Donnerstag, 20. September 2007
Libanon: Nach dem Anschlag auf Antoine Ghanem
Mit Antoine Ghanem ist gestern der siebte anti-syrische Politiker im Libanon seit 2005 ermordet worden. Mindestens sechs weitere Menschen wurden getötet als am späten Nachmittag im Beiruter Vorort Sin el-Fil eine Bombe in einem gestohlenen Mercedes explodierte, gerade als der Wagen des maronitischen Parlamentsabgeordneten der Falangisten-Partei "Kataeb" vorbeifuhr. Unter den Toten sind Ghanems Fahrer sowie eine unbekannte Person die neben dem 64-Jährigen auf der Rückbank saß.
Der Anschlag ereignete sich sechs Tage bevor am 25.September das libanesische Parlament zur Wahl eines neuen Staatspräsidenten zusammenkommen soll. Dass dann auch ein neuer Staatschef gewählt wird, ist nun noch unwahrscheinlicher geworden. Das anti-syrische Regierungslager "14.März" verfügt nach der Ermordung Ghanems nur noch über 68 der 128 Mandate in der Nationalversammlung. Um ohne Unterstützung der Opposition einen neuen Präsidenten notfalls auch mit einer einfachen Mehrheit wählen zu können, muss ein Kandidat mindestens 65 Stimmen auf sich vereinigen können. Mehrere Abgeordnete des "14.März", unter ihnen Ghassan Tueni, Herausgeber der größten libanesischen Zeitung "al-Nahar", hatten vor dem Attentat auf Antoine Ghanem jedoch erklärt, eine Wahl mit einfacher Mehrheit verhindern zu wollen, in dem sie sich der Stimme enthalten.
Bereits nach den Anschlägen auf Pierre Gemayel und Walid Eido wurde von Regierungsseite die Anschuldigung erhoben, die Opposition und ihre mutmaßlichen Verbündeten in Syrien wollten mit den Anschlägen die Parlamentsmehrheit "wegbomben". Um die Vorwürfe ins Leere laufen zu lassen, stimmte die Opposition schließlich der Durchführung von Nachwahlen im August zu, bei denen die oppositionelle "Freie Patriotische Bewegung" (FPM) den Sitz von Gemayel gewann. Bis zum Dienstag, dem Tag an dem das Parlament zur Präsidentenwahl zusammentreten soll, ist eine solche Nachwahl um das Mandat von Antoine Ghanem jedoch unmöglich. Sollte es jedoch zu einem späteren Zeitpunkt Nachwahlen geben, könnte sich die Opposition durchaus Chancen auf den Sitz ausrechnen, da zu dem Wahlbezirk Baabda auch die schiitischen Vororte Beiruts liegen, die eine Hochburg der Hizbollah sind. Die Hizbollah wiederum bildet ein Bündnis mit der FPM von Michel Aoun.
Für die Vertreter des Regierungslagers und ihre Unterstützer scheint klar, dass Syrien hinter dem Anschlag vom Mittwoch steckt. Damaskus wolle verhindern, dass ein Mann Präsident des Libanon wird, der entschieden gegen jede Einmischung des Assad-Regimes in die inneren Angelegenheiten des Libanon vorgeht. Außerdem sei der gestrige Anschlag eine Reaktion Syriens auf den israelischen Luftangriff vor 14 Tagen. Syrien hat eine Verstrickung in die Anschlagsserie gegen libanesische Politiker in einer Stellungnahme erneut bestritten. Bis heute ist kein einziges Attentat der letzten Zweieinhalb Jahre aufgeklärt worden.
Anhänger der Opposition verweisen darauf, dass die Anschläge kaum den Zielen der Regierungsgegner und ihrer Popularität dienlich seien. So wird etwa auf die Umstände des Mordes an Pierre Gemayel im Dezember 2006 verwiesen, der dazu führte, dass die Hizbollah eine Großkundgebung in Beirut aus Pietätsgründen absagen musste. Beim jetzigen Attentat verweisen Oppositionsanhänger auf die jüngste Initiative von Parlamentssprecher Nabih Berri, der einen Kompromiss mit der Regierung schließen wollte. Dieses Vorhaben wird nun durch den erneuten Anschlag torpediert.
Was bleibt ist viel Raum für Spekulationen und Verschwörungstheorien. Antoine Ghanem war erst zwei Tage vor dem Attentat aus Abu Dhabi nach Beirut zurückgekehrt. Nur wenige Vertraute sollen von seiner Rückkehr gewusst haben, was für Täter aus seinem Umfeld spräche. Regierungspolitiker erklärten, die libanesischen Sicherheitskräfte am Flughafen seien von Syrien infiltriert worden, das daher Kenntnis von der Ankuft Ghanems erhalten habe.
Die Fots hat eine Augenzeugin des Anschlags gemacht.
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1 Kommentar:
Man sollte besser anstatt von ,,Politiker wurde ermordet'' von ,,Politiker wurde assadiert'' sprechen. Die Motivation der Assadierung von anti-syrischen libanesischen Politikern liegt auf der Hand. Eine Verurteilung der Täter und Hintermänner ist sehr unwahrscheinlich, Syrien, Iran und Hisbollah haben kein Interesse an einer Aufklärung der Taten. So bleibt als einziges Mittel, das Kind beim Namen zu nennen.
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