Dienstag, 7. März 2006

Libyen: Ende der Reformen nach Absetzung des Premierministers?

Die Absetzung des reform-orientierten libyschen Premierministers Shukri Ghanem hat bei Analysten und Diplomaten Befürchtungen geweckt, nach denen der Liberalisierungskurs der Regierung zum Stillstand kommen könnte. Am Sonntag hatte der libysche Volkskongress, das "Quasi-Parlament" Libyens auf seiner jährlichen Sitzung in Syrte überraschend die Ablösung Ghanems durch seinen bisherigen Stellvertreter Baghdadi al-Mahmoudi bekanntgegeben. Eine Begründung für die Regierungsumbildung wurde nicht geliefert.

Diplomaten erklärten gegenüber Reuters, Ghanem, der in den vergangenen drei jahren mit der Unterstützung von Saif al-Islam al-Gaddafi ein breit angelegtes Reformprogramm initiiert hatte, sei nach einem Machtkampf mit konservativen Mitgliedern der Revolutionskommittees, der de-facto herrschenden Partei in dem nordafrikanischen Staat, entlassen worden.
"Die Gegenspieler Ghanems haben ihn häufig mit nationalistischen Argumenten herausgefordert", berichtet ein arabischer Diplomat in Tripoli. "Sie sagten, eine weitere wirtschaftliche Liberalisierung würde einen Ausverkauf der Wirtschaft an ausländische Investoren bedeuten, da es keine nationale Basis für Reformen gebe."

Ghanem, dem eine aufgeblähte Bürokratie entgegenstand, plante staatliche Unternehmen und Banken zu privatisieren, Regierungssubventionen auf Konsumgüter zu kürzen und dem privaten Sektor mehr Spielraum in der noch immer auf sozialistischen Grundsätzen basierenden Wirtschaft Libyens zu gewähren. Die Subventionen, die dem Staat jährlich etwa eine Milliarde US-Dollar kosteten, sollten durch direkte Zahlungen an Bedürftige ersetzt werden. Zuvor gab es Fälle in denen beispielsweiss Bauern ihr Vieh mit subventioniertem Getreide fütterten.

Offenbar hat nun auch der eigentliche starke Mann im Staate, Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, Shokri Ghanem seine Unterstützung entzogen. Diplomaten erinnerten sich an ein Kabinettstreffen im Jahr 2004, indem einige sozialistische Hardliner die Ablösung des Ministerpräsidenten gefordert hätten. Schließlich habe sich aber Gadhafi mit den Worten "Dieser Mann beherrscht die Wirtschaft sehr gut und es wäre besser für euch und das Land ihn zu behalten" in die Diskussion eingemischt und seinen Sturz verhindert. Einen ähnlichen Schritt konnte oder wollte der Oberst nun nicht mehr wagen.
Der neue Regierungschef Baghdadi Mahmudi ist ein 60-jähriger Mediziner, der bis dato Gesundheitsminister war. Nach Einschätzung von Analysten ist eher weit weniger reformfreudig als sein Vorgänger.

Keine Kommentare: