Donnerstag, 15. Dezember 2005
Irak: Schiiten protestieren gegen Al-Jazeera
Tausende Schiiten haben heute in mehreren irakischen Städten gegen den arabischen Satelliten-Sender al-Jazeera protestiert. Sie verlangten von dem in Qatar ansässigen TV-Kanal eine Entschuldigung für eine ihrer Meinung nach beleidigende Bemerkung gegenüber dem führenden schiitischen Geistlichen im Irak, Großayatollah Ali Sistani.
In einer der zahlreichen Talkshows auf al-Jazira, der mit dem Slogan "Meinung und Gegenmeinung" um Zuschauer wirbt, hatte ein Gast erklärt, Sistani solle sich aus der irakischen Politik fernhalten. Der Ayatollah, der bis heute gerade wegen seiner quietistischen Haltung auch bei der US-Regierung Respekt genießt, hatte zuvor alle Iraker aufgerufen bei der Abstimmung ihrem Glauben und religiösen Grundsätzen zu folgen.
"Dies ist ein Protest gegen den Verräter al-Jazeera", erklärte eine Demonstrantin in Baghdad gegenüber der BBC. "Das ist nicht zum ersten Mal passiert und wir betrachten den Vorfall als eine Beleidigung für alle Muslime. Das ist nicht nur eine Beleidigung für Sayyid Sistani und die Schiiten, sondern eine Beleidigung für alle Muslime und Araber."
In der für Schiiten heiligen Stadt Najaf, der Grabstätte des Imams Ali, stimmten nach Angaben der BBC auch Polizisten in den Chor der Tausenden ein, die Slogans wie "Nein zu al-Jazeera, nein zum Terrorismus" skandierten.
Der Ärger den die eigentlich harmlose Äußerung des Talkshow-Gastes, die von nicht wenigen Irakern geteilt wird, ausgelöst hat, kommt durchaus überraschend. Natürlich bot sich dieser Vorfall für eine politische Ausbeutung am heutigen Wahltag aus Sicht der schiitischen Wahlkämpfer an. Zwar wird erwartet, dass schiitische Parteien auch im neuen Parlament die Mehrheit stellen, doch dürfte diese geringer ausfallen als bisher, da die sunnitische Bevölkerungsminderheit, die die Wahlen im Januar noch weitgehend boykottiert hatte, nun in größerer Zahl in die Wahllokale strömt. Gleichzeitig zeigen die heutigen Demonstrationen einmal mehr die Spannung zwischen sunnitischen und schiitischen Irakis.
al-Jazeera ist im Irak weniger beliebt als in anderen arabischen Ländern. Viele Iraker beschuldigen den Sender der Parteinahme für Saddam Hussein und die mehrheitlich sunnitischen Aufständischen. Auch deshalb hat die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad dem Kanal die Arbeit außerhalb der Hauptstadt untersagt. Immer wieder wird der Sender von Aufständischen zur Verbreitung ihrer Video-Botschaften genutzt.
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