Das Internet ist in Syrien zum wichtigsten Medium für die Verbreitung regimekritischer und oppositioneller Meinungen und Stimmen geworden. Zwar müssen die Macher dieser Internetseiten und Blogs jederzeit befürchten, für allzu drastische Kritik hinter Gitter zu wandern, dennoch gelingt es ihnen verstärkt, die etwa 500000 meist jugendlichen Internetuser in Syrien zu beeinflussen.
Die wohl bekannteste und provokativste Seite ist All4Syria , die jedoch seit ihrer Entstehung im März 2003 immer wieder von der Regierung behindert wird und oft mehrere Tage oder Wochen ausfällt. Geführt wird sie von Ayman Abdel Nur, Mitglied der herrschenden Baath-Partei und Sandkastenfreund von Syriens Präsident Baschar al-Assad, der selbst als Computerfreak gilt und vor seiner Amtsübernahme Chef des staatlichen Computerclubs war.
Gegenüber Human Rights Watch erklärte Nur im November 2005, bis zu 15000 Besucher würden täglich seine Seite anklicken. "Wir überschreiten alle roten Linien. Wir attackieren den Sicherheitsapparat, den Militärgeheimdienst, sogar Leute aus dem Präsidentenpalast. Es gibt keine Tabus mehr." Die Gegenmaßnahmen der Staatsgewalt gingen über das Sperren der Seite bislang nicht hinaus - vielleich weil Assad die schützende Hand über seinen Freund aus Kindertagen hält. Nur hofft, dass seine bissigen Kommentare das Baath-Regime vor Korruption und Inkompetenz retten können. Sein Ziel sei es, erklärte Nur HRW, "den Sinn der Meinungsfreiheit zu verbreiten und einen Dialog zu beginnen. Wenn die Menschen sehen, dass sie an diesem Dialog teilnehmen können, werden sie ihre Gesellschaft verteidigen."
Eine weitere Website, Champress , veröffentlich kritische Artikel, die so niemals in den staatlichen Zeitungen wie "Tishreen", "al-Baath" oder "al-Thawra" erscheinen würden.
Dennoch bewegen sich Syriens "Cyber-Rebellen" auf einem schmalen Grat. Der Blogger Ammar Abd al-Hamid verließ im September 2005 sein Land, weil er wegen der Kommentare in seinem Blog Amarji mehrfach im Gefängnis landete und unter Dauerbeschattung der Behörden stand. Nun führt er seinen Blog von Silver Spring, Maryland aus weiter.
Hätte er seine Heimat nicht verlassen, wäre es ihm vielleicht ähnlich ergangen wie dem syrisch-kurdischen Journalistik-Studenten Massud Hamdu. Er sitzt seit Juli 2003 im Gefängnis, weil er im Internet Bilder kurdischer Kinder veröffentlichte, die vor dem UNICEF-Büro in Damaskus demonstriert hatten, berichtet AFP. Der Aktivist Habib Salih sitzt seit seit Mai vergangenen Jahres hinter Gittern, weil er Briefe veröffentlichte, in denen er eine Demokratisierung des Landes forderte.
Selbst der Besuch dieser regimekritischen Seiten ist nicht ungefährlich. In den Internet-Cafés sitzen zuhauf Geheimdienstmitarbeiter, die kontrollieren, welche Seiten angeklickt werden. Daher versuchen viele Internet-User ihre Identität und Herkunft mit Hilfe besonderer Software zu verschleiern. Die Menschenrechtsaktivistin Aktham Naissa äußerte sich gegenüber Human Rights Watch zuversichtlich.: "Es gibt so viele Websites, so viele E-Mails - der Staat kann uns nicht aufhalten."
Mittwoch, 15. März 2006
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