Samstag, 26. November 2005

Iran: Machtkampf zwischen Präsident und Parlament


Zwischen Irans neugewähltem Präsidenten Mahmud Ahmedinejad und der Majlis, dem iranischen Parlament, ist ein Machtkampf bisher ungekannten Ausmaßes ausgebrochen.
Zum wiederholten Male ist in der vergangenen Woche der vom Staatschef vorgeschlagene Kandidat für den Posten des wichtigen Öl-Ministeriums von den Parlamentsabgeordneten abgelehnt worden. Zudem beschädigt ein weiterer Finanzskandal im Rathaus Teherans das Ansehen des ehemaligen Hauptsstadt-Bürgermeisters, der die Bekämpfung von Korruption als Hauptziel seiner Arbeit benannt hatte. Ehemalige Weggefährten Ahmadinejads wenden sich immer mehr von ihm ab, auch weil der Präsident sämtliche Entscheidungen hinter verschlossenen Türen mit einem engen Kreis von Vertrauten trifft, denen viele Parlamentarier die Kompetenz dazu absprechen.
Eine Ermittlung der teheranischen Staatsanwaltschaft ergab, dass allein im Monat Juni vor den iranischen Parlamentswahlen etwa 15 Millionen Euro aus dem "Budget für kulturelle Aktivitäten" geflossen sind; wohin ist bisher völlig unklar. Nicht wenige Kritiker des Präsidenten glauben, dass das Geld in den Wahlkampf Ahmedinejads geflossen ist, der damals noch Bürgermeister Teherans war.
Der nächste Tiefschlag ereignete den ehemaligen Polizisten am Mittwoch, als auch der dritte Kandidat für den Vorsitz des Ölministeriums, Mohsen Tasalloti, in der Majlis durchfiel. Der Minister verwaltet dank der stetig steigenden Ölpreise mittlerweile ein Drittel des Staatsbudgets und hat somit großen Einfluss auf die Vergabe von Staatsgeldern. Die Niederlage für Ahmedinejads Kandidaten ist umso überraschender angesichts der Tatsache, dass die Konservativen und strengen Islamisten, aus deren Kreisen auch der Präsident kommt, im Parlament über eine deutliche Mehrheit verfügen. Kurz vor der Abstimmung hatte Ahmedinejad in einem fast schon verzweifelten Appell noch einmal zur Unterstützung Tasallotis aufgerufen.: "Die Regierung respektiert die Majlis, aber einen Bruder aus einer unbekannten Internetseite ungerechterweise zu beschuldigen ist einfach nicht fair." Im Internet kursierten Gerüchte, nach denen Mohsen Tasalloti neben der iranischen auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitze.
Das dreifache Durchfallen von designierten Ministern ist ein in der Geschichte der Islamischen Republik Iran einmaliger Vorgang. Selbst dem Amtsvorgänger Ahmadinejads, dem Reformer Mohammed Khatami, war es gelungen gegen die konservative Mehrheit im Parlament seine Kandidaten durchzuboxen. Nun hat das Parlament den Wächterrat angerufen eine Lösung für die festgefahrene Situation zu finden.
Majlis-Abgeordnete hatten nach der Wahl erklärt, sie seien verärgert, dass sie nicht im voraus vom Präsidenten über seinen Personalvorschlag konsultiert wurden. Sie sehen im Verhalten Ahmadinejads eine breiter angelegte Strategie altgediente erfahrene Beamte durch junge, unbekannte Ideologen zu ersetzen. So wurde erst in dieser Woche der Chef der Teheraner Börse, die seit der Präsidentschaftswahl ein Viertel ihres Werts verloren hat, durch einen 27-jährigen Universitätsabsolventen ersetzt. Vor der Wahl hatte Mahmoud Ahmedinejad die Börse allerdings noch als "unislamisch" gegeißelt und ihre Abschaffung angekündigt.

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