Montag, 20. März 2006

Tunesien feiert 50.Jahrestag der Unabhängigkeit


Mir einer gemischten Bilanz feiert Tunesien heute den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit von Frankreich - der Mittelmeerstaat wird auf der einen Seite für seine wirtschaftliche Dynamik gelobt, Menschenrechtler kritisieren das Land scharf.

Der 10-Millionen-Einwohner-Staat kann ein stabiles Wirtschaftswachstum vorweisen - im vergangenen Jahr betrug der Anstieg 4,2% und für 2005 rechnet man mit bis zu 6 Prozent - und gilt als Musterbeispiel für sozialen Fortschritt in der Arabischen Welt.
Das Land verschaffte sich früh ein positives Image in der Welt, denn der "Vater der Unabhängigkeit" und ehemalige Staatspräsident Habib Bourguiba förderte die Frauenrechte um einen modernen, pro-westlichen Staat zu schaffen. Er vollführte spektakuläre symbolträchtige Handlungen um die Säkularisierung der Gesellschaft zu unterstreichen - so trank er während der Fastenzeit im Ramadan vor laufenden Kameras ein Glas Limonade und verbat anlässlich des Opferfestes die Hammelschlachtung.
Tunesien wurde das erste arabische und muslimische Land, indem Gesetze den Schutz der Persönlichkeitsrechte wahrten. Das Recht des Ehemannes, seine Frau zu verstoßen wurde unterdrückt, die Zivilehe eingeführt und Scheidungen legalisiert. Die Gleichheit der Geschlechter ist in der Verfassung verankert. Gegenwärtig sind sechs Frauen Regierungsmitglieder, ein Viertel der Parlamentsabgeordneten sind Frauen, 40% der Universitätslehrer sind ebenfalls Frauen und der Anteil der Studentinnen an den Hochschulen beträgt gar mehr als 50%.

Ungeachtet dieser Errungenschaften haben sich in den vergangenen Jahren die Klagen über politische Repressalien gehäuft. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat Tunesien zusammen mit Staaten wie China und Vietnam auf die Liste der Länder gesetzt, "die weiterhin Oppositionelle einsperren, Journalisten verfolgen und sogar einfache Internet-User bestrafen." Für internationalen Unmut sorgte die Tatsache, dass ausgerechnet Tunsien im vergangenen November den Welt-Informationsgipfel der UN ausrichten durfte. Die US-Regierung äußerte hinterher ihr Bedauern darüber, dass die tunesische Regierung nicht in der Lage gewesen sei,ihre Verpflichtung zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit deutlich zum Ausdruck zu bringen.
Tunesiens Regierung antwortet auf internationale Kritik stets mit dem Verweis auf den "Kampf gegen den Terror" und das Bestreben sein fortschrittliches System angesichts des islamischen Fundamentalismus erhalten zu wollen. Beeits vor 20 Jahren wurde ein Mehrparteiensystem eingeführt. Dennoch ist Staatschef Zain al-Abidin Ben Ali die alles dominierende Figur im politischen System Tunesiens, die die Opposition mit harter Hand unterdrückt.

Wirtschaftlich hat sich der Maghrebstaat von einem Land mit staatlicher Industrie in den letzten Jahrzehnten zu einer freien Marktwirtschaft entwickelt. 1995 unterzeichnete das Land ein Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union. Tourismus ist für Tunesien, das anders als seine großen Nachbarn Algerien und Libyen praktisch ohne Erdöleinnahmen leben muss, die wichtigste Einnahmequelle. Jährlich besuchen etwa sechs Millionen ausländische Gäste das Land. Wie in anderen Staaten der Region auch, bleibt die Arbeitslosigkeit das Hauptproblem der tunesischen Gesellschaft - nach offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei 15%.

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