Montag, 5. Dezember 2005

Libanon: Massengrab in Anjar entdeckt


In der ostlibanesischen Stadt Anjar sind am Wochenende in einem Massengrab die Skelette von mindestens 28 Menschen entdeckt worden. Wie die in Beirut erscheinende Zeitung "Daily Star" in ihrer heutigen Ausgabe berichtet, erwarten die Behörden, dass insgesamt über 40 Leichen dort verschart worden seien.
"Einige Knochen in dem Grab liegen seit mehr als 20 Jahren dort.", erklärte der Forensiker Fouad Ayoub der mit der Untersuchung des Massengrabes, das am Sonnabend von Bauern unter einem Zwiebelfeld entdeckt wurde, betraut worden ist. Die Fundstätte der Leichen befindet sich weniger als einen Kilometer von der ehemaligen Zentrale des syrischen Geheimdienstes in Libanon entfernt auf einem Gebiet, das währende des Bürgerkriegs seit Anfang der 80er Jahre von syrischen Trupen kontrolliert wurde.
Nach Angaben Ayoubs werden von den menschlichen Überresten DNA-Proben genommen, die mit denen als vermisst geltender Soldaten und Milizionäre aus dem Bürgerkrieg abgeglichen werden. Ähnliche Tests werden momentan mit 21 Leichen durchgeführt, die im November in Beit Mery nahe Beirut und auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums gefunden wurden.
Unklar ist bislang ob es sich bei den Toten von Anjar um Zivilisten oder Militärs handelt. Unbestätigten Angaben zufolge seien an einigen Körpern Überreste von Militäruniformen gefunden worden. Ehemalige Sicherheitskräfte erklärten laut "Daily Star" bei den Toten handele es sich um Angehörige einer Einheit des damaligen Interims-Premierministers Michel Aoun, die im Oktober 1990 von syrischen Truppen eingekesselt worden sei.
Syrische Quellen berichten unterdessen, die Opfer seien "Teil einer Gruppe von etwa 400 Libanesen und Palästinensern die von Abu Nidals Fatah-Revolutionsrat im Bekaatal zwischen 1986 und 1991 hingerichtet wurden". Abu Nidal war Gegenspieler von Yasser Arafat, deren Anhänger sich in den 80ern auf libanesischem Territorium einen heftigen Bruderkrieg lieferten. Beide Theorien wiedersprechen allerdings der Aussage des Forensikers.
Fraglich ist auch, ob das Massengrab wirklich zufällig entdeckt wurde. Ein Bewohner der heute überwiegend von Armeniern bewohnten Kleinstadt Anjar erklärte, er habe von dem Grab gewusst, aus Angst vor dem syrischen Geheimdienst aber 15 jahre lang geschwiegen.
Bisher haben sich weder libanesische noch syrische Politiker zu dem Fund geäußert. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen befinden sich gegenwärtig noch immer 176 Libanesen in syrischer Haft, viele von ihnen sind ohne Prozess seit 20 Jahren inhaftiert. Seit den Jahren des Bürgerkriegs, 1975 bis 1990, werden noch immer 17000 Menschen vermisst- der Fund von Anjar wird wohl kaum der letzte seiner Art sein.

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