Im Nordwesten Syriens, entlang des knapp 200 Kilometer langen Küstenstreifens und dem dahinter liegenden Hügelland, befindet sich das Hauptsiedlungsgebiet der Alawiten, jener religiösen Minderheit der Staatschef Baschar al-Assad und viele Männer an den Schaltstellen von Politik und Militär in Syrien angehören.
Von einigen orthodoxen sunnitischen Muslimen werden die Alawiten als "Übertreiber", arabisch: ghulat, angesehen und deshalb als Abtrünnige bezeichnet. Baschars Vater, Hafez al-Assad, ließ sich 1973 vom schiitischen Rechtsgelehrten Musa as-Sadr in einer Fatwa bestätigen, dass die Alawiten, die etwa 10% der syrischen Bevölkerung stellen, zu den Schiiten zählen. Die göttliche Überhöhung des schiitischen Imams Ali durch die Alawiten bzw. Nusairier ist vielen Sunniten zuwider. Beargwöhnt werden zudem ihre Geheimlehren- und riten, was nicht selten zu einer religiös-sozialen Isolation der Alewiten in der syrischen Gesellschaft geführt hat. Wohl auch um dem entgegen zu wirken ehelichte Baschar al-Assad mit Asma al-Akhras eine Sunnitin. Interkonfessionelle Eheschließungen sind unter den Alawiten sonst eine Seltenheit.
In Lattakia, der wichtigsten syrischen Hafenstadt, wird der alawitische Einfluss besonders durch die verschwindend geringe Zahl an Frauen mit Kopftüchern deutlich. Anders als etwa in Aleppo bilden diese die hier die große Ausnahme von der Regel. Ebenso ist hier der Alkoholausschank in Cafés und Restaurants keine Seltenheit. Auffällig waren bei unserem Besuch vor einem Jahr die zahlreichen Banner mit denen der Hauptplatz im Zentrum Lattakia ausstaffiert wan. Zu lesen war dort etwa: "Libanon und Syrien sind ein Volk" oder "Nein zu UN-Resolution 1559", die den Rückzug syrischer Truppen aus dem Nachbarstaat forderte.
Etwa 30 Kilometer außerhalb von Lattakia, im hügeligen Hinterland gelegen, befindet sich Qardaha, der Geburtsort von Hafiz al-Assad. Heute befindet sich in dem kaum über 1000 Einwohner zählenden Dorf das Mausoleum des ehemaligen Staatschefs. Trotz der geringen Einwohnerzahl dieses Örtchens führt eine vierspurige Schnellstraße bis wenige hundert Meter vor den Ortseingang. In Qardaha selbst deutet nur wenig auf die besondere Bedeutung des Dorfes hin. Hinweisschilder für das Mausoleum sucht man vergebens und erst nach mehrfacher Nachfrage gelangen wir zu dem sternförmigen Bau am hintersten Ende des Ortes. Vor dem Gebäude befindet sich ein schmuckloser Unterstand mit Wellblechdach der sicherstellen soll, das bei der alljährlichen Trauerfeier zum Todestag Assads alle Gäste trockenen Fußes ins Innere gelangen.
An diesem Tage war das Wachpersonal offenbar nicht auf Besuch eingestellt; es vertrat sich gerade vor dem Bau die Beine und kam gerade rechtzeitig um seine Positionen einzunehmen und eine betroffene Miene aufzusetzen. Das Innere des Mausoleums besticht durch seine Schlichtheit. Man verzichtete auf Ausschmückungen und Verzierungen aller Art, der Boden ist mit grauem Stein ausgeschlagen. In der Mitte der Halle befindet sich das mit grünen Stoffen bedeckte Grab des Ex-Diktators, davor ruht eine aufgeschlagene Ausgabe des Koran. Etwas seitlich davon wurde Basil al-Assad bestattet, der älteste Sohn und designierte Nachfolger von Hafiz, der aber 1994 bei einem Autounfall in der Nähe des Flughafens von Damaskus in den Tod raste und seither im offiziellen Sprachgebrauch der Baath-Partei als "Märtyrer" geführt wird.
Zum Abschluss reichte einer der Bediensteten, der wie seine Kollegen ein stilisiertes Porträt Assad Seniors auf der Krawatte trug, aus einer Thermoskanne Kaffee.
Mittwoch, 29. März 2006
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