Dienstag, 15. November 2005

Irak: Wird Muqtada al-Sadr zum Königsmacher bei den anstehenden Wahlen?


Einen Monat vor den irakischen Parlamentswahlen am 15.Dezember buhlen immer mehr politische Kräfte um die Gunst des jungen Schiiten-Führers Muqtada as-Sadr. Die US-Armee schätzt die Anzahl seiner Anhänger gegenwärtig auf etwa drei Millionen Iraker, die nun als entscheidend im Kampf um die stärkste politische Kraft bei dem anstehenden Urnengang angesehen werden.
Erst am Freitag hatten zehntausende Schiiten im Anschluss an das Freitagsgebet in der südirakischen Stadt Kufa al-Sadr ihre Unterstüzung bekundet. Viele von ihnen sind unzufrieden mit der Übergangs-Regierung unter dem gemäßigten Schiiten Ibrahim al-Jaafari, da sie bisher weder in der Lage ist die Sicherheitslage entscheidend zu verbessern, noch eine durchgehende Versorgung mit Wasser und Strom zu gewährleisten (alsharq berichtete). Seine Anhänger rekrutieren sich vor allem aus der jungen städtischen Bevölkerung aus Baghdads Elendsvierteln wie der nach seinem Vater benannten Sadr-City oder den südirakischen Schiiten-Hochburgen Najaf, Kufa und Basra. Unter ihnen ist die Arbeitslosenquote besonders hoch und viele von ihnen wollen entschiedener gegen die sunnitischen Terrorgruppen um Abu Mussab al-Zarqawi vorgehen, die immer wieder Schiiten als Ziel haben.
Noch vor einem Jahr wurde Muqtada as-Sadr, der einer angesehenen irakisch-libanesischen Familie schiitischer Geistlicher entsammt, von den amerikanischen Besatzungstruppen gesucht, "tot oder lebendig", wie Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte. Wegen seines entschiedenen Anti-Amerikanismus sollen nun auch gemäßigte sunnitische Parteien bei dem 33-jährigen al-Sadr um Unterstützung gebeten haben.
Ranghöchster Politiker , der den jüngsten Sohn des 1999 unter Saddam Hussein ermordeten Ayatollahs Muhammad Sadiq as-Sadr am Wochenende besuchte, war Abdul Aziz al-Hakim, Vorsitzender des Obersten Rates der Islamischen Revolution im Irak (SCIRI) und entscheidender Strippenzieher der aktuellen Regierung.
Hussan Bazzaz, Chef des Zentrums für Kultur und Meinung in Bagdad, glaubt, dass sich Sadr auf diesem Wege in der institutionalisierten Politik etablieren wolle, ohne aber gegenüber seinen Anhängern das Ansehen als unbeugsamer Rebell zu verlieren.: "Muqtada bewegt sich in verschiedene Richtungen. Er hat die letzten Wahlen noch boykottiert, weil er wusste, dass sie kaum relevant waren. Nun aber werden die Weichen für die kommenden vier Jahre gestellt."
Schon jetzt scheint sicher, dass unter welcher Konstellation auch immer, enge Vetraute al-Sadrs wichtige Posten im neuen Kabinett bekleiden werden. Die US-Regierung hat bereits angekündigt, dass sie mit jeder rechtmäßig gewählten irakischen Regierung zusammenarbeiten wolle.

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