Dienstag, 4. Dezember 2007

Iran hat Atomprogramm seit 2003 gestoppt

Der Iran hat sein Atomprogramm im Herbst 2003 auf Eis gelegt und ist nach jetzigem Stand acht Jahre von der Entwicklung einer Nuklearwaffe entfernt. Dies geht aus dem Bericht "Iran - Nuclear Intentions and Capabilities" hervor, der vom National Intelligence Council herausgegeben wurde und auf Erkenntnissen der 16 amerikanischen Geheimdienste basiert.

Die Kernaussagen des 9-seitigen Berichts, der der Öffentlichkeit zugängig gemacht wurde:

  • Bis zum Herbst 2003 hat das iranische Militär an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet
  • Bis Mitte 2007 wurde das Programm nicht wieder aufgenommen, ob der Iran gegenwärtig die Entwicklung von Nuklearwaffen anstrebt ist unklar
  • Iran verfügt derzeit nicht über Nuklearwaffen
  • Teherans Entscheidung das Atomwaffenprogramm einzustellen legt nahe, dass [Teheran] weniger entschlossen scheint Nuklearwaffen zu entwickeln, als dies noch 2005 den Anschein hatte. Das Programm wurde wahrscheinlich auf Grund des wachsenden internationalen Drucks unterbrochen, was den Schluss nahe legt, dass der Iran empfindlicher auf Einflüsse von Außen reagiert als erwartet.
  • Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Iran spaltbares Material aus dem Ausland importiert hat, das ausreichend für den Bau einer Atomwaffe wäre.
  • Iran hat siginifikante technische Probleme beim Betrieb der Uranzentrifugen in Natanz
  • Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Iran bis Ende 2009 genügend hochangereichertes Uran für den Bau einer Waffe hergestellt haben wird.
  • Es ist möglich, dass der Iran zwischen 2010 und 2015 über die technischen Möglichkeiten verfügen wird, eine ausreichende Menge an hochangereichertem Uran zu produzieren. Alle Geheimdienste weisen jedoch auf die Möglichkeit hin, dass diese Fähigkeit erst nach 2015 erlangt werden könne.
  • Iran entwickelt weiterhin technische Fähigkeiten, die auch für die Entwicklung von Atomwaffen genutzt werden könnten. Das zivile Programm zur Urananreicherung wird unvermindert fortgesetzt.
  • Es gibt nicht genügend Erkenntnisse darüber, ob die iranische Führung das militärische Atomprogramm für unbegrenzte Zeit aussetzt oder ob es Kriterien gibt, die den Iran zu einer Wiederaufnahme bewegen könnten.
  • Teherans Entscheidungen basieren auf Kosten-Nutzen-Rechnungen. Daher könnte Teheran mit einer Kombination aus internationaler Überwachung und Druck einerseits und dem Aufzeigen von Möglichkeiten zur Wahrung seiner Sicherheit, seines Prestiges und seines regionalen Einflusses auf anderen Wegen zu einem dauerhaften Stopp seines Nuklearprogramms bewegt werden.
  • Nur eine iranische politische Entscheidung zur Aufgabe des Atomwaffenprogramms würde den Iran glaubhaft davon abhalten, schließlich Nuklearwaffen zu produzieren.
  • Der Iran würde versteckte Anlagen zur Urananreicherung nutzen. Dies war nach Geheimdiensterkenntnissen bis Herbst 2003 der Fall.
  • Bis 2015 wird der Iran nicht in der Lage sein, genügend Plutonium für den Bau einer Waffe zu produzieren.
  • Der Iran hat die wissenschaftlichen, technischen und industriellen Kapazitäten um Nuklearwaffen zu produzieren, sollte es sich dazu entscheiden, dies zu tun.

Wie praktisch bei allen Geheimdienstberichten liegt bislang im Dunkeln, aus welchen Quellen sich dieser Bericht speist. Sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass Aussagen des ehemaligen Generals der iranischen Revolutionsgarden und Ex-Ministers Ali-Reza Asgari zu den neuen Erkenntnissen beigetragen haben. Asgari war am 7.Februar 2007 in Istanbul verschwunden. Nach Angaben iranischer Medien wurde Asgari von CIA und Mossad entführt, israelische Zeitungen berichteten hingegen, der Mann sei übergelaufen. Die panarabische Zeitung "al-Sharq al-Awsat" berichtete schon damals, dass Asgari wichtige Informationen über das iranische Atomprogramm besitze.

Geht man von Asgari als maßgeblicher Quelle für den Bericht aus, würde dies gleichzeitig bedeuten, dass die US-Regierung schon seit mehreren Monaten vom tatsächlichen Stand des iranischen Programms wusste, der sich nicht mit den alarmierenden Aussagen des US-Präsidenten deckte. Noch im Oktober hatte George Bush von einem möglichen 3.Weltkrieg gesprochen, sollte der Iran die Fähigkeit gelangen hochangereichertes Uran zu produzieren. Der nationale Sicherheitsberater Stephen Hadley wollte beim gestrigen Pressebriefing keine genauen Angaben darüber machen, ob Bush zu diesem Zeitpunkt von den neuesten Geheimdiensterkenntnissen wusste.

2 Kommentare:

Shual hat gesagt…

Vielleicht wäre eine kurze Erläuterung hilfreich.

In der Gaszentrifugen-Anlage in Natanz wird Uran "angereichert", eine Gasmischung erzeugt die das Isotop U-235 enthält. Für eine zivile Nutzung des zu Pellets und Brennstäben zu verarbeitenden Gasgemischs benötigt man einen Gehalt von mindestens 3% Isotop U-235. Wollte man jedoch das Isotop für eine Atomwaffe produzieren müßte der Gehalt bei min. 70% liegen.

Der Bericht der NIS sagte aus das "heute" technische Schwierigkeiten beim Betrieb auftreten. Die IAEA hat kürzlich den erreichten Anteil an Isotop U-235 mit 4% angegeben. Solltte der Iran nun Interesse an einer Atombombe entwicklen müßten diese beiden Punkte gelöst werden.

Sollte daraufhin die existierende -kleine- Anlage zwischen 1,5 und 2 Jahren reibungslos arbeiten würde man für EINE Atombombe Material erhalten. Wenn also eine der services ein "AtombombenPROGRAMM" -mehr als eine Bombe- auf frühstens 2013 datiert wird damit gerechnet das der Iran mehrere Anlagen vor Ort auf Reibungslos-Betrieb im Jahr 2010/11 in Betrieb nehmen.

Der Unterschied zur bisherigen Formel "frühestens Ende 2009" entsteht weil nicht mehr nach VORNE gerechnet wird, sondern genau umgekehrt.

Deswegen ändert sich etwas für die Bush-Admin, da deren Amtszeit im Januar 2009 abläuft und eine Angriffsentscheidung von Bush den hochgerechneten Wert in Betracht hätte ziehen müssen. Nun wird bereits für die kommende Präsidentschaft herunter gerechnet.

Dieses Vorgehen wurde im Mai 2006 durch eine demokratische Initiative angestoßen: [Senate Democrats today sent the following letter to President Bush, urging him to direct the Intelligence Community to produce an updated National Intelligence Estimate on Iran. With Iran’s nuclear weapons program a growing focus for the nation, Democrats want to ensure the Administration presents the Congress and the American people with up-to-date and accurate intelligence about Iran’s capabilities and intentions.] Bushs Vorgehen hier [jensetis der Rhetorik] war durchaus beachtlich rechtsstaatlich. Na, er war ja auch ein gebranntes Iraq-Kind.

Anonym hat gesagt…

Ich hatte gleich ein mulmiges Gefühl, als ich die Nachricht las, die CIA hätte ein Bericht über das Stoppen des Atomprogramms herausgebracht. Irgendwas klang hier schief.
Seit wann bringt die CIA einen Bericht heraus, ohne ihn vorher der Regierung vorzulegen und stellt ihn auch gleich der Öffentlichkeit zur Verfügung, ohne Anforderung und mit nett designtem Paper?
Die iranische Regierung hat das auch erst nach zwei Tagen bemerkt. Erst großer Jubel, ja siehste mal, der Bericht bestätigt unsere "Unschuld", wir haben gar kein Atomwaffenprogramm! Bis sie jetzt, nach 2 Tagen - viel zu spät - bemerken, daß sie damit quasi zugegeben haben, ein Atomwaffenprogramm besessen zu haben und es verzweifelt und unglaubwürdig leugnen. Und das ist gar nicht sooo lange her, Zeit zum Einmotten hatten die bestimmt nicht. Geben sie dem NIE-Bericht recht, verlieren sie und leugnen sie ihn, verlieren sie ebenfalls.
So kann sich die Welt darauf stützen, daß Iran nach der Atombombe strebt und gefährlich bleibt, unabhängig vom jetzigen friedlichen Atomprogramm, unabhängig von allen weiteren Berichten der IAEA. Die Auseinandersetzung drohte ja für die USA langsam zum Fiasko zu werden, Bush musste schon sanfte Töne anschlagen, um die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren.
Raffiniert und Iran ist voll drauf reingefallen.