Mittwoch, 22. März 2006

Baalbek - ein Besuch in der Hochburg der Hizbollah

Die libanesische Stadt Baalbek ist nicht nur für ihre monumentalen Tempelruinen aus römischer Zeit berühmt - seit den 1980ern gilt die Stadt im Bekaa-Tal auch als Hochburg der Schiitenmiliz Hizbollah.
Schon wenn man sich der Stadt aus südlicher Richtung durch die Beqaa-Ebene nähert, stechen in den Dörfen am Rande der Straße gelbe, rote oder schwarze Fahnen der Hizbollah, Porträts ihres Anführers Hassan Nasrallah oder Khomeinis, sowie die Bilder zahlreicher "Märtyrer" ins Auge, die während des Bürgerkriegs auf Seiten der Miliz ihr Leben ließen. Ebenso auffällig sind Werbetafeln für die "Mahdi-Schulen" der Hizbollah. Auf ihnen sind wahlweise Jungen oder verschleierte Mädchen zu sehen, die entweder gebannt auf einen Computerbildschirm starren oder eifrig über ihre Schulhefte gebeugt sind. Hanffelder, die noch bis vor wenigen Jahren den Grundstoff für den "Roten Libanesen" lieferten, sucht man zumindest in diesem Teil des Beqaa-Tals vergebens.
Auch in der etwa 80000 Einwohner zählenden Stadt selbst "schmücken" zuhauf Bilder diverser schiitischer Geistlicher und milchbärtiger Märtyrer, die häufig vor einem Photo des Jerusalemer Felsendoms abgebildet wurden, die Straßen. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs vor einem Jahr waren jedoch auch zahlreiche Bilder des kurz zuvor ermordeten libanesischen Ex-Premiers Rafiq Hariri zu sehen, der seither im offiziellen Sprachgebrauch der Hizbollah trotz seines Syrien-kritischen Standpunkts als "Shahid", also Märtyrer, gefeiert wird.

Die antiken Ruinen des 15 v-Chr. gegründeten Heliopolis in Baalbek sind in der Tat höchst bewundernswert. Besonders der Bacchus-Tempel blieb bis heute gut erhalten und die sechs freistehenden Säulen, die vom Jupitertempel übrig geblieben sind, gelten als die höchsten freistehenden Säulen aus antiker Zeit.

In der Post von Baalbek versuchte ich anschließend eine syrische Postkarte zu verschicken. Dies sorgte zwar bei dem Postbeamten (Zitat: I hate the Syrians) für Unbehagen, angekommen ist die Karte trotzdem. Anschließend fragte ich verstohlen, ob man hier denn irgendwo einen Schlüsselanhänger oder ähnliches der Hizbollah erwerben könne. Der Beamte rief einen Kollegen, der uns bat in sein Auto zu steigen. Wann immer wir bisher beim Trampen in Privatautos oder in Taxen mitfuhren, konnte man die Religion des Fahrers anhand von Marienbildchen, Rosenkränzen, Koranminiaturen oder Bildern sofort erkennen. Am Rückspiegel dieses BMWs baumelte hingegen "Footix", das zu Recht längst vergessene Maskottchen der Fussball-WM 1998 in Frankreich. Unser Begleiter war Anfang 20, trug eine randlose Brille, hatte die Haare nach hinten gegelt und hätte in Deutschland als BWL- oder Jurastudent durchgehen können. Er fuhr uns zum kleinen Laden einer verschleierten Frau, wo wir Aufkleber und Schlüsselanhänger erstanden. Anschließend fragte der Postbedienstete, ob wir Lust auf einen Kaffee hätten. Er hielt an, kaufte an einer Art "Drive-In-Stand" drei starke libanesische "Ahwe" und fuhr mit uns weiter durch die Stadt.
Plötzlich fing er an etwas von "Yahudi - Juden" zu erzählen und hektisch auf ein paar Ruinen am Straßenrand zu zeigen, die zum Teil unter Wasser standen und zwischen denen Enten umherschwammen. Komisch, von den Ruinen jüdischer Gotteshäuser war in meinem Reiseführer gar nicht die Rede gewesen. Durch das Imitieren von Flugzeuggeräuschen und dem Knall explodierender Bomben, sowie weitere Erläuterungen machte er dann deutlich, dass sich hier ein Krankenhaus befunden habe, das 1983 von israelischen Kampfjets bombardiert worden sei. Anschließend stellte sich unser Begleiter als "Jugendaktivist" der Hisbollah, die von USA und EU als Terrororganisation geführt wird, vor. Es folgte ein kurzer Vortrag über die "Partei Gottes", bevor wir am Busbahnhof abgesetzt wurden. Dort musste ich feststellen, dass ich meinen Reiseführer im Wagen des Hisbollah-Mitglieds vergessen hatte. Also gingen wir zurück zur Post, von wo aus Beamte ihren Kollegen anriefen und zurück bestellten.

Diesmal erschien der junge Mann in Begleitung zweier Männer im Jeep. Der eine, er trug eine Camouflage-Uniform, wurde uns als Soldat der libanesischen Armee vorgestellt, der zweite, ein Bärtiger in Zivil, sei Mitglied der "Hizbollah-Armee". Es folgte der übliche Fragemarathon: "Welches Land ist schöner, Syrien oder Libanon?" Meine halb ironisch gemeinte Bemerkung: "Libanon und Syrien sind zwei sehr schöne Bruderstaaten.", wurde mit Zustimmung aufgenommen. Als ich die obligatorische Frage nach unserer Religion zunächst lapidar mit dem Satz: "Actually we are non-believers" und anschließend zur Verdeutlichung mit dem arabischen: "Nahnu Kuffar" beantwortete, verfinsterten sich die Mienen unserer Gesprächspartner kurzzeitig. Als ich auf Nachfrage angab, natürlich doch an den einen Gott zu glauben, war wieder alles in Butter, gegen Christen habe man schließlich nichts.
Die beiden Herren waren so freundlich uns in ihrem Jeep zum Busbahnhof zu bringen, nicht ohne die drei-minütige Fahrt dorthin zu nutzen um uns über die "zionistischen Medien in Europa und den USA" aufzuklären und uns darüber zu informieren, dass es, al-hamdu li`llah, mit dem Hisbollah-eigenen Fernsehsender "al-Manar" (der Leuchtturm) und der Zeitschrift "al-Ahd" (das Versprechen) zumindest zwei wackere Medienorgane gebe, die stets die Wahrheit berichteten.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sicher ein interessanter Ausflug.
Man sollte sich aber nicht blenden lassen, auch der Feind sieht aus wie ein Mensch. Wichtig ist das, was er denkt.

Anonym hat gesagt…

Du hast also der Hisbullah Aufkleber und Schlüsselanhänger abgekauft. Hmm... vielleicht auch Interesse an alten Wehrmachtsuniformen, SS-Abzeichen oder so?