine Videobotschaft Deris’: In marokkanische Tracht gekleidet, polemisierte er wie in jungen Jahren gegen die Regierung, die Justiz und das aschkenasische Establishment. Der Titel dieses 90-minütigen Films lautete in Anlehnung an das »J’accuse« der weltbekannten Dreyfuß-Affäre: »Ani ma’aschim! – Ich klage an!« Ariyeh Deri war – obgleich rechtskräftig verurteilt und auf dem Weg ins Gefängnis – auf dem Zenit seiner Macht. Die mizrachischen Massen liebten ihn. Er hatte es im aufgeheizten Wahlkampf geschafft, so viele Wähler wie noch nie für die Schas zu mobilisieren. Seine Partei wurde drittstärkste Kraft in der Knesset.

Und nun erklärt er, die Schas sei nicht mehr zeitgemäß. In der Partei dürfte das für Entsetzen sorgen. Einer aber wird sich insgeheim freuen: Eli Jischai. Der derzeitige Innenminister stand stets im Schatten des Charismatikers. Er muss nun nicht wieder in die zweite Reihe zurück und die Kärrnerarbeit an der Basis auf sich nehmen. Ob die von ihm geführte Schas aber gegen eine von Ariyeh Deri geführte Partei weiterhin Wahlerfolge verbuchen kann, das bleibt abzuwarten. Denn der kündigt Großes an: »Ich habe mich vor allem deshalb dafür entscheiden, in die Politik zurückzukehren, weil ich ein Bedürfnis verspüre, die Gesellschaft wieder zu vereinen, sodass wir gemeinsam den Friedensprozess beginnen können.«

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