Hier ein Artikel den ich nach einer Reise nach Libanon verfasste und der am 8. April im Neuen Deutschland erschien
Hass im Zedernstaat
Antisyrische Stimmungen zielen nicht nur auf Militärs und Geheimdienstler
Von Christoph Sydow, Beirut
Bis Ende April werden sich die syrische Armee und der Geheimdienst vollständig aus Libanon zurückziehen. Vielen Libanesen geht dieser Schritt aber offenbar nicht weit genug. Immer häufiger schlägt die Kritik an der syrischen Besatzung in blanken Hass auf die hunderttausenden Gastarbeiter aus dem Nachbarland um. »Die Syrer nehmen uns die Arbeitsplätze weg«, ist ein häufig zu hörender Satz, gerade unter jungen Libanesen. Diese Auffassung ist nicht neu, doch erst jetzt, im Zuge der Bewegung »Unabhängigkeit 05«, von den US-Amerikanern auch »Zedernrevolution« genannt, traut man sich, ihn offen auszusprechen.In der Tat arbeiten in Libanon, dessen Arbeitslosenrate irgendwo zwischen 20 und 30 Prozent liegt, hunderttausende Syrer oftmals für einen Bruchteil dessen, was Libanesen für die gleiche Arbeit verlangen. An einem Kreisverkehr im Beiruter Vorort Mekelles sind morgens um sieben hunderte Syrer zu beobachten, die als Tagelöhner darauf warten, von einem Autofahrer mitgenommen zu werden. »Der lässt sie dann zehn Stunden Zementsäcke schleppen, und am Ende sind sie glücklich, wenn er ihnen 10 Dollar in die Hand drückt«, sagt Abed.Der 24-Jährige ist selbst Syrer und arbeitet als Hausmeister in einem Wohnheim in der Nähe Beiruts. Auch die Pflegerinnen dort sind allesamt Syrerinnen. »So einen Job würde kein Libanese machen. Fremde Menschen waschen, sie füttern, dafür sind sich die jungen Leute hier viel zu schade«, glaubt Abed, »ohne uns Syrer könnten die den Laden hier dicht machen.«In Syrien verdient ein Arbeiter weniger als 100 Dollar im Monat, dies macht die Arbeit im Nachbarland für viele interessant. Viele junge Libanesen ohne Job dagegen lassen sich lieber von ihren Familien aushalten oder sie profitieren von Überweisungen der bis zu acht Millionen im Ausland lebenden Libanesisch-Stämmigen. Gerade Jugendliche aus Tripolis, Saida und vor allem Beirut sind der Motor der antisyrischen Bewegung, die seit dem Attentat auf den ehemaligen Premierminister Rafik Hariri am 14. Februar mit Großdemonstrationen in Beirut auf sich aufmerksam machte. In Markenjeans gekleidet, die Augen hinter großen Sonnenbrillen verborgen, beklagen sie sich über die »syrischen Schmarotzer«.George, ein junger Druse aus Beirut, sagt: »Alle Libanesen hassen alle Syrer, weil sie nicht denken können und uns die Arbeitsplätze wegnehmen.« Reifere Argumente sind auch von anderen Jugendlichen nicht zu hören, die den Nachmittag an der Corniche verbringen, die libanesische Flagge lässig um den Hals gewickelt.Diese Stimmung von Borniertheit und Hass wird angeheizt durch jüngste Angriffe auf christliche Viertel, die pauschal »den Syrern« zugeschrieben werden. Nach Übergriffen auf ihre Landsleute in Tripolis und Saida haben die ersten Syrer das Land bereits verlassen. Unter vielen Christen, die etwa ein Drittel der Bevölkerung bilden, macht sich währenddessen die Sorge breit, dass diese Angriffe die prosyrische Hisbollah auf den Plan rufen und damit eine weiter Verschärfung der Lage bewirken könnten. Ganz abgesehen davon, droht die libanesische Unabhängigkeitsbewegung durch fremdenfeindliche Töne im Rest der Welt an Ansehen und Unterstützung zu verlieren.
Dienstag, 2. August 2005
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