Donnerstag, 11. August 2005
Irak: Schiitenführer fordern Autonomie
Vier Tage vor Ablauf der Frist für eine Einigung in der Verfassungsfrage fordert der Vorsitzende des Obersten Rates für die Islamische Revolution (SCIRI), Abdul Aziz al-Hakim(Foto), die Errichtung eines autonomen Bundesstaates für die schiitische Bevölkerungsmehrheit. Bei einer Massenkundgebung am Grabmal Imam Alis in Najaf erklärte al-Hakim heute vor zehntausenden begeisterten Anhängern, dass eine zusammenhängende Region unter schiitischer Führung für die Sicherheit seiner Glaubensbrüder unerlässlich sei. "Was können wir von einer Zentralregierung erwarten außer den Tod?", fragte Hadi al-Amery, Chef der dem SCIRI unterstellten Badr-Miliz.
Unter der Herrschaft Saddam Husseins waren die Schiiten von der Macht quasi ausgeschlossen und immer wieder Repressionen ausgesetzt, so nach einem missglückten Aufstand 1991. Nach dem Einmarsch der US-Amerikaner vor zweieinhalb Jahren sind sie immer wieder Ziel von Anschlägen, die Anhängern des jordanischen Al-Qaida-Führers im Irak, Abu Mussab Az-Zarqawi zugeschrieben werden. Der Vorschlag al-Hakims ist daher auch als Reaktion auf diese Entwicklungen zu verstehen, und stößt bei vielen Schiiten auf große Sympathie.
Sunnitsche Politiker lehnten diese Forderung umgehend ab, ähnlich äußerte sich ein Sprecher der Regierung Ibrahim al-Jaafaris, selbst ein Schiit und Mitglied der mit dem Iran-nahen SCIRI konkurrierenden Dawa-Partei. Auch Bahaa al-Araji, schiitisches Mitglied in jenem Kommitee, das bis zum Montag eine Verfassung ausarbeiten soll, lehnte al-Hakims Projekt als "sektiererisch und auf eine Trennung des Irak abzielend" ab.
Das Kalkül hinter der Forderung ist klar: Mitten in die heiße Phase der Verhandlungen um eine neue Verfassung wollen die iran-nahen Schiiten ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen. Gerade in den letzten Tagen wurde die Frage nach der Verteilung der Einkünfte aus den ÖL-Exporten heiß diskutiert. Im schiitischen Kernland unweit der Städte Kufa, Najaf und Karbala gibt es große Ölfelder, viele von ihnen sind noch unerschlossen.
Auch den US-Amerikanern kann daher an einer Umsetzung der Forderungen nicht gelegen sein. Die Vorstellung eines autonome Schiitenstaats im ölreichen Süden des Irak, womöglich nach Vorbild der Islamischen Republik Iran, dürfte so manchem in Washington schlaflose Nächte bereiten.
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